Wie viele Scheiben muss man von einer Stange Wurst abschneiden, um zu einem idealen Kreis zu kommen? Richtig: unendlich viele! Alles, was weniger ist, wird ein Zylinder mit bestenfalls verschwindend geringer Höhe. Damit kann man, als Künstler, eine Ausstellung bestücken, aber mehr als die Illustration einer Geometrie, die in der materiellen Welt keine Entsprechung findet, erreicht man damit nicht. Den Beweis vielleicht, dass Materie und Geist doch zwei verschiedene Paar Schuhe sind? Wurscht!
Thomas Baumgartners erste Berührungen mit Kunst fielen in eine Zeit, als solche Überlegungen von vielen als gescheitert angesehen wurden. Junge Künstler wollten sich nicht länger den Kopf über den ästhetischen Unterschied zwischen einer Idee und deren materiellen Niederschlag zerbrechen, forderten, dass künstlerisches Tun allein genüge, vorausgesetzt, dass es Spaß und Lust bereite und, für ernstere Gemüter, einen gesellschaftlichen Zweck erfülle. Die einen stellten sich im Sinne der französischen Maler des Nachimpressionismus als die „Neuen Wilden“, die Anhänger von Joseph Beuys hingegen als Sozialarbeiter vor. Neu waren beide Positionen, abgesehen von der offenen Berufung auf historische Konzepte, nicht.
Sich der Last der Geschichte zu stellen war zur Pflicht geworden, von der man allerdings gewisse Gruppen großzügig befreite, ihnen geleichzeitig jedoch den unbefangenen, naiven Zugang neidete. „Art brut“ ist ein ebenso problematischer Begriff wie dessen angelsächsische Entsprechung „Outsider Art“, „Außenseiterkunst“, deren Vertreter man nicht länger auszugrenzen vorgab, sondern zu vereinnahmen versuchte. Auch diese Haltung war nicht neu, doch war sie, jenseits aller Theorie, jetzt markttauglich geworden.
Thomas Baumgartner wollte nie in dieses Schema passen. Er hat den Stempel des „kunstbetrieblichen Sozialfalls“ – wie übrigens viele seiner Kollegen und Kolleginnen in der Kunstwerkstatt Lienz – stets abgelehnt. Er wollte einfach nur gute Bilder malen. Um zu erkunden, was gute Malerei denn sei, hat auch er sich in der Kunstgeschichte umgetan. Ein Besuch der Staatsgalerie in Stuttgart bewirkte die erste nachhaltige Entdeckung: Die „Blauen Pferde“ von Franz Marc ermutigten ihn, die sichtbaren Dinge der Natur nicht in den gewohnten Farben abzumalen, sondern nach dem eigenen, mächtigen koloristischen Empfinden zu verwandeln. Cezanne und Matisse (übrigens auch einmal ein „Wilder“) bestätigten den Weg, doch genügte Baumgartner das Malen nach Gemälden auf die Dauer nicht. Um näher an den Gegenstand heranzukommen, arrangierte er Stillleben aus allerlei zufälligen Fundstücken und er lernte mit Beharrlichkeit, die Dinge mittels Licht und Schatten körperhaft zu modellieren und sie perspektivisch in den Raum zu stellen. Auf dieser Basis erweiterte er sein Repertoire auf Landschaftsbilder und Portraits.
Der Wunsch nach Greifbarkeit und Lebensnähe ließ den Maler zeitweilig sogar das Genre wechseln: Baumgartner formte Gartenzwerge aus Papiermaché, exakt sieben an der Zahl, versteht sich, und er malte sie nicht nur, er fotografierte und montierte sie in Aufnahmen vertrauter Lienzer Plätze zu skurrilen Bildern, die er dann im Rahmen der „Entente florale 2006“ veröffentlichte. Der Blumentopf, den die Stadt Lienz bei diesem europaweiten Wettbewerb um Wohn- und Lebensqualität gewann, ist wenigstens zu einem kleinen Teil auch ihm zu danken.
Thomas Baumgartner im Dolomitenstadt-Artshop.
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