Sonderzug mit Betreuerinnen aus Rumänien angekommen
Weitere sollen folgen. In Österreich sind 33.000 Menschen auf die 24-Stunden-Pflege angewiesen.
Nach wochenlangem Ringen ist am Montag kurz vor 8.00 Uhr der erste Korridorzug mit 24-Stunden-Betreuungskräften aus Rumänien in Wien-Schwechat angekommen. An Bord des Nachtzuges aus Timisoara (Temeswar) befanden sich rund 80 vorwiegend weibliche Pflegerinnen, die in den Bundesländern Wien, Niederösterreich und Burgenland zum Einsatz kommen. 350 Personen hätten in dem Zug Platz gehabt.
"Die 24-Stunden-Betreuerinnen sind eine große Unterstützung", sagte Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) vor Journalisten. "Der Zug bietet die Möglichkeit, alle gesundheitspolitischen Möglichkeiten einzuhalten." Edtstadler verwies auch darauf, dass es bei der Einrichtung dieser Zugverbindung in Zeiten der Coronakrise "nicht ganz einfach" gewesen sei, alle behördlichen Genehmigungen zu bekommen. Edtstadler hatte bereits im April eine entsprechende Vereinbarung verkündet, der dann aber die rumänische Seite widersprochen hatte. Am Donnerstag gab es dann die endgültige Einigung. Angesichts dessen, dass nur 80 Insassen in dem Zug waren, sagte Edtstadler: "Wenn man etwas beginnt, dann dauert es auch etwas, bis es etabliert wird."
Vereinbart sind vorerst sechs Zugverbindungen: nach dem Zug vom Montag erfolgt die Rückreise der ausgetauschten Betreuer und Betreuerinnen am Dienstag. Pflegepersonal für die Bundesländer Oberösterreich, Kärnten, Salzburg, die Steiermark, Vorarlberg und Tirol soll am Donnerstag ankommen. Eine Verbindung am 17. und 20. Mai steht bereits zur Buchung offen. Zudem besteht die Option auf Verbindungen am 24. und 27. Mai. In jedem Zug gibt es 300 buchbare Plätze für Vermittlungsagenturen und 50 Plätze für Privatpersonen. Nur Personenbetreuerinnen mit aufrechter Gewerbeberechtigung dürfen mitfahren.
Der Zugkorridor aus Rumänien wurde von der Wirtschaftskammer in Kooperation mit den ÖBB organisiert. Die Einrichtung der Verbindung sei eine "Herausforderung" gewesen, sagte der Obmann des Fachverbands der Personenbetreuer in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), Andreas Herz. Laut ihm wurden die Rumäninnen nach ihrer Ankunft in einem Hotel auf dem Flughafengelände auf das Coronavirus getestet und halten sich dann in einem Einzelzimmer auf. Bei einem negativen Covid-19-Test können sie am Dienstag von den Familien und Agenturen abgeholt werden. Positiv Getestete müssen in Quarantäne bleiben.
Die Vorständin für den ÖBB-Personenverkehr, Michaela Huber, ergänzte, dass derartige Züge "im Normalfall für Jahre und Monate im Voraus geplant" würden. "Hier ist es in wenigen Wochen gegangen." Die Kooperation mit Rumänien habe gut funktioniert. Die Betreuerinnen seien vor der Abreise in Rumänien einer Gesundheitsuntersuchung unterzogen worden. Das sei sehr diszipliniert abgelaufen. Die Insassen hätten zudem Masken erhalten und sich im Zug nicht frei bewegen dürfen.
Auch die Ankunft des Pflegepersonals auf dem Bahnhof des Flughafens Wien-Schwechat fand unter strengen Sicherheitsvorkehrungen statt. Zahlreiche Polizisten und Sicherheitskräfte leiteten die Passagiere zum Hotel und achteten auf den Sicherheitsabstand.
Die Betreuerinnen wurden auch von der Pflege-Selbsthilfegruppe "D.R.E.P.T pentru îngrijire" (Gerechtigkeit für 24-Stunden-Betreuung) mit einem Willkommensplakat begrüßt. Eine Vertreterin der Facebook-Gruppe, Flavia Matei, erklärte, dass sich ihnen rund 5.000 rumänische Betreuerinnen angeschlossen hätten, weil es "viel Missbrauch" und Benachteiligungen in der Branche gebe.
So seien viele Betreuerinnen etwa gezwungen, den Vermittlungsagenturen Inkassovollmachten zu unterschreiben, berichtete Matei. Als "erniedrigend" würden viele Pflegerinnen außerdem empfinden, dass sie den 500-Euro-Bonus, der ihnen zusteht, wenn sie ihren Turnus verlängert haben, nicht direkt bekommen. Das Geld gehe abzüglich Sozialversicherung an die Betreuungsfamilien oder die Agenturen. Ein "großes Thema" sei für die Frauen aber auch die Indexierung der Familienbeihilfe. Die Gruppe fordert die Rücknahme der Maßnahme.
Eine der angekommenen Pflegerinnen, Elena Mecei, bestätigte, dass sie sich in Österreich andere Arbeitsbedingungen wünschen würde. "Sicher ist es schwer. Aber das ist mein Job", sagte Mecei, die im Burgenland tätig ist. Ihre Kollegin, die sie nun ablöst, sei drei Monate im 24-Stunden-Dienst gewesen. Das sei sehr lang.
In Österreich sind rund 33.000 Menschen auf die 24-Stunden-Pflege angewiesen. Laut WKÖ betreuen etwa 60.000 Pflegekräfte diese Personen. 99 Prozent davon stammten aus dem Ausland, rund die Hälfte der 24-Stunden-Pflegerinnen komme aus Rumänien, wie Herz gegenüber der APA bestätigte. "Der Bedarf steigt von Jahr zu Jahr."
Kritik an dem Pflegekräfte-Korridorzug kam unterdessen von der FPÖ. FPÖ-Bundesparteiobmann Norbert Hofer sah ein "Systemversagen", weil "bei 600.000 arbeitslosen Menschen Arbeitskräfte mit Sonderzügen nach Österreich gebracht werden", wie er in einer Aussendung mitteilte. Hofer erneuerte die FPÖ-Forderung nach der Gründung einer Bundesgenossenschaft für Betreuungsleistungen. FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch sprach in einer Aussendung von einer "Scharlatanerie" von ÖVP-Ministerin Edtstadler, weil am Montag statt 350 nur 80 Pflegekräfte ankamen.
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