Das kann jetzt ein paar Tage dauern. Seit meiner Geschichte mit den Briefträgern hat nämlich der Postmann schon zweimal bei mir geklingelt. Oder die Postfrau. Ich konnte das nicht gut erkennen, denn die tragen jetzt auch Masken bei der Post. Mein Briefträger trug sogar drei, eine vorm Gesicht, die anderen beiden ein Stück tiefer. Früher hätte man in diesem Aufzug die Post ausgeraubt, nicht ausgetragen. Da geht aber jetzt die Post ab, hab ich mir gedacht. Die Fanpost.
Es war aber keine Fanpost im eigentlichen Sinne, nur zwei Mahnungen von der GIS. Gebühren Info Service. Der reinste Euphemismus. Die informieren mich nur dann, wenn ich die Gebühren nicht bezahlt hab. Die erste Mahnung klingt noch ziemlich freundschaftlich, ja fast besorgt: „Lieber Herr Ingruber, sie kommen langsam in ein Alter, in dem man Kleinigkeiten leicht vergisst, wir würden deshalb sehr empfehlen usw.“ Beim zweiten Mal dann werden sie schon deutlicher: „Es dürfte Ihrer Aufmerksamkeit entgangen sein, dass Sie uns bisher entgangen sind …“ Beim dritten Mal schicken sie dich dann zum Kuckuck. Nein, sie schicken den Kuckuck zu dir.
Sonst war nichts dabei. Nicht einmal von meinen engsten Freunden. Aber die sind alle große Künstler, und für Kleinkunst haben die nichts übrig. Obwohl, ich bin mir da gar nicht so sicher, dass aus dem Tagebuch nicht doch noch etwas Großes wird. Jeden zweiten Tag ein Eintrag, das macht dann bis zum Ende der Coronakrise so um die fünfhundertdreißig Seiten. Fast so dick wie der Pschyrembel. Da sind die Postings noch gar nicht mitgerechnet. Der Othmar Eder hat geschrieben. Bei dem liest jetzt auch der Briefträger die Post. Im Home-Office. Er ruft dann an, wenn etwas Wichtiges dabei ist.
Zwei Wochen später kam dann wirklich Fanpost. Es hat aber nicht deshalb so lange gedauert, weil der Briefträger sie vorher lesen musste. Das war in meinem Beitrag auch nur so eine Stilfigur. Eine Metapher. Metapher heißt nämlich „Übertragung“. Nein, es war ein Telegramm, und ich glaub nicht, dass sie bei der Post das Morsealphabet beherrschen. Ich habe das noch in der Volksschule gelernt. Wenn der Lehrer einem im bestimmten Takt auf die Finger klopfte und man simultan erraten musste, was er damit meinte. So etwas bleibt fürs ganze Leben.
In dem Telegramm stand Folgendes geschrieben:
Geschätzter Herr Ingruber!
Es hat mich einiges an Schweiß gekostet, ihre Adresse ausfindig zu machen. Verraten hat sie mir ihr Nachbar, den kenn ich auch von früher, aber er ist auf mich zurzeit nicht gut zu sprechen.
Grundsätzlich teile ich Ihre Kritik am Krisenmanagement der Bundesregierung, nur sollten Sie sie noch viel schärfer formulieren. Ich bin selbst politisch tätig und Tag und Nacht damit beschäftigt, das den kleinen Leuten zu erklären. Auf Augenhöhe sozusagen. Außerdem habe ich die Maßnahmen schon vor Jahren vorgeschlagen: Grenzen dicht und Menschen wie die Gridlings isolieren! Das Vermummungsverbot erweist sich jetzt als Segen, unvermummt laufen heute nur noch Illegale durch die Gegend.
Herr Ingruber, wenn es mit der Bewegungsfreiheit wieder besser geht, hätte ich mir gewunschen, Sie persönlich kennenzulernen. Ich brauche Männer wie Sie.
In ehrlicher Bewunderung,
H. K.
H. K.? Heidi Klum vermutlich.
Rudi Ingruber ist Kunsthistoriker, Leiter der Lienzer Kunstwerkstatt und freier Autor – auch für dolomitenstadt.at. Sein Corona-Tagebuch erscheint während der Zeit der „Corona-Krise“ in unregelmäßigen Abständen.
Endlich kommt Fanpost! Doch wer ist H. K.?
Heute wird das nichts mehr mit dem Tagebuch. Ich muss zuerst die Post erledigen.
6 Postings
Und das aufregende TamTam mit der Zustelladresse ist ja auch so eine Sache: Das Impressum - nach den Texten R. I.s - in den Osttiroler Heimatblättern scheint H. K. jedenfalls entgangen zu sein ...
Harald Krasnitzer? Hermann Kuenz!
Ja, daran habe ich auch schon gedacht. Aber die zählen ja zu den großen Künstlern. Von denen kommt nichts.
Toller Artikel, man hat wieder einmal etwas zum Schmunzeln...DANKE
Hans Krankl, Heinz Konrads kann's nicht sein, der lebt nicht mehr. Außerdem wären die Initialen dann H. C., das wäre dann aber schon wieder wahrscheinlicher.
Dann schon lieber Hildegard Knef.
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