FFF-Osttirol übermittelte der Redaktion zum gestrigen Aktionstag ein Interview, das der Naturwissenschaftler und Permakultur-Experte Mario Molina-Kescher dem jungen FFF-Team aus Osttirol gab.
Molina-Kescher ist gebürtiger Spanier mit Kärntner Wurzeln, studierte in Spanien, Mexiko und Deutschland Meereswissenschaften und promovierte in Kiel, wo er auch als Klimaforscher für das Geomar-Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung arbeitete. Seit einigen Jahren beschäftigt er sich intensiv mit der praktischen Erforschung von Permakultur-Methoden als Maßnahme zum Klimaschutz. Ein Gästehaus seiner Vorfahren im Kärntner Rosental wird dabei für Molina-Kescher zum Experimentier- und Demonstrationsraum für ein regeneratives Wohn-, Bildungs- und Unterbringungszentrum. Seine Kenntnisse vermittelt der Wissenschaftler auch Kindern an der alternativen „Wahlnuss-Schule - Bildung mit Herz und Hirn“.
Mario, der Klima-Corona-Deal wird von hunderten WissenschafterInnen und vielen NGOs unterstützt. Warum bist du mit dabei?
Ich bin der Meinung, dass uns die Natur im Moment ein starkes Signal schickt. Dies ist ja eigentlich eine 'milde' Variante der Katastrophen, die auf uns zukommen, wenn wir unsere Beziehung zur Natur nicht radikal ändern. Es ist also ein Fenster, das sich im Moment öffnet, eine tolle Gelegenheit, den 'reset button' zu drücken und anders anzufangen, indem wir unsere Gesellschaft regenerativ neu aufbauen.
Große Teile der Bevölkerung erwarten aber dennoch ein baldiges 'business as usual‘.
Ja, aber auf der anderen Seite erlebt man, dass viele Menschen diese Botschaft der Natur wahrgenommen haben. Anderen wird das erst bewusst werden, nachdem das ‚business as usual' wieder eingekehrt ist. Und wieder anderen wohl erst, wenn die nächste Krise eintrifft. Dies ist ein Langlauf und kein Sprint, also müssen wir weiter fleißig die Welt der Zukunft aufbauen, auch wenn der Klima-Corona-Deal eventuell nicht weiter kommt. Alles, was sich in der Natur gesund, resilient und anpassungsfähig zeigt, wächst langsam, wie ein Baum, im Gegensatz zum Gras, das schnell wächst und auch schnell wieder stirbt.
Wie kann globale Klimagerechtigkeit umgesetzt werden?
Wir müssen dringend spezifische Maßnahmen ergreifen, um die Regeneration von Böden, Wäldern, Meeren und Wasserläufen zu unterstützen. Dafür können wir Menschen uns einsetzen und so dazu beitragen, unsere Rolle im Ökosystem Erde zu erfüllen. D. h. unsere Grundbedürfnise decken, während wir gleichzeitig Biodiversität fördern und die natürlichen Kreisläufe unterstützen. Ein ideales Werkzeug dafür ist die Permakultur, ein intersdiziplinärer Gestaltungsprozess von Lebensräumen – inklusive Mensch – die an natürliche Kreisläufe angepasst werden. Die Permakultur basiert auf ethischen Richtlinien und Gestaltungsprinzipien, die alte Traditionen mit modernem Wissen verbinden und quasi alle Bereiche des Lebens einbeziehen. So werden auch lokale Gemeinschaften und regionale Wirtschaften regeneriert.
Und was kann dabei ein kleines Land wie Österreich leisten?
Österreich hat das Potenzial, eine führende Rolle in diesem Bereich zu übernehmen, z. B. durch die Entwicklung eines integrativen Ökosystem-Managements‘. Dies sind diversifizierte landwirtschaftliche Systeme zur Gewinnung von Lebensmitteln, Fasern, Biomasse, Medizin, Holz etc., die die Entwicklung eines natürlichen Waldes nachahmen – man spricht auch von ökologischer Sukzession – während sie gleichzeitig CO2 aus der Atmosphäre binden, durch Humusaufbau, Biodiversität fördern, Wasser speichern und Nährstoffe aufbauen.
Die Forderungen von Fridays for Future nach einer sozialen Steuerreform wurde bis dato nicht umgesetzt. Wird der Klima-Corona-Deal mehr Chancen haben?
Wir erleben gerade turbulente Zeiten, in denen viele Informationen in alle Richtungen fließen. Dies könnte theoretisch zum Nachteil werden, da viele Menschen dadurch verwirrt sind. Auf der anderen Seite denke ich, dass die Klimakrise an Bedeutung und Aufmerksamkeit gewinnen wird, wenn sich die Lage etwas beruhigt, denn die COVID-19-Krise ist ja letztendlich eine Folge der multifunktionellen Krise, in die uns das aktuelle Wirtschafts- und Gesellschaftsystem führt. Wir sollten nicht vergessen, dass die Wissenschaft eindeutig belegt, dass mehr als 70 Prozent der aufkommenden Infektionen der letzten vierzig Jahre Zoonosen waren, d. h. tierische Infektionskrankheiten, die auf den Menschen übertragen werden, wie das Coronavirus oder Ébola. Ein Hauptgrund dafür ist der Biodiversitätsverlust auf unserem Planeten. Die Existenz einer hohen Vielfalt von Genen, Arten und Ökosystemen beschränkt die Übertragung solcher Krankheiten aufgrund eines Verdünnungs- oder Dämpfungseffekts.“
Keine Postings
Sie müssen angemeldet sein, um ein Posting zu verfassen.
Anmelden oder Registrieren