Kurz setzt auf Wasserstoff, Dornauer applaudiert
Die ÖVP will die Umwelt vor allem durch Technik und Fortschritt schützen.
Offenbar springt nun auch die ÖVP auf den bereits auf Hochtouren Richtung Wahlkampf fahrenden Klimazug auf. Sebastian Kurz und Elisabeth Köstinger präsentierten heute die noch schattenhaften Umrisse der „Klimastrategie“ der ÖVP und blieben dabei ihrem Credo treu, dass auch dieses Thema letztlich der Förderung der Wirtschaft dienen solle. Das Zauberwort dafür heißt „Wasserstoff“. Wie immer platziert Kurz das Thema zunächst als Schlagzeile und liefert erst in einigen Tagen die Details, eine mittlerweile gängige Strategie, um mit einem Thema gleich zweimal im Blätterwald zu punkten.
Unerwarteter Applaus kommt aber schon nach den ersten Andeutungen der Wasserstoff-Offensive aus den Reihen der Tiroler SPÖ. „Dornauer unterstützt Wasserstoffpläne des ÖVP Bundesparteiobmannes“ steht über einer Aussendung der „Neuen SPÖ Tirol“, deren Landesparteichef ebenfalls im Wasserstoff eine Zukunftstechnologie erkennt und das schon seit längerer Zeit: "Bereits im vergangenen Jahr habe ich eine stärkere Berücksichtigung des alternativen Brennstoffes in der Energiestrategie des Landes Tirol gefordert. Der zuständige Landesrat Geisler hat darauf bislang leider nicht reagiert. Ich hoffe, dass es nach dem Bekenntnis von Sebastian Kurz jetzt auch ein Umdenken in Tirol gibt."
Weniger überraschend als Dornauers Applaus ist jener des Osttiroler Bauernbündlers Martin Mayerl. Er ist Umweltsprecher der Tiroler ÖVP und streut seinem Bundesparteiobmann Rosen: „Der starke Fokus der ÖVP auf die Wasserstofftechnologie ist völlig richtig. Statt auf überholte Retro-Konzepte müssen wir auf Zukunft und Fortschritt setzen und technische Innovationen stärker für den Umwelt- und Klimaschutz nützen.“
11 Postings
Trotz wunderbarer Erklärungen der komplexen Thematik (Großer Dank an „ Pflanzerl“) sind mehrere Aspekte noch nicht zur Sprache gekommen:
z.B. die Dezentralisierung der Energieversorgung: Derzeit ist es größtenteils üblich, Strom in großen Einheiten zu erzeugen und via „Einbahnstraßen“ zu den Verbrauchern zu liefern. Dabei kommen mehrere Spannungsebenen mit zwischengeschalteten Transformatoren zum Einsatz. Sowohl beim Transport über große Entfernungen als auch bei der Transformation gibt es Verluste. Besonders die Photovoltaik bietet die Möglichkeit Strom am Ort des Verbrauchs zu gewinnen und ohne lange Leitungen und Umspannung zu verbrauchen. Ins Netz eingespeiste Überschüsse werden in der nächsten Umgebung auf derselben Netzebene verbraucht. Damit werden Verluste deutlich gesenkt.
z.B. die Möglichkeit zur Unabhängigkeit: Strom aus Photovoltaik und in der Folge batterieelektrische Mobilität ist überall verfügbar, ohne Tankstelleninfrastruktur, und kann grundsätzlich von jedermann erworben und betrieben werden. Es gibt nur geringe technische Risiken, es ist erschwinglich, technisch effizienter als andere Antriebstechnologien (siehe Postings von „Pflanzerl“) und macht unabhängig! Das gebetsmühlenartig wiederholte Argument der „problematischen Entsorgung der Akkus“ ist schon derzeit kaum noch ein Thema, denn praktisch alle Fahrzeug-Akkus haben schon ein zweites Leben als Stationärakku, und wird angesichts des Materialwerts in kurzer Zeit gar keines mehr sein...
