Wie ist´s so in der Griechischen Hauptstadt? Coronamäßig, versteht sich von selbst. Nun ja. Auf den Straßen findet man wenig Geld, viel Müll, fröhlich laute Leute, denen viel Sonnenschein auf die Hinterköpfe knallt. Gar nicht so viel Unterschied also zum alltäglichen Leben ohne Virus. Jetzt aber neu im Jahr: Aufkeimender Frühling und saure Orangen und süße Zitronen auf den Bäumen, die nur darauf warten, bestaunt oder (für kulinarisch Mutige) gepflückt und verwendet zu werden.
Die internationale Bevölkerung Athens soll zuhause bleiben? An Tagen wie diesen? Unmöglich. Nicht nur für uns. Aber auch für uns. Die Annahme, Atemschutzmasken in jeglicher Ausführung würden eine Ansteckung verhindern, treibt die Leute in die Apotheken, spornt an zu Hamsterkäufen und lässt die Bestände drastisch sinken. Ich frage nach: Eine einfache OP-Maske für vier Euro? Eine Packung mit dreißig Gesichtsbedeckungen für 80 Piepen? Die besseren FFP- Masken mit Ventil gänzlich ausverkauft?
Die Leute mit kleineren Geldbörsen behelfen sich mit dicken Schals und Rollkragenpullis, die sie weit übers Gesicht ziehen. Arm – aber weil es schon so warm ist hier! Ich wage den Selbstversuch: Auf diese Weise vermummt, beklagen sich Mund und Nase atemnötig, auf der Stirn stehen mir die Schweißperlen. Was lässt sich machen, um schnell, unkompliziert und einfach einen alltagstauglichen Tröpfchenstopper zur Verfügung zu stellen?
Rojda und Samet, ein kurdisches Pärchen, haben die Lösung. “Wir wollten Masken haben, die einfach herstellbar und austauschbar sind. Schauten uns zu Hause um und entwickelten die Ein-Minuten-Maske. Die Materialien sind denkbar simpel: Je nach Belieben und Vorrat feste Küchenrolle, Flies oder ein Textilstreifen, Tacker (mit Klammern) und zwei Elastikbändchen. Ich lasse mir die einzelnen Schritte der Maskenerstellung von den beiden erklären, bastle nach und staune: Das klappt auf Anhieb und ist tatsächlich schneller hergestellt, als ein Rollkragenpulli angezogen!
Für ausgefuchste Liebhaber eines steilen Auftritts empfehlen Rojda und Samet Marker oder Filzstifte in allen Farben des Regenbogens. Damit die Maskerade individuell gestaltet werden kann und karnevalstauglich wird. Das lasse ich mir nicht zwei Mal sagen und male ein dicklippiges Vampirmaul drauf. Auf diese Weise maskiert, bestückt mit einer gefüllten Schachtel Masken und ausgerüstet mit Latexhandschuhen, machen wir drei uns auf zur Verteilung.
Für Rojda und Samet geht es aber nicht darum, die Maske zu Kohle werden zu lassen: Sie geben gratis Muster ihrer homemade mask auf der Straße aus und versorgen die zukünftigen Trägerinnen und Träger mit Instruktionen zum Heimwerken. Während wir mit der Maskenausgabe auf der nicht mehr so, aber immer noch geschäftigen Straße Acharnon im Athener Stadtteil Attiki beschäftigt sind, bekomme ich einen Crash-Kurs in fünf Sprachen. Die beiden können den Interessierten die einzelnen Schritte zum Maskenbasteln in Kurmandschi, Türkisch, Englisch, Spanisch und natürlich Griechisch erklären.
“Wir wollen, dass die Leute davon inspiriert werden, ihre eigenen Masken zu kreieren, im Material ihrer Wahl und der passenden Größe. Gegen die zu Hause lauernde Langeweile. Denn irgendwann gehen ja die Filme und Bücher aus und man muss mit einem, wenigstens kleinen, Gefühl der Sicherheit mit dem Hund Gassi und Einkaufen gehen können.
Gänzlich kontraproduktiv war meine Idee, meine Maske mit dickem roten Stift zu bemalen: Man erkennt nicht auf Anhieb, dass es sich dabei um aufgemalte Vampirlippen handelt. Das schaut stattdessen für die vorbeiziehenden Passanten eher so aus wie herausgehustetes Blut. Oh, kein Wunder, dass sich noch niemand an unseren Gratismasken bedient! Schnell austauschen, als wir den Fauxpas bemerken und mit reiner Maske, Chirurgenhandschuhen und schlauer Miene, so weit das im halb bedeckten Gesicht erkennbar ist, klinisch rein und professionell auftreten. In wenigen Minuten ist die Gratismaskenschachtel leer und wir müssen für Nachschub sorgen.
“Natürlich sind Aktionen wie diese auch für uns eine sinnvolle Weise, die Ergebnisse unseres kreativen Potentials in die Athener Gesellschaft einzubringen. Wir beide leben seit zweieinhalb Jahren in Griechenland und haben noch immer keine Möglichkeit, legal hier zu arbeiten. Der Termin für unsere erste individuelle Anhörung im Asylprozess ist erst in zwei Jahren!” Rojda lässt sich davon aber nicht entmutigen. Zielstrebig ebnet sie jetzt schon den Weg für ihren Zukunftstraum. Sie möchte irgendwann ein kleines Cafe mit Bäckerei in Athen eröffnen. Dort will sie selbst kreierte Schmankerln auftischen. Mit Rezepten aus kurdischer und griechischer Backtradition und ihren eigenen Süßwarenexperimenten.
Katharina Zanon stammt aus Osttirol, ist Künstlerin und lebt derzeit in Athen. Wir haben sie um einen Situationsbericht aus der griechischen Metropole gebeten. In den nächsten Tagen und Wochen folgen weitere Corona-Stories aus aller Welt.
Rojda und Samet basteln Schutzmasken in Athen
Während die beiden auf Asyl hoffen, verschenken sie ein Gefühl von Sicherheit. Handgemacht!
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