Kreativer Aufbruch aus der Quarantäne
Über die Krise als Strukturproblem und maskierte Kunst im Online-Shop.
In der Kreativwirtschaft hat, auch ohne die zahlreichen Vorleister, viel Platz. Dabei handelt es sich um „erwerbsorientierte Unternehmen, die sich mit der Schaffung, Produktion und (medialen) Distribution von kulturellen Gütern sowie Dienstleistungen beschäftigen.“ Ihr Anteil an der österreichischen Wirtschaftsleistung ist mit ungefähr vier Prozent in etwa gleich wie der des Tourismus und fast doppelt so hoch wie jener der Kfz-Branche. Es versteht sich von selbst, dass es dabei nicht nur um Kunst geht.
Laut Statistik Austria übten 2018 1,5 Prozent aller Erwerbstätigen einen Kulturberuf aus, 14.000 davon als bildende Künstler. Das sind neben Bildhauern und Malern auch Designer und Fotografen. 2017 erhielten sie 1,2 Prozent der öffentlichen Kulturförderung, weniger bekamen nur noch die Literatur und die Presse. Für die darstellende Kunst (Schauspieler, Tänzer, Kabarettisten etc.) wurden 18 Prozent, also fünfzehnmal so viel ausgeschüttet.
Weit mehr als die Hälfte der auf dem Sektor der bildenden Kunst Tätigen sind selbstständig, und sehr viele, vor allem Bildhauer und Maler, Ein-Mann/Frau-Unternehmer. Ihre Klientel sind in erster Linie Personen, die sich für ihr Werk interessieren, sich damit auseinandersetzen, Kritik üben, kurz: durch deren ästhetisches Erleben das Werk erst zum Kunstwerk wird.
„Seit meinem Auftritt in der Online Galerie von Dolomitenstadt bin ich schon oft auf mein Werk angesprochen worden. Was mir fehlt sind Fragen und die spannende Diskussion“, sagt Thomas Baumgartner, Sprecher der Kunstwerkstatt Lienz, der sich wie Elfriede Skramovsky und Andreas Brunner während des Lockdowns und danach mit dem Thema beschäftigt hat. Wir zeigen im Dolomitenstadt-Artshop drei neue Arbeiten, die für ambitionierte Sammler nicht nur aufgrund ihres Preises zu einem Geheimtipp werden könnten.
Selten reicht ihre Kaufkraft aus, um dem Künstler Wohlstand und materielle Entlastung zu garantieren. Das ist weniger ein Problem der Krise als ein Strukturproblem. Im sozialen Zusammenhang tendieren bildende Künstler zum Prekariat, welches nichts desto weniger eine lange Ahnengalerie adelt.
Wer aber ein abgeschnittenes Ohr nur als besonders effektvollen und von etlichen Künstlern der Gegenwart mehr oder weniger originell variierten Marketingeinfall bewertet vergisst, dass wir ohne den physischen Schmerz eines van Gogh Bilder – Kunst hin oder her – kaum in der Weise wahrnehmen würden, wie wir es heute gewohnt sind. Das hat schon Picasso erkannt: „Seit Van Gogh sind wir alle Autodidakten, man könnte fast sagen, primitive Maler. Nachdem die Tradition im Akademismus versunken ist, müssen wir eine ganz neue Sprache erschaffen.“
Kunst ist Sprache. Was ein Land, eine Stadt oder ein Dorf sichtbar im eigenen Veranstaltungskalender vermerkt, ist nicht mehr als die Spitze eines gigantischen Eisberges, der, ob wir es wollen oder nicht, unsere Geschichte, unsere Kultur, unser Zusammenleben trägt: Kein Bild und kein einziges Wort, das gesehen oder gesprochen wird, ohne sich auf die lange Geschichte der Kunst berufen zu müssen. Und gerade das sollte uns nichts wert sein?
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