„Als ich noch Juniorfahrer war, standen an einem Samstag die Tiroler Bergmeisterschaften an. Mein Vater war zu diesem Zeitpunkt Vereinsobmann der Lienzer Schwalben. Ich war in der Nacht vor dem Rennen in der Stadt unterwegs und bin erst um drei Uhr morgens nach Hause gekommen. Papa war noch wach, er hat auf mich gewartet und schimpfte gleich los. Ich sagte ihm nur er solle nicht schwitzen, es wird schon hinhauen. Nach drei Stunden Schlaf ging es nach Nordtirol. Das Rennen dort habe ich gewonnen.“
Mit acht Jahren hat Günther Sabransky angefangen, Sport zu betreiben. Damals aber noch nicht auf dem Rad, sondern mit einer „Wuchtel“ auf dem Fußballplatz. „Ich merkte aber schnell, dass Fußball nichts für mich war. Durch den Bruder eines Freundes, der damals Radsportler bei den Lienzer Schwalben war, bin ich dann zum Verein und damit zum Radsport gestoßen“, erklärt Günther. Er war 13 Jahre alt, als er die Sportart wechselte. Sein Trainer bei den Lienzer Schwalben war fortan Rüdiger Stangl. In seiner Altersklasse gab es zu diesem Zeitpunkt einen starken Fahrer, Günther hatte folglich nur ein Ziel: schneller zu sein. „Ich habe den ganzen Winter bis zum Frühjahr durchtrainiert, bei Schnee und Kälte“, so Günther. Sein jugendlicher Ehrgeiz sollte sich bezahlt machen, gewann er doch bereits im fünften Anlauf sein erstes Rennen.
Diesem Sieg folgten viele weitere Erfolge in der Jugendklasse, ehe Günther zu den Junioren wechselte. Im Rahmen eines Trainingslagers in Niederösterreich bezeichnete ein Nationaltrainer Günther als „schlampiges Talent“. Heute lacht der mittlerweile 60-Jährige darüber und gibt zu: „Ich habe wirklich nur getan, was nötig war, um zu gewinnen und nicht mehr. Ich war viel unterwegs und natürlich ist man in dem Alter auch ein Nachtschwärmer.“ Dennoch wollten ihn Vereine aus Graz und Wien unter ihre Fittiche nehmen, doch Günther lehnte ab. Als „Hamhucker“, wie er sich selbst bezeichnet, kam ein Tapetenwechsel für ihn nicht in Frage.
Also blieb er in Osttirol, wo die traditionelle Dolomitenradrundfahrt ganz oben auf dem Zettel der Radsportler steht. Sie zu gewinnen wünschen sich viele, doch nur wenige dürfen sich letztendlich im Zielraum in der Lienzer Innenstadt feiern lassen. Günther wurde bei seinen Teilnahmen an der Rundfahrt Fünfter, Vierter, Dritter, Zweiter und einmal auch Erster. Er war 30 Jahre alt, als er das Rennen rund um die Lienzer Dolomiten gewann.
„Ich wollte die Rundfahrt gewinnen, aber ich wollte unbedingt solo einfahren.“
Doch der Triumph alleine war ihm damals nicht genug: „Ich wollte die Rundfahrt gewinnen, aber ich wollte unbedingt solo einfahren.“ In besagtem Rennen konnte sich Günther mit seinem Vereinskollegen Norbert Ganner vom restlichen Feld absetzen, die beiden lagen mit etwa fünf Minuten Vorsprung in Führung. „Kurz vor Leisach waren wir weit genug vor allen anderen und ich merkte, dass Norbert langsamer wurde. Deshalb habe ich mich nach unserem Führungswechsel in Leisach von ihm abgesetzt und kam alleine und als Erster ins Ziel“, schildert Günther. Sein Teamkollege habe ihm das nicht übel genommen und ihm gratuliert.
In den darauffolgenden Jahren fuhr Günther weniger Rennen und war auch nicht mehr Mitglied eines Vereins. Er versuchte sich in anderen Sportarten. Langlaufen und Halbmarathon zum Beispiel. Doch wie besagt es ein Sprichtwort so schön? Alte Liebe rostet nicht. Noch vor seinem Fünfziger zog es den Radsportliebhaber spät aber doch wieder zurück auf den Sattel. „Ich reize jede Sportart, die ich betreibe, voll aus. Ich bin ein Tüftler und will Erfolg haben. Und ich hatte das Gefühl, dass da noch was geht“, gibt der 60-Jährige Einblick in seine damalige Gefühlslage.
