Kals: Wer schürft Bitcoins beim Tiwag-Kraftwerk?
Energieversorger bleibt bei Kryptowährung kryptisch – „Wir sind in guter Gesellschaft“
Neben dem soliden Steinbau des Tiwag-Kraftwerksgebäudes in Unterpeischlach, Gemeinde Kals, stehen seit einigen Monaten drei Container, aufgebockt und eingezäunt mit einfachen Baugittern, unscheinbar und gerade deshalb recht spannend. Dolomitenstadt.at erhielt den Hinweis, dass in diesen Containern das Gold unserer Tage geschürft wird: Bitcoins oder eine vergleichbare „Kryptowährung“.
Das Thema Kryptowährung ist komplex, das „Mining“ von virtuellem Geld eine weltweit boomende, auf die sogenannte Blockchain-Technologie aufbauende Möglichkeit, jenseits staatlicher Kontrolle komplett neue Zahlungsmittel zu generieren. Shermin Voshmgir, Direktorin des Instituts für Kyptoökonomie an der Wirtschaftsuniversität Wien, hat das dahinterstehende System vor Kurzem im Standard sehr griffig und ausführlich erklärt, hier der Link für alle, die sich näher damit befassen möchten.
Für Leserinnen und Leser, die nicht tief in die neue Technologie eintauchen möchten, ist der Vergleich zur klassischen Goldgräberei ausreichend, wenn auch stark vereinfachend. Stellen wir uns eine Goldmine vor. Wer sie als erster findet, darf sie behalten. In der digitalen Welt braucht man für die Suche nach einer Goldader Rechenpower – viel Rechenpower, bereitgestellt von Hochleistungs-Grafikkarten. Sie entschlüsseln mit Milliarden von Rechenoperationen den Code, der zum Beispiel einen Token der bekanntesten digitalen „Währung“ – Bitcoin – freigibt.
Wie früher beim Goldschürfen wird auch für die digitalen Goldgräber das Auffinden des Reichtums nach der Ausbeutung der ersten Adern immer schwieriger. Am Anfang waren Bitcoins leicht zu finden. Doch seit weltweit Millionen Menschen danach suchen, wird immer mehr Zeit und teure Rechenleistung benötigt. Die Hightech-Minen verbrauchen vor allem gigantische Mengen an Energie.
Und hier beginnt die Logik der Container beim Krafthaus in Unterpeischlach. Direkt bei einem Kraftwerk eine Schürfanlage aufzustellen, macht Sinn, wenn der Strom vom Hersteller – in diesem Fall der Tiwag – besonders günstig zur Verfügung gestellt wird. Das wiederum wirft die Frage auf, ob ein Landesenergieversorger, der nach immer neuen Möglichkeiten des Kraftwerksbaus an heimischen Flüssen und Bächen sucht, die wertvolle Wasserkraft überhaupt für Kryptomining einsetzen sollte?
Wir haben der Tiwag einen Fragenkatalog geschickt und wollten wissen, ob in Unterpeischlach tatsächlich Bitcoins geschürft werden und wenn ja, ob das die Tiwag selbst macht? Die Antwort im Originalwortlaut:
„Es handelt sich hier um einen Kunden, der direkt aus dem Tiwag-Kraftwerk Kalserbach mit Strom für sein Rechenzentrum versorgt wird und dabei die breitbandige Lichtwellenleitung-Anbindung vor Ort nutzt. Die Tiwag ist dabei reiner Lieferant, von dem der Kunde Strom bezieht.“ Ende Mai 2018 sei die Anlage in Betrieb gegangen. Wir wollten natürlