Geschichtenfestival: Mut wurde im Mölltal ausgezeichnet
Juror Kurt Palm unterstrich: „Literatur muss Risken eingehen und Neuland betreten“.
Wenn Kurt Palm – der Tarantino des österreichischen Romans, Films und Theaters – in einem kleinen Kärntner Ort im Dorfsaal sitzt und sich dort die vom Anfang bis zum Ende des Abends stetig noch steigernden und immer noch jovialer werdenden Dankesreden und verbalen Schulterklopfer anhört, dann könnte man das Gefühl bekommen, dass er damit für einen weiteren seiner die österreichische Seele knallhart entblößenden Romane oder Stücke anstrengende Feldforschung betreibe.
Kurt Palm ist nämlich keiner, der, wie die anwesenden Vertreter von Politik und Wirtschaft, sich kameradschaftlich lächelnd um ständig bestätigenden, wenn auch zusehends anstrengender werdenden Zwischenapplaus bemüht. Ganz im Gegenteil.
Eigentlich, erklärt er im Gespräch kurz vorher an der Theke, würde er ja am liebsten am Attersee sitzen, angeln und gar nichts mehr schreiben über dieses durch und durch verseuchte Land, das unter einer Käseglocke vor sich hinschimmelt, ohne dass die stupide aufs Handy starrende, uniforme, abgestumpfte Masse merkt, dass der österreichische Mief nicht nur von der Politik, sondern von jedem einzelnen von ihnen verströmt wird.
Eigentlich. Aber irgendjemand muss Österreich ja den Spiegel vorhalten und Kurt Palm tut es in seinen Romanen („Monster“ (2019), „Strandbadrevolution“ (2017), „Bringt mir die Nudeln von Gioachino Rossini. Kein Spaghetti Western“ (2014), „Die Besucher“ (2012) oder „Bad Fucking“ (2010), das tunlichst nicht englisch ausgesprochen werden soll, ohne Kompromisse und mit einer schonungslosen Direktheit. Aber auch mit einem guten Humor. Sein Skalpell hat eine feine Klinge und setzt punktgenau an. Kurt Palm weiß durchaus, was er damit riskiert und vor allem riskiert hat, als er noch nicht die Sicherheit des Erfolges auf seiner Seite hatte.
Und wenn dann dieser Kurt Palm wenig später mit Inbrunst eine Textpassage aus „Strandbadrevolution“ vorliest und den revolutionären Geist von 17-Jährigen durch den Dorfsaal von Heiligenblut stürmen lässt, dann wächst und wächst die Neugierde darauf, was er als Jurymitglied des Mölltaler Literaturwettbewerbes sagen wird, denn es ist klar, dass Literatur für ihn niemals bloße Unterhaltung sein kann und dass Literaturwettbewerbe, die immer das Risiko in sich tragen, dass hier Texte geschrieben werden, um zu gefallen, eigentlich nicht zu ihm passen.
Eigentlich. Aber Melitta Fitzer, der Motor des ungemein engagierten und enthusiastischen Organisationsteams des Mölltaler Literaturfestivals, hat ihn für diese Aufgabe gewinnen können und zeichnet damit dieses nun schon zum vierten Mal stattfindende Projekt ungemein aus. "Die Ausgangssituation war die", fängt Kurt Palm an, „dass wir 21 anonymisierte Texte, die von der Vorauswahljury ebenfalls anonymisiert aus den über 200 Einsendungen ausgesucht worden waren, zugeschickt bekommen haben und es war interessant, dass nach der ersten Leserunde für die fünf Jurymitglieder acht Texte übrig blieben. Bei diesen Texten, hatte ich das Gefühl, das gewisse Grenzen überschritten wurden und dass hier Autoren bereit sind, ein gewisses Risiko einzugehen und Neuland zu betreten. Der mutigste Text, 'Paula!' von Helmut Loinger hat schließlich auch gewonnen.”
„Literatur soll tatsächlich niemals gefallen wollen, sondern aufrütteln”, ergänzt Jurorin Liliane Roth-Rothhorst, ORF-Redakteurin und Moderatorin bei „Kärnten Heute“, die lange Jahre die ZIB, die „Wochenschau“ und das „Mittagsjournal“ moderierte. „Mich hat beeindruckt, mit welcher Fantasie und welcher Inbrunst die Autoren an diese Themen herangegangen sind.“ „Vor allem auch die Nachwuchsautoren“, sagt dazu Katharina Springer, die als Journalistin, Herausgeberin, Schreibpädagogin und Biografin tätig ist und als drittes von fünf Fachjurymitgliedern bei dieser Preisverleihung des 4. Mölltaler Kurzgeschichtenwettbewerbs erkennt, wieviel Mut die Siegerin in dieser Kategorie, Zita Lackner, aufbringen muss, um ihren Text "Der Apfelbaum der Einsamkeit", der höchst berührend die Geschichte eines Mobbing-Opfers beschreibt, vor dem gespannten Publikum vorzutragen.
Dass das vorgegebene Thema „Gegenwind“ aber auch durchaus humoristisch interpretiert werden kann, zeigten die Gewinner des Publikumspreises, allen voran Anke Elsner aus Münster in Deutschland, die ihren Text „Der perfekte Plan“ zudem noch fast kabarettreif vortrug. Oder auch emotional und poetisch – wie der Text „Gegen den Wind oder Wie hält man einen Moment fest?“ von Corinna Lerchbaumer zeigte, die damit in der Kategorie der Mölltaler Autoren siegte.
„Es gibt“, wie Kurt Palm sagt, „schlechte und gute Literatur.“ „Literatur ist“, wie Liliane Roth-Rothenhorst sagt, „wie ein Wein. Man muss kein Weinkenner sein, um sagen zu können, dass man einen Wein mag oder nicht mag“. Ein Literaturwettbewerb lädt auf jeden Fall ein, zu probieren und im besten Fall zu genießen. Und deshalb ist es zu hoffen, dass das Mölltaler Literaturfestival im nächsten Jahr in die nächste Runde geht und wiederum eine so hochkarätig besetzte Jury bekommt.
Keine Postings
Sie müssen angemeldet sein, um ein Posting zu verfassen.
Anmelden oder Registrieren