Franz Kraler, demnächst 72 Jahre alt, hat die operative Lenkung des Konzerns an Sohn Andreas und ein vorwiegend aus Osttirol stammendes Management übergeben. Er selbst sitzt im Aufsichtsrat. Wenn er bei der Führung durch die Fertigungshallen hier ein Bauteil prüfend in die Hand nimmt und da einem Mitarbeiter auf die Schulter klopft, ist dennoch sonnenklar, dieser Mann lebt immer noch für das Unternehmen, das sein Vater 1959 mit zwei Helfern aus der Taufe hob und das mittlerweile 1.350 Mitarbeiter in halb Europa beschäftigt, mehr als 500 davon am Gründungsstandort Abfaltersbach.
Der Standortbürgermeister Anton Brunner weiß, was er an den Kralers hat: „Meine Kollegen beneiden mich, weil unsere Kasse immer voll ist.“ Ein so großer Betrieb in einer so kleinen Gemeinde lässt die Kommunalsteuern sprudeln. Keine der anderen Gemeinden Osttirols kann Abfaltersbach bei den Pro-Kopf-Einnahmen das Wasser reichen. Brunners Jubiläumsgeschenk ist ebenso vielsagend wie originell, ein Bild von Hans Salcher, dem Meister der augenzwinkernden Verknappung. Darauf zu sehen: ein Holzrechen! „Rechenmacher“ ist heute noch der Vulgonamen der Kralers. Alois Kraler fertigte anno dazumal nämlich Heurechen aus Holz. Hans Salcher montierte in seine Version drei Zähne in Gelb, Blau und Rot – und fertig ist der HELLA-Rechen.
Längst ist das HELLA-Produktportfolio über die Klassiker Jalousien, Markisen und Rollladen hinausgewachsen, beispielsweise in das Segment Insektenschutz, das zweistellig wächst. Ein anderes Wachstumssegment sind Bausätze, die den nahtlosen Einbau von Fenstern samt Sonnenschutz in Gebäude aller Art ermöglichen, darunter immer mehr Holzhäuser. Automatisierung und Smart Living sind ebenfalls große Themen, auch Jalousien und Rollladen aus Osttirol werden zunehmend mit dem Smartphone gesteuert.
Die Abfaltersbacher Beschattungsspezialisten wissen, dass ihnen der Klimawandel und der Klimaschutz in die Hände arbeiten. Es wird immer wärmer und guter Sonnenschutz optimiert das Raumklima ohne energiefressende Klimaanlage. Die Osttiroler, die neben Abfaltersbach auch Werke in Geislingen bei Stuttgart, Werne, Duisburg und Wroclaw (Polen) betreiben, setzen nicht nur auf eine breite Sortimentspalette, sondern auch auf eine nach wie vor beeindruckende Fertigungstiefe.
Auch das ist wohl der Mentalität geschuldet. Was man selbst machen kann, das macht man im Oberland seit jeher selbst. Bei HELLA bedeutet das, dass fast alle unzähligen Komponenten komplexer Sonnenschutz-Produkte im Haus gefertigt und nicht zugekauft werden. Sogar die meisten Maschinen in den Fertigungsstraßen sind Eigenbau und selbst die App für die Beschattungssteuerung am Handy hat man im Haus entwickelt.
Trotz Automatisierung ist der Anteil an menschlichen Handgriffen bei der Herstellung von gutem Sonnenschutz noch relativ hoch, was die Jubiläumsgäste beim Rundgang durch das Werk demonstriert bekamen. Die Betriebsführung endete in einer kleinen, fast altmodisch anmutenden Werkstatt, in der nicht nur Maschinenteile gewartet und repariert werden. Hier beginnen auch die Lehrlinge – derzeit sind es 13 in drei Lehrberufen – ihre Karriere bei HELLA, ganz klassisch, mit einer Feile in der Hand, so wie drei Generationen Kraler es auch gemacht haben.
Und die Zukunft? Konsolidiertes Wachstum heißt da das Zauberwort. HELLA hat im letzten Viertel seiner 60-jährigen Firmengeschichte, also in den 15 Jahren von 2004 bis 2019 die Mitarbeiterzahl von 220 auf 1.350 gesteigert. Der Umsatz wuchs in dieser Zeit von 24 auf 181 Millionen Euro an. Die HELLA-Gruppe ist als Holding organisiert und umfasst mittlerweile 34 eigene Standorte und sechs Produktionswerke. So schnell will man künftig nicht mehr weiter wachsen, damit die Stabilität nicht leidet. Aber große Pläne gibt es – wie zu erwarten – doch. 6.000 Quadratmeter Grund sind am Standort Abfaltersbach für einen weiteren Ausbau des Werkes reserviert. Und um die Ecke kaufte HELLA einen alten Mühlenturm, dem man neues Leben einhauchen will – als Forschungszentrum für die Sonnenschutz-Technologien der Zukunft.
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