Er macht da weiter, wo er seinen letzten großen Triumph feierte – bei der Dolomitenstadtrundfahrt. „Ich bin mitgefahren, um zu schauen, was noch möglich ist. Vor dem Rennen habe ich mir einen alten Bock von einem Villacher gekauft. Das Rad war zu groß für mich und daher sehr anstrengend zu fahren. Im Zeittraining dachte ich, mir haut's die Birne außa“, erklärt Günther. Am Ende stand eine starke Gesamtzeit von 3 Stunden und 20 Minuten. Für den passionierten Radler Grund genug, um wieder Radrennen zu fahren.
Es folgten viele Kilometer auf unterschiedlichstem Terrain und auch zahlreiche Rennsiege. Günther fand offenbar wieder zurück zur alten Stärke seiner Jugendjahre. Angetrieben durch die vergangenen Erfolge krönte sich der Osttiroler 2019 mit 60 Jahren zum Doppelstaatsmeister im Berg- und Einzelzeitfahren. Wieder einmal hatte er bewiesen, dass er längst noch nicht zum alten Schlag zählt. „Beim Bergfahren wurde ich vor drei Jahren Dritter. Heuer war ich als Sieger noch einmal zwei Minuten schneller als damals. Je älter ich werde, desto schneller bin ich anscheinend“, schmunzelt Günther und fügt an: „So weit ich weiß, bin ich mittlerweile der älteste Osttiroler Radsportler, der noch Lizenzrennen fährt.“
Doch die Rennen waren nicht immer einfach für ihn. Vor wenigen Jahren begann es während dem Super Giro Dolomiti zu schütten und zu blitzen. Günther war binnen weniger Sekungen klatschnass. „Mir war in meinem ganzen Leben noch nie so kalt, wie bei diesem Rennen. Mein Brustkorb hat sich zwischendurch zusammengezogen“, schildert Günther. Im Ziel habe ihn dann seine damalige Freundin abgefangen. „Du hast nur eine Dusche, du nimmst jetzt bei mir ein Bad“, soll sie ihm gesagt haben. Der Radler folgte der Einladung und lag eine volle Stunde in der warmen Wanne.
„Ich trinke meinen Wein und mein Bacardi-Cola, wenn ich Lust darauf habe. Ich lebe einfach.“
Heute sieht Günther, der beruflich als Fahrlehrer beim Bundesheer tätig und Vater von vier Kindern ist, den Radsport aber auch als Therapie. Das Radeln habe ihm in einigen schwierigen Lebensphasen geholfen. Er sehe nun „das große Ganze, nicht mehr ausschließlich den Erfolg. Ich achte auch nicht penibel auf meine Ernährung, ich trinke meinen Wein und mein Bacardi-Cola, wenn ich Lust darauf habe. Ich lebe einfach.“
Nun steht dem Osttiroler die Krönung seiner langen Radsportleidenschaft unmittelbar bevor: Günther hat sich für die vom 28. August bis 1. September stattfindenden UCI Weltmeisterschaften der Masters in Polen qualifiziert und wurde dafür vom Österreichischen Radsportverband nominiert. Momentan ist er beruflich in Vorarlberg am Bodensee stationiert, wo er sich auf die Bewerbe in Polen vorbereitet.
„Normalerweise trainiere ich rund 13 Stunden pro Woche, momentan sind es 25“, erklärt Günther. Er geht früher arbeiten, um am Nachmittag mehr Zeit zum Trainieren zu haben. Man merkt, dass er auch in Polen nicht nur dabei sein will. Bei den Weltmeisterschaften legt er alles auf das Zeitfahren aus, denn im Straßenrennen sieht er sich aufgrund seiner Größe von 1,69 Metern im Nachteil: „Das hab' ich abgehackt. Seit zwei Monaten nutze ich ausschließlich das Zeitfahr-Rad. Ich bin vor Kurzem einen Testlauf mit der WM-Distanz gefahren und denke, dass ich gut dabei bin.“
Ist die WM dann der letzte Auftritt von Günther und seinem geliebten Zweirad? „Nach der WM sieht mich einmal kein Radl mehr. Im Herbst gehe ich wandern, im Winter Skitouren. Im Frühjahr beginnt wieder das Radtraining und dann stehen die Österreichischen Meisterschaften an.“ Nach Karriereende klingt das nicht, Günther wird also auch in nächster Zeit weiter in die Pedale treten.
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