Wasserstoff hat neben dem Effizienzproblem aber auch noch weitere: Er diffundiert (geht durch) fast alle Materialien, geeignete Behälter sind entsprechend teuer. Er ist extrem reaktiv und bildet in Verbindung mit Luft in einer sehr großen Bandbreite (4% bis 77%) explosive Gemische. (Ich würde mir ungern einen Behälter mit Wasserstoff in die Garage stellen!) Die in der Technik angewendeten Drücke liegen im mehrere 100 bar-Bereich, was die Lagerung nicht nur energieintensiv, sondern auch kostenintensiv macht.
Elektrizitätsversorger und Erdölmultis stehen in den Startlöchern. Sie suchen schon länger nach Wegen, ihre Machtpositionen im Energiebereich zu verlängern. Im Wasserstoff sehen sie ihre Chance. Und einige Politiker scheinen nun offenbar entschlossen, das zu ermöglichen ...
Die OMV und andere werden danken ;-)
So gefährlich ist der Wasserstoff wieder auch nicht. Das Problem der Diffussion ist relativ einfach lösbar. Bei gezielter Verunreinigung mit ca 200 ppm 02 ist praktisch keine Diffussion mehr vorhanden. Lediglich hochreiner Wasserstoff ist diffusionsfreudig. Außerdem liegt die Zündgrenze bei 4% , explosionsfähige Gemische gibt es ab 18%. Die Verdichtung ist auch schon mit weniger Aufwand möglich, siehe PEM Hochdruckelektrolyse. Natürlich freuen sich die Konzerne auf diesen Absatzmarkt. Hier ist die Politik gefordert, lenkend einzugreifen und den Schmeicheleien der Konzerne zu widerstehen. Dezentrale Versorgung ist schön, aber diese Möglichkeit gibt es schon seit Jahrzehnten. Leider werden die Dächer aber immer noch mit Ziegeln gedeckt. Die Konzerne machen es uns vor, wie es geht. OMV und Verbund wollen eine riesige Fläche (Grünland?) mit Solarzellen pflastern. Das würde ich erst erlauben, wenn alle Dächer Solar gedeckt sind.
Mit den überholten Retroprojekten meint Herr Mayerl jetzt z.B. den Biogaswahnsinn, der bei uns mit mehreren 100 Millionen von Steuergeldern künstlich am Leben gehalten wird,oder hab ich das jetzt falsch verstanden?
Ob Kurz und Dornauer wissen, dass bei einem Brennstoffzellenauto nur 25% der ursprünglichen Energie für den Vortrieb genutzt werden können? Der Rest geht verloren. Bei einem Elektroauto liegt der Wert bei etwa 70%. Deswegen ist Wasserstoff tanken auch wesentlich teurer als das Laden eines E-Mobils. Schneller .... ja. Aber nicht ökonomisch.
Das ist völliger Unsinn. Der Gesamtwirkungsgrad des batteriebetriebenen E-Autos ist in etwa so hoch wie ein moderner Diesel. Wenn man das Batterieauto dann auch noch wenig benützt, wird die Bilanz schlechter. Beim Wasserstoff kommt es darauf an, wie er erzeugt wird. Fronius hat kürzlich eine Wasserstofftankstelle vorgestellt. Dabei wird der Wasserstoff Solar erzeugt und verdichtet. Bei einem Primärenergieträger, der nichts kostet, ist auch der Wirkungsgrad egal. Die Herstellung und Entsorgung der Batterien ist ein eigenes Thema. Die 70% stimmen nicht einmal, wenn der Ladestrom auf dem eigenen Dach erzeugt wird.
Du meinst die Versuchsanlage in Thalheim? Wenn in den technischen Daten steht, das die Solaranlage unter Laborbedingungen max. 6kW bringt, und der Wasserstofferzeuger (Elektrolyseur) eine Eingangsdauerleistung von 18kW hat, dann wird das wohl doch nicht ganz so solar betrieben Die Anlage erzeugt pro Tag bis zu 4,35kg Wasserstoff , damit kann man sein Wasserstoffauto in knapp eineinhalb Tagen volltanken (z.B. den Hyundai Nexo mit einem Tankvolumen von 6,33kg). Aber volltanken funktioniert eh nicht - der Wasserstofferzeuger arbeitet mit 350bar, der Hyundai hätte gerne bis zu 700bar...
