„Einfach mal einen Tee trinken und schauen!“
Oliver Deutsch erreicht Nordafrika und radelt drei Wochen durch Marokko.
Wir erinnern uns: Als wir von Oliver Deutsch das letzte Mal gehört haben, verabschiedete er sich gerade von Spanien und bestieg eine Fähre in Tarifa. Diese Fähre überquerte die Straße von Gibraltar und brachte unseren Radreisenden auf seiner „Tour Mediterraneo“ nach Tanger, Marokko. Die Fahrt kostet 38 Euro und dauert eine gute Stunde. Fahrradmitnahme gratis!
„In Tanger wird man dann gleich auf den Stadtverkehr Marokkos eingestimmt. Obwohl es Ampeln gibt, geht es oft ziemlich chaotisch zu. Überhaupt die Taxifahrer fahren wie verrückt. Im Kreisverkehr ist es am schlimmsten“, erzählt Oliver. Und er hat auch einen Tipp: „Da darf man nicht lange zögern … wenn man eine Lücke sieht, schnell rein und gleich wieder raus. Und nicht zurückschauen!“ Mittlerweile hat der Musiker und Koch aus Lavant den Dreh raus – geübt hat er ja auch schon in Italien und Albanien.
Außerhalb der Städte findet er den Verkehr erträglich. „Außer es ist eine Baustelle in der Nähe – und davon gibt’s genug. Da rumpeln die ganze Zeit ziemlich knapp LKWs vorbei.“ Zurzeit wird viel in Straßen- und Wohnungsbau investiert. „Teilweise werden in wenigen Jahren ganze Ortschaften aus dem Boden gestampft“, weiß Oliver zu berichten.
Fahrradwege gibt es keine, aber Oliver reicht der gut ein Meter breite Streifen neben der Hauptstraße. Die Straßen sind in einem guten Zustand, oft gibt es daneben kleine Geschäfte, in denen man Vasen, Tajine, Obst und mehr kaufen kann. Abseits der Hauptstraße sieht es aber anders aus. „Besonders, wenn es tags zuvor geregnet hat. Dann hat man überall den Gatsch!“ Trotzdem: Radeln in Marokko geht gut. Unser Reisender freut sich über eine gute Mischung aus Hügeln, Flachland, Gebirge, Küste und im Süden Wüste. „Viele Kilometer hab ich pro Tag nicht gemacht. Durch Marokko wollt’ ich schön langsam fahren.“ Gut sechzig Kilometer legt Oliver pro Tag zurück.
Internet? Kein Problem! „Hat jedes Café und Hotel“, erzählt Oliver. „Ist aber auch mal angenehm, nicht immer eine Internetverbindung zu haben.“ Für Outdoor-App-Benutzer empfiehlt er, Routen vorher herunterzuladen, sodass sie auch offline verfügbar sind. „Es kann auch passieren, dass die App Wege oder Brücken anzeigt, die inzwischen nicht mehr existieren. Da muss man dann eine Alternative finden. Ist mir aber nur zweimal passiert.“
Olivers erster Stopp ist in Assilah. Der kleine, ruhige Ort am Meer hat viel Strand und eine schöne Medina, also Altstadt, zu bieten. Am Markt kauft sich Oliver billig Gemüse, Früchte und Gewürze für den Tag. Und auch sonst gibt es jede Menge zu entdecken! Auch anderes als Lebensmittel haben die Märkte zu bieten. Nachts wird Essen an vielen kleinen Ständen angeboten. Im Souk gibt es Handwerkszeug, orientalische Lampen, Teppiche, Tajine, Schuhe und mehr. „Essen geht man am besten etwas abseits vom touristischen Zentrum. Da bekommt man ein gutes Abendessen um 50 Dirham – ungefähr vier Euro“, empfiehlt Oliver. Ein Einzelzimmer bekommt man gerade – es ist Nebensaison – um 150 Dirham, 14 Euro. „Es geht auch billiger, dann darf man halt nicht so wählerisch sein. Und man kann überall handeln! Sogar manchmal beim Hotelzimmerpreis.“ Auch wenn er nicht immer weiß, wo er übernachten soll, in Marokko findet Oliver immer etwas Günstiges. „In kleinen Dörfern kann man auch mal bei Einheimischen unterkommen.“
Den Bahngleisen entlang, an etlichen Gemüse- und Obstfeldern vorbei, erreicht Oliver dann die Orte Larache, Moulay Busselham, Kénitra und schließlich Témara bei Rabat. „Dort hab ich bei der Familie meiner lieben ehemaligen Arbeitskollegin Mina ein paar Tage verbracht.“ Die Küste bietet einige Herausforderungen. Oliver muss auf lange geradeaus führenden Straßen Gegenwind und Regen trotzen. „Das war hart!“ Als ein nasser und müder Oliver Témara endlich erreicht, wird er von Aziz, Minas Schwager, empfangen, der ihn gleich mit ins Hammam nimmt. „Das kann man sich so ähnlich vorstellen wie eine Sauna. Nach zwei sehr anstrengenden Tagen das beste auf der Welt!“
Und auch sonst genießt Oliver seinen Aufenthalt bei Minas Familie: „Die restlichen Tage haben sich alle rührend um mich gekümmert. Es gab so viel und so gutes Essen … und immer Marokkanischen Tee! Ich hab bei der Mutter im Haus gewohnt – eigenes Zimmer mit eigenem Bad! War fast wie zuhause. Ich hab jetzt zwei Mütter!“, lacht Oliver. Für seine Weiterfahrt bekommt er ein üppiges Proviantpaket: „Feine Sachen – Fladenbrot, Obst, Tee, selbstgemachte Kekse und ungefähr einen Kilo Datteln.“
„Das Essen ist überhaupt sehr gut“, schwärmt Oliver. Vieles wird auf der Straße auf offenem Feuer zubereitet. „Von allen Ländern, die ich bisher bereist habe, ist Marokko kulinarisch weit vorn dabei!“ Auch das Radeln genießt der Reisende in vollen Zügen. „Wenn man die großen Städte auslässt – der Verkehr dort ist wirklich ein Wahnsinn und gefährlich – ist es ein herrliches Land zum Radfahren! Vorausgesetzt, man liebt Abenteuer und kann improvisieren.“ Aber Achtung: Fahrräder werden in Bussen und Zügen nicht mitgenommen.
„Die Leute sind ganz wunderbar, sie helfen wo sie können und reagieren extrem nett, wenn man mit dem Fahrrad hier ankommt. Das taugt denen sehr!“, erzählt Oliver. Die zweite und dritte Woche hat Oliver mehr Glück mit dem Wetter. Ohne große Probleme erreicht er über Tifflet, Kehemisset und Meknes das Ziel der Reise, Fès. „Am 7. Februar bin ich dort angekommen und hab das gleich mit zwei Minztees begossen! Nach Rabat und Meknes die dritte Königsstadt. Es gibt noch eine vierte, Marrakesch, die hab ich aber schon auf einer vergangenen Reise besucht.“
Fès liegt in den Bergen, dort ist es merklich kälter als an der Küste. „Am Tag ist es zwar schön warm, nachts kühlt es aber ziemlich ab.“ Da ist es doch gut, wenn man trotz dicker Decke im Zimmer noch einen Schlafsack dabei hat. Es geht mehr oder weniger steil, aber stetig, bergauf. Trotzdem beschreibt Oliver die Fahrt dorthin durch kleine Dörfer und überraschend grüne Landschaften als einen Traum: „Dort fährt man noch mit Fuhrwerk oder reitet auf einem Esel zum Markt. Hinter Hügeln tauchen kleine Moscheen auf und wenn man Pause macht, hört man manchmal aus der Ferne den Muezzin rufen.“
Hunde gibt es hier viele. „Von denen darf man sich aber nicht einschüchtern lassen, auch wenn sie einem gerne nachrennen. Falls mal einer zu nahe kommt, reicht es meistens, sich nach einem Stein zu bücken oder dem Hund etwas nachzuwerfen. Wenn es abwärts geht, kann man ihnen auch einfach davonfahren.“
Obwohl Oliver in Marokko kein Großstadt-Fan ist, findet er Meknes und Fès ok. „Wobei mir Fès noch besser gefallen hat. Es sind zwei sehr schöne Städte.“ Bei alten Stadtmauern, durch den Souk oder über den großen Platz, wo Geschichtenerzähler, Schlangenbeschwörer, Musiker oder Leute mit exotischen Tieren auftreten, zu schlendern, findet er interessant. „Hat man aber auch bald alles gesehn, einmal durchrennen reicht ja. Das schaut auch in jeder Stadt ziemlich ähnlich aus.“ In der Medina heißt es aufpassen – „da sind viele Gauner unterwegs!“
Kleinere Ortschaften findet Oliver prinzipiell interessanter. „Hier bekommt man noch mehr von der Kultur mit, es ist nicht so hektisch und man kann auch viel witzigere Sachen beobachten. Einfach mal einen Tee trinken und schauen – im Kaffeehaus sitzen macht man hier sowieso gern.“ Relativ schnell lässt Oliver also die beiden Städte hinter sich und fährt weiter durch die Berge in das Dorf Moulay Idriss. „Die schönste Etappe meiner Marokko-Tour!“ Der Ort ist auf einem Hügel gelegen, in der Nähe gibt es „Volubilis“, eine archäologische Stätte aus der Römerzeit, zu bestaunen.
Die nächsten Tage radelt Oliver im Landesinneren Richtung Norden. Bei Larache erreicht er dann wieder die Küste. Am nächsten Tag weiter nach Assilah. Dort macht er eine letzte längere Pause, bevor es wieder zurückgeht, nach Tanger. „So wild und chaotisch wie am Anfang kommt es mir jetzt gar nicht mehr vor. Man gewöhnt sich echt an alles!“, kommentiert der Reisende. Von hier macht er noch einen Tagesausflug in die „blaue Stadt“ Chefchaouen. „Aus dieser Gegend kommt auch das ganze Haschisch her“, weiß Oliver.
Das war’s dann auch schon mit Nordafrika. „Schade, war viel zu kurz!“, meint Oliver. Aber: „So wie die Störche sich jetzt wieder sammeln und Richtung Norden fliegen, sammel’ ich mich auch und tu’ es ihnen gleich.“
Das Fazit zu Marokko: „Ein wunderschönes Land mit sehr netten Menschen! Wenn man Französisch oder Arabisch spricht, ist es um einiges leichter, die Sprache war aber kein großes Problem. Man kommt immer irgendwie weiter! Wichtig ist, dass man den Leuten respektvoll gegenübertritt.“ Mit dem Rad hier zu sein – herrlich. Die Straßen im Landesinneren sind um einiges schöner zu befahren als die an der Küste. Und noch ein letzter Tipp: Für Marokko sollte man unbedingt genügend Zeit mitbringen. „Es ist kein Land, das man in ein paar Tagen kennenlernt. In den drei Wochen, die ich hier war, hab ich nur den Norden gemacht. Das war ok. Für den Süden braucht man sicher nochmal zwei Wochen“, schätzt er.
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