Erster Auftritt des neuen Kabinetts im Hohen Haus
Kurz und Kogler erklärten ihre Ziele und Motive – Opposition bleibt skeptisch.
Jetzt ist der Regierungsbildungsprozess quasi komplett. Nach der Präsentation des Regierungsprogramms und der Angelobung folgte am Freitag, 10. Jänner, als dritter und letzter bedeutender Schritt die Regierungserklärung vor dem Nationalrat. Wirklich begeistert empfangen wurde das türkis-grüne Kabinett im Hohen Haus nicht.
Wie stets bei feierlichen Anlässen war die Besuchergalerie des Nationalrats gut gefüllt. Bundespräsident Alexander Van der Bellen fand sich mit Ehefrau ebenso im Ausweichquartier in der Hofburg ein wie Rechnungshof-Präsidentin Margit Kraker, die gerade abgetretene Kanzlerin Brigitte Bierlein und etliche weitere Größen aus der Vergangenheit wie die früheren Nationalratspräsidenten Andreas Khol, Fritz Neugebauer (ÖVP) und Heinz Fischer (SPÖ), letzterer ja auch einst Staatsoberhaupt.
Zu hören bekamen sie zunächst 21 Minuten Sebastian Kurz, in denen der ins Kanzleramt zurückgekehrte ÖVP-Obmann das wiederholte, was man in den vergangenen Tagen schon mehrfach zu hören bekam: Dass man sich bei den Koalitionsverhandlungen nicht auf Minimalkompromisse herunterverhandelt sondern aus beiden Welten das Beste zusammengefasst habe.
Gleich zehn Minuten mehr nahm sich Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) Zeit. Der würdigte das Regierungsabkommen als guten Pakt, den zwei weltanschaulich sehr unterschiedliche Parteien zusammengebracht hätten. Am Schluss sei es egal, wer sich wo durchgesetzt habe, solle doch die österreichische Bevölkerung die Gewinnerin sein.
Daran zweifelt die Opposition. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner sieht Türkis-Grün als ein "Wagnis zu Lasten des sozialen Ausgleichs in Österreich". Denn während bei Steuersenkungen für Reiche und Konzerne Milliarden eingeplant seien, sei für einen fairen Familienbonus kein Geld da. Weiters missfällt den Sozialdemokraten, dass die Hacklerregelung wieder zurückgenommen werden könnte sowie, dass Klimaschutz-Maßnahmen im Regierungsprogramm weder bezüglich Terminisierung noch Finanzierung konkretisiert seien.
Ein Programm für neoliberale Bürgerliche und Bobos will wiederum die FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch erkannt haben. Ihr Klubchef Herbert Kickl ätzte: "Ich habe das noch nie erlebt, dass zwei Parteien eigentlich nicht miteinander, sondern nebeneinander regieren." Bezweifelt wird von der FPÖ, dass ihr Kurs in der Migrationspolitik fortgesetzt wird.
NEOS-Klubchefin Beate Meinl-Reisinger will der Regierung zwar 100 Tage Schonfrist gewähren, einiges passt ihr aber jetzt schon nicht am Programm des Kabinetts Kurz: "Da sind Absichtserklärungen drinnen, die mit Leben gefüllt werden müssen." Außerdem vermisst Meinl-Reisinger Angaben zur Finanzierbarkeit der Maßnahmen sowie eine Pensionsreform.
Nach der Debatte zur Regierungserklärung werden am Freitag auch noch Budgetprovisorium, also die Fortschreibung des Haushalts 2019 bis zur Vorlage des ersten türkis-grünen Budgets, sowie das Bundesministeriengesetz, das die Kompetenzen zwischen den Ressorts verteilt, beschlossen. Freilich ist hier schon eine Verzögerung beim Inkrafttreten absehbar. Da SPÖ und FPÖ beiden Materien skeptisch gegenüber stehen, werden sie diese wohl auch im Bundesrat kommende Woche mit ihrer Mehrheit in der Länderkammer ablehnen, womit der Nationalrat – möglicherweise erst im Februar – einen Beharrungsbeschluss zu fassen hat.
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