Die älteste „Heilige“ Österreichs ist identifiziert
Forscher lösten „Cold Case“ einer 1800 Jahre alten Reliquie in Kärnten.
Der Hemmaberg in Südkärnten ist mit seiner jahrtausendelangen Siedlungsgeschichte einer der wichtigsten archäologischen Fundorte Österreichs. Wissenschafterinnen haben nun einen Reliquienfund mit einem Alter von rund 1.800 Jahren mit neuesten Methoden vermessen. In einem Buch zeigen sie nun, dass es sich um die namenlose Auslöserin der Heiligenverehrung an dem Wallfahrtsort handeln dürfte.
Im Jahr 1991 fanden Archäologen in der im frühen sechsten Jahrhundert für die Heiligenverehrung errichteten sogenannten "Feierkirche N" Reliquien, die unter dem Altar deponiert worden waren. In der Reliquiennische der einstigen Kirche in der Gemeinde Globasnitz lagen auch zahlreiche menschliche Knochen und Knochenfragmente in einem 29 Zentimeter breiten steinernen Schrein. Aufgrund ihrer schieren Anzahl war nicht davon auszugehen, dass sie von einem weiter entfernten Ort ins heutige Kärnten gebracht wurden, sagte die Buch-Koautorin und Direktorin des Österreichischen Archäologischen Instituts (ÖAI) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW), Sabine Ladstätter, gegenüber der APA.
Um eine nach heutigen kirchlichen Maßstäben offiziell anerkannte Heilige handelte es sich bei der Frau nicht. Eine Heiligenlegende, Angaben zur Todesursache oder Hinweise auf ihren Namen sind nicht überliefert. Das liege auch daran, dass die umfassende Heiligenverehrung am Hemmaberg relativ bald ein Ende fand: Denn als um das Jahr 600 die damals noch heidnischen Slawen in das Gebiet einwanderten, wurde der frühe Wallfahrtsort zerstört.
Als gesichert könne man nach den Analysen aber annehmen, dass die 35- bis 50-Jährige eine Person gewesen sein muss, die in der Zeit der frühen Christenverfolgung hoch verehrt wurde und an die man sich auch Jahrhunderte nach dem Ableben erinnerte. Sonst wäre der Leichnam der Frau, die schon im ersten oder zweiten Jahrhundert starb, nicht später geborgen und an den wichtigen Platz in der frühchristlichen Wallfahrtskirche gebracht worden, sagte die ÖAI-Direktorin, die das Buch mit dem Titel "Die Heilige vom Hemmaberg. Cold Case einer Reliquie" zusammen mit ihrer Kollegin Michaela Binder geschrieben hat.
Unter der Leitung der beiden Forscherinnen wurden die Reliquien 2016 mit neuesten Forschungsmethoden analysiert. Aufgrund der Daten aus der DNA-Untersuchung, der C14-Analyse sowie den Isotopenuntersuchungen der Knochen könne man sagen, dass die Heilige oder zumindest ihre Vorfahren aus dem südöstlichen Mittelmeerraum kamen. Dort gab es bereits sehr frühe christliche Gemeinden. Zumindest ihre letzten Lebensjahre hat die Frau aber in der Region verbracht. Womöglich habe sie oder ihre Vorfahren den neuen Glauben ins heutige Südkärnten mitgebracht.
Der Schrein, in den die Gebeine der Frau über 400 Jahre nach ihrem Tod gelegt wurden, kommt den neuen Erkenntnissen zufolge aus Oberitalien. Auch das weise auf die einstige überregionale Bedeutung des Hemmaberges hin, so die Wissenschafterinnen. Bioarchäologische Untersuchungen geben überdies einen Einblick in das harte Leben damals: So litt die Frau von Kindheit an unter Krankheiten und war starken körperlichen Belastungen ausgesetzt. "Woran genau sie gestorben ist, können wir aber nicht sagen", so Ladstätter.
An der Arbeit an diesem "Cold Case" hat die ÖAI-Direktorin am meisten fasziniert, "wie die Methodenentwicklung in der Archäologie zum Erkenntnisgewinn beiträgt und wie viel Sinn es daher macht, sich 'alten Fällen' neuerlich anzunehmen". Von den Überresten, die sich heute wieder in der Kirche der heiligen Hemma und Dorothea am Hemmaberg befinden, könne man jedenfalls viel über das frühe Christentum im Alpenraum lernen.
Nach dem Einwandern der Slawen und dem Ende der ersten Welle der Christianisierung in der Region fasste das Christentum dann ab der zweiten Hälfte des achten Jahrhunderts wieder in Kärnten Fuß. Damals erinnerte man sich laut Ladstätter jedoch kaum noch an die Verehrungsstätten der frühchristlichen Zeit. Von Bayern bzw. dem norditalienischen Aquileia aus wurden damals erneut Kirchen gestiftet. An manchen Orten gebe es hier ein "Kontinuum bis in die Gegenwart", so die Archäologin.
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