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„Skandalarzt“ half über Silvester im Iseltal aus

Ein deutscher Mediziner mit schlechtem Ruf bringt Osttiroler Notarztdienst in Verlegenheit.

Für Aufregung in Osttirols Boulevardpresse aber auch in der Schweiz sorgte die fünftägige Beschäftigung eines nicht optimal beleumundeten deutschen Arztes beim privaten Osttiroler Notarztverband, der von Gernot Walder organisiert wird. Der Mediziner wurde über eine deutsche Ärztebörse vermittelt und wies eine gültige Berufserlaubnis einer deutschen Ärztekammer vor. Er half beim Notarztverband im Iseltal ein paar Tage über Silvester und Neujahr aus, bevor er wieder abreiste. Es gab keinerlei Beschwerden von Patienten, aber ein mediales und behördliches Nachspiel, das mit der fragwürdigen Karriere des Deutschen zu tun hat. Der Mann baute nämlich offenbar im Schweizer Kanton Aargau eine veritable Pleite mit einem Ärztezentrum, ist dort auch angeklagt und hat laut Aargauer Zeitung in der Schweiz Berufsverbot. Von all dem wusste Gernot Walder nichts, betont er im Gespräch mit  dolomitenstadt.at. Er hat den Osttiroler Notarztverband als selbstverwaltete Gruppe von Ärztinnen und Ärzten vor Jahren ins Leben gerufen, um mit flexiblen medizinischen Einsatzteams im Pustertal, Iseltal und Defereggental auch bei personellen Engpässen eine medizinische Grund- und Notversorgung sicherzustellen. Weil die Zahl der Landärzte auch im Bezirk Lienz ständig abnimmt, müsste in den Tälern vor allem außerhalb der Ordinationszeiten der medizinische Notstand ausgerufen werden, wenn es Walders Gruppierung nicht gäbe. Vor diesem Hintergrund ist der aktuelle Vorfall für den engagierten Mediziner aus dem Villgratental zwar ein bedauerlicher Irrtum, aber kein Grund zur fachlichen Panik: „Diesem Herrn werden in der Schweiz schwerwiegende Dinge vorgeworfen, es geht dabei vorwiegend um finanzielle Angelegenheiten, Konkurse und Millionenschulden.“ All das sei bei einer kurzfristigen Anforderung von ärztlicher Unterstützung aber nicht erkennbar gewesen und habe vor allem auch keinerlei Auswirkungen auf die Behandlungsqualität gehabt.
Gernot Walder organisiert mit einer privaten Initiative die medizinische Versorgung in Osttirols Seitentälern. Bei personellen Engpässen engagiert er kurzfristig auch Kollegen aus Deutschland und Südtirol. Foto: Brunner Images
Walders Team arbeitet schon länger mit der deutschen Notarztbörse zusammen: „Das ist eine durchaus seriöse Einrichtung und es ist auch nicht leicht, dort jemanden zu unseren Konditionen zu bekommen.“ 1000 Euro Tageshonorar werden Medizinern vom Osttiroler Notarztverband für den notärztlichen Dienst angeboten. Klingt viel, die Summe relativiert sich aber vor dem Hintergrund von 24 Stunden Einsatzdauer. Walder: „Das sind 41 Euro in der Stunde, in Nordtirol werden 50 Euro bezahlt, in Deutschland 65 Euro.“ Der deutsche Mediziner war vom 31. Dezember über Neujahr bis zum 4. Jänner im Einsatz. Das sei eher lange, erklärt Gernot Walder, „normalerweise kommen die deutschen Kollegen nicht länger als drei Tage.“ Der Rückgriff auf die deutsche Ärztebörse sei kein Spezifikum des Osttiroler Notarztverbandes, sondern werde auch von anderen Notarzt-Diensten in Österreich genutzt. Eine vergleichbare österreichische Einrichtung gebe es nicht und die Nostrifizierung – also die fachliche Einbürgerung – sei ein bürokratisch zu aufwändiger Prozess, der viel zu lange dauere, um kurzfristig benötigte ärztliche Fachkräfte auf dieser Basis zu engagieren. Generell greife man meist auf eigene Netzwerke und Südtiroler Kollegen zurück, die Walder aus vielen Berufsjahren in der Nachbarregion kennt. Zum Jahreswechsel hatte kein Kollege Zeit, also hieß die Alternative zusperren oder einen deutschen Arzt engagieren. Gernot Walder genießt als Arzt, Virologe und Notfallmediziner einen ausgezeichneten Ruf. Ihm sind die Schwachstellen seines Notdienst-Projekts durchaus bewusst. Deshalb versuchen er und seine ärztlichen MitstreiterInnen aus Osttirol, wie Anton Huber oder Cornelia Trojer, durch eine Supervision der medizinischen Kurzzeitkräfte deren ärztliche Qualität zu überprüfen. Das sei auch bei dem aktuell kritisierten „Skandalarzt“ der Fall gewesen. Man hatte den Eindruck, dass der deutsche Kollege seinen Job beherrscht. Das böse Erwachen kam, als „ein Informant aus Matrei“ der Aargauer Zeitung in der Schweiz einen Tipp und allerhand Informationen zuspielte, die auch im Osttiroler Lokalteil der Kleinen Zeitung Schlagzeilen machten, wo der Deutsche prompt zum Schweizer und zum „heißen Fall“ wurde. Dieser Fall – ob heiß oder kalt – ist für Gernot Walder noch nicht ausgestanden. Der deutsche Kollege legte ihm zwar eine Berufserlaubnis der Ärztekammer Baden Württemberg vor, die den Mann nach Walders Ansicht auch im EU-Land Österreich zu einem medizinischen Einsatz berechtigt. Die Lizenz habe er auch an die Tiroler Ärztekammer geschickt. Diese will aber erst durch die Medien von dem Arzt erfahren haben und übermittelte eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft und die Bezirkshauptmannschaft Lienz. Nach Ansicht der Kammer hätte der deutsche Mediziner in Österreich nicht tätig werden dürfen.
Gerhard Pirkner ist Herausgeber und Chefredakteur von „Dolomitenstadt“. Der promovierte Politologe und Kommunikationswissenschafter arbeitete Jahrzehnte als Kommunikationsberater in Salzburg, Wien und München, bevor er mit seiner Familie im Jahr 2000 nach Lienz zurückkehrte und dort 2010 „Dolomitenstadt“ ins Leben rief.

4 Postings

steuerzahler
vor 6 Jahren

Nicht alles, was in diversen Medien als Skandal dargestellt wird, ist auch einer.

Wir haben den umgekehrten Fall erlebt. Ein Arzt, der sich und seine Behandlungen ausgezeichnet verkauft und der sicher sehr gut damit verdient. Er wird auch immer von den Medien hofiert und als der einzig Wissende dargestellt.

Leider war die teure Behandlung völlig wirkungslos.

Da ist mir ein Mediziner, der richtig diagnostiziert und wirkungsvoll behandelt, aber nicht gut wirtschaften kann allemal lieber.

 
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    hoerzuOT
    vor 6 Jahren

    absolut richtig!

     
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hoerzuOT
vor 6 Jahren

Soweit ich das richtig verstanden habe, ist es ein Arzt, der finanzielle Schwierigkeiten hat, fachlich jedoch einwandfrei ist. Somit: wo ist das Problem? Die Finanzen der Person gehen uns nichts an und geholfen hat er tagelang und, darf man dem Bericht glauben, zufriedenstellend! Dass er aufgrund der finanziellen Schieflage nicht hätte tätig werden dürfen (Versicherung etc), wird zwar rechtlich ein Problem sein, aber zwischenmenschlich sehe ich keines. Oder liege ich falsch?

 
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    hoerzuOT
    vor 6 Jahren

    Anders gesagt: Er hat ja nicht als Finanzberater im Iseltal gearbeitet.

    Oder: Lieber ein Arzt mit Schulden, der die Spritze ordentlich setzt, als ein Arzt mit dickem Bankkonto, der die Spritze schief hineinjagd....obwohl--"würde Letzterer awe toaln, wa a schief gesetzte Spritze a it so wilde schiche ;-)"

    Spaß beiseite: es ist ja nichts passiert und "Gefahr im Verzug" bestand auch nicht.

     
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