Sie vermischen hier unterschiedliche Dinge. Es geht hier nicht um die Gesamt-Öko-Bilanz verschiedener Antriebsstrategien, sonder schlicht und ergreifend darum, wieviel "Primärenergie" (also z.B. Solarstrom) am Ende für den tatsächlichen Zweck - nämlich Antriebsleistung - genutzt werden kann. Und da hat der Wasserstoff aufgrund der mehrfachen Umwandlung und der damit einhergehenden wirkungsgradbedingten Verluste einen erheblichen Nachteil. Wenn Sie nun sagen dass bei einem Primärenergieträger, der nichts kostet, der Wirkungsgrad egal ist kann man das so sehen. Das gilt aber allenfalls im kleinen Maßstab - für die großtechnische Anwendung für die Masse ist diese Aussage unsinnig. Für E-Autos liegen die Ladeverluste bei etwa 15% (kommt schwer drauf an wie genau geladen wird), in etwa gleicher Höhe liegen die Verluste beim anschließenden Verbrauch der Energie. Ich bin gar nicht prinzipiell gegen die Wasserstoff-Technologie. Ein Allheilbringer ist sie aber sicher auch nicht.
Um das nochmal mit Zahlen zu unterfüttern: Was kann ich mit 100 kWh Strom (woher auch immer) machen: Bei der Wasserstofferzeugung mittels Elektrolyse habe ich einen Wirkungsgrad von ca. 65%, die Brennstoffzelle im PKW hat ebenfalls einen Wirkungsgrad von ca. 60%. Dann muss der Wasserstoff auch noch gelagert und transportiert werden. Das kostet erhebliche Energie. Nach Berechnungen des Öko-Instituts sinkt der Wirkungsgrad um weitere 20% wenn Lastwagen den Wasserstoff an Tankstellen bringen - was wohl die Regel wäre. Über die gesamte Prozesskette kommt nur rund ein Viertel der ursprünglichen elektrischen Energie beim Motor an. Diese Bilanz ist - trotz Ladeverlusten - beim batteriegetriebenen Elektroauto wesentlich günstiger. Für die Verwendung von Wasserstoff als Energieträger in großem Stil sind das wirklich erhebliche Verluste.
Die Diesel - LKW´s bringen den Wasserstoff zur Tankstelle und haben diesen vorher von Rohöl - Tankschiffen geholt, denn der Wasserstoff wurde in China produziert, wo in der Nähe einer uns vollkommen unbekannten Millionenstadt, die Arbeitsstunde lediglich 10 Cent kostet. Bravo!
Umweltschutz durch Technik und Fortschritt, das klingt sehr gut. Aber bitte ohne Zwangsmaßnahmen! Es hat keinen Sinn aus Populismus oder sonstigen Strömungen bereits vorhandene und im Großen und Ganzen sehr gut funktionierende Fahrzeuge oder andere technische Einrichtungen wertlos zu machen. Besonders wird gegen das Auto mobil gemacht. Der Verkehr ist aber nur für einen kleinen Teil der Emissionen verantwortlich und das Auto wiederum nur zu einem Bruchteil.
Lassen wir die verschiedenen Technologien einfach gegeneinander antreten. Die bessere Technik wird sich durchsetzen.
Förderungen für Wasserstofftechnik ist sehr wichtig. Hier könnte Österreich wieder einen technologischen Vorsprung herausarbeiten. Aber bitte nicht auf Kosten bereits etablierter Technik. Denn die Umweltbilanz sieht bei vorzeitiger Außerbetriebnahme und statt dessen Einsatz eines neuen Produkts denkbar schlecht aus. Gerade bei den Fahrzeugen ist es so, daß mit der Zeit ohnehin alle ersetzt werden. Und damit kommen wieder bessere und umweltfreundlichere zum Einsatz. Ohne Zwangsmaßnahmen, die nur zum Abkassieren dienen.
Sie müssen angemeldet sein, um ein Posting zu verfassen.
Anmelden oder Registrieren