Man braucht kein Kunstverständnis, um die Bilder von Günther Steiner zu verstehen. Sie zeigen Ausschnitte aus dem Leben, bunt, wiedererkennbar und doch - auf eine spielerische Art - rätselhaft. Tatsächlich steht hinter den Arbeiten des Lienzer Künstlers ein universeller Plan. Steiner zeigt uns sein eigenes Universum, das sich noch immer ausdehnt. Er verwirklicht mit seiner Kunst den Traum von einer besseren Welt und vermeidet dabei jede Banalität. Im Gegenteil. Je mehr man sich auf Steiners "Konzern" einlässt, desto vergnügter wird man im Schauen und Staunen. Rudolf Ingruber, Kunsthistoriker und Kurator der virtuellen Dolomitenstadt-Galerie, stellt den Künstler aus dem Ensemble der Lienzer Kunstwerkstatt vor:
Vieldeutig und voller unentschlüsselter Geheimnisse sind die Ordnungsprinzipien des bildnerischen Denkens vor allem, wenn man sie in Beziehung zu perspektivisch organisierter Wirklichkeitsabbildung setzt. Eindeutig und konventionell werden sie für Konstruktionspläne von Maschinen und Häusern sowie für Logos und Piktogramme genutzt.
Der Konzern stellt die Professionisten und die Betriebsmittel zur Verfügung, ist bei seinen Einsätzen in Krisengebieten, bei Katastrophen und bei Hilfsprojekten aber auf Freiwillige angewiesen.
Günther Steiner
Auf ihrer Basis formt Günther Steiner die spezielle Ikonographie seiner imaginären Welt, die er in einer Umgestaltung des alten Lebenshilfe Emblems auf den Punkt bringt. Vereinfachung und universelle Lesbarkeit zeugen von einer Ästhetik, die Steiners Bildsprache die Richtung wiesen, schon bevor sie über geeignete Medien verfügte, um allgemein als künstlerisch wahrgenommen zu werden. Seit 1991 überschreibt das Firmenzeichen „Hilf Leben?!“ einen am Computer entworfenen, in stetigem Wachsen begriffenen virtuellen Konzern, der Rettungsschiffe, Einsatzfahrzeuge, Kraftwerke zur Nutzung alternativer Energien u. v. m. produziert und in einem umfassenden humanitären Projekt die unterschiedlichsten Professionen vernetzt: Feuerwehrleute, Sanitäter und Ärzte, Ingenieure, Seelsorger und Künstler. Utopia ist durch die zentralen Motive – Hilfe und Mobilität – an die Problematik der eigenen Biografie rückgekoppelt.
Eine athetotische Lähmung erschwert Günther Steiner von Geburt an die Steuerung der Bewegungen. Als Vierjähriger kam er daher in das Elisabethinum in Axams. „Was für dieses Haus spricht ist, trotz höchster Professionalität, dass Menschlichkeit und Herzlichkeit ebenso hoch sind“, erinnert sich Steiner immer noch gern an die dort verbrachte Kindergarten- und Schulzeit. „Ich wurde von meinen Kameraden fast immer in eine führende Rolle gedrängt, was mir aber auch gefallen hat. Zum Beispiel kam einmal die Idee auf, mit Lego eine Stadt zu bauen. Die Stadt hieß Lienz und ich war sozusagen der Bürgermeister.“ (Detail am Rande: Steiners Bruder ist heute Vizebürgermeister in Lienz.)
In diese Zeit datiert Steiner auch seine zeichnerischen Gehversuche: Der damalige Schuldirektor zeigte ihm das Zeichnen auf der elektrischen Schreibmaschine. Günther Steiner hat mit einem hohen Maß an Selbstdisziplin Strategien entwickelt, seinen Alltag zu bewältigen, vor allem aber sich künstlerisch zu artikulieren. Das erfordert auch Unterstützung durch technische Hilfsmittel und durch persönliche Assistenz. Es ist daher folgerichtig, dass er sich auch künstlerisch mit den zentralen Themen „Hilfe und Mobilität“ auseinandersetzt. In ihnen verbinden sich die Möglichkeiten von A nach B zu gelangen, aber auch der zielgerichtete Einsatz der Körperbewegung mit humanitären Zwecken.
Zur Gestaltung von Natur und Gesellschaft entwarf Günther Steiner ein virtuelles Unternehmen, das er im Laufe der Jahre zu einem komplexen virtuellen „Konzern“ ausbaute. Die Steigerung von Lebensqualität und Erkenntnisgewinn ist das gemeinsame Ziel der einzelnen Betriebe. Modernste Technologie und globale Zusammenarbeit bewähren sich vor allem in extremen Situationen, wenn Naturgewalten und Katastrophen menschliches Leben bedrohen. Sie sind aber auch die Mittel des Künstlers, die Grenzen seines eigenen Lebensraumes zu überschreiten.
„Meine Zeichnungen stellen für mich eine große Firma dar. Mit dieser kann ich meine Umwelt besser verarbeiten.“ So charakterisierte Günther Steiner einst seine Arbeit und fügte hinzu: „Das müssen die anderen entscheiden, ob es Kunst ist.“ Die anderen haben entschieden. 2004 wurde Steiners Konzern mit dem Kunstpreis der Raiffeisen Landesbank Tirol ausgezeichnet.
Anlässlich der ersten österreichischen EU-Ratspräsidentschaft war Steiners „Konzern“ im Centro per l’arte contemporanea Luigi Pecci in Prato, unweit Florenz, im Rahmen der vom Österreichischen Kulturforum in Rom und der Universität Innsbruck initiierten Ausstellung „Opera Austria – Kunst im Herzen Europas“ zu sehen. Künstlerpersönlichkeiten von internationalem Rang waren aufgefordert, historische Bezüge zum eigenen Werk und Ausblicke auf unverbrauchte Hoffnungsträger einer aufstrebenden jüngeren Generation herzustellen. Günther Steiner, der am Computer u. a. Kriegsgerät zu humanitären Zwecken umwidmet, wurde vom Aktionskünstler Wolfgang Flatz, dessen bisweilen unter extremem Körpereinsatz ständig Gewalt aktivierende Kunst als eindrucksvolles Plädoyer gegen Gewalt zu verstehen ist, für die größte Schau österreichischer Kunst im Ausland vorgeschlagen.
Mehr biografische Daten zu Günther Steiner findet man im Kunstshop von Dolomitenstadt, der ein zentrales Werk aus Steiners Schaffen präsentiert, den „Hundefön“. Auch dieses Bild ist ein Ausschnitt, ein Detail aus einer komplexen Idee, die der Künstler in einer Nebenhandlung seines Universums schildert: Die Geschichte eines Trainingszentrums mit schwimmenden Therapiehunden, die 2016 in Buchform veröffentlicht wurde und mittlerweile vergriffen ist. Steiner nennt sie „Doctor Dogs“. Eine Einführung in die amüsante Story gibt es im Kunstshop.
Wer Günther Steiners Arbeit im öffentlichen Raum bewundern will, dem sei ein Besuch im Polizeiposten Lienz empfohlen. Dort sind seit der Umgestaltung des Hauses im Jahr 2016 wandfüllende Arbeiten Steiners zu sehen, die einen künstlerischen Bezug herstellen zwischen dem virtuellen Hilf Leben-Konzern Steiners und den realen „Freunden und Helfern“ der Osttiroler Exekutive.
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