„Machtgier ist der Reichtum der Tyrannen“
Beklatschte Premiere von „Antigone“ am 6. Oktober im Stadttheater Bruneck.
Das Wechselspiel von Macht und Gewalt scheint zeitlos zu sein. Was Sophokles, der wohl größte griechische Dichter, schrieb, hat leider nach 2500 Jahren immer noch seine erschreckende Gültigkeit. Die Tragödie „Antigone“ zeigt es: Die Arroganz eines Politikers, zu glauben selbst das Gesetz zu sein, kann nur in grenzenloser Irritation und unausweichlicher Vernichtung enden.
Antigone, die Tochter des Ödipus, ist der Zerreißprobe zwischen den spirituellen Gesetzen der Menschlichkeit und jenen materialistischen Kreons, des absolutistischen Herrschers von Theben, ausgeliefert. Er verbietet bei Todesstrafe, Polyneikes, den Feind seiner Stadt, Antigones Bruder, zu begraben. Antigone begehrt auf. Lieber will sie sterben als ihren toten Bruder „nackt und unbeweint“ verfaulen und von den Vögeln fressen zu lassen. Alle gutgemeinten Ratschläge, Kreon nicht zu widersprechen und den Leichnam ihres Bruders nicht zu begraben, prallen an ihr ab. Menschlichkeit soll über dem Gesetz des Königs stehen.
„Der Hass ist nicht der meine, ich will lieben.“ Doch nicht nur sie muss daran zerbrechen. Das Urteil lebendig eingemauert zu werden ist nur das erste Glied an der Kette des Unheils für jene, die doch ein Herz im Leib noch kräftig spüren. Haimon, Kreons Sohn und Antigones Bräutigam und Euridike, Kreons Gattin, nehmen sich das Leben. Vor dem Selbstmord, dem einzigen Weg aus der Misere, erkennt Kreon seine Schuld: „Zweifach ist mein Herz zerschnitten. Der schon Zerbrochene zerbricht noch einmal.“
Es ist bemerkenswert, dass gerade in letzter Zeit diverse Schauspielhäuser – wohlwissend um die Aktualität der Thematik – auf „Antigone“ zurückgreifen. Oliver Karbus hat die neben „Ödipus“ sicher bekannteste griechische Tragödie für ein hervorragendes Schauspieler-Ensemble bearbeitet und im Stadttheater Bruneck auf die Bühne gebracht. Jasmin Mairhofer bewies mit differenziertestem Einfühlungsvermögen und überzeugender Ausdrucksstärke einmal mehr, dass sie den Ansprüchen einer Rolle wie der der Antigone gewachsen ist.
Andreas Schneider zeichnete den menschlichen Untergang des Tyrannen und seinen Fall ins Nichts mit geballter Kraft nach. Dass er am Höhepunkt seiner sinnlosen Kompromisslosigkeit in unbefleckt weißer Uniform dasteht, sei als treffend mahnender Einfall des Regisseurs extra erwähnt. Monika Pallua, Martin Radecke und René Dalla Costa fügten sich in weiteren Rollen bestens in das ausweglos grausame Geschehen ein. Technische Einblendungen ergänzten die Präsenz des verpflichtend kommentierenden Chores. Das zahlreich erschienene Premieren-Publikum ehrte mit viel Beifall und Anerkennung die schauspielerische Glanzleistung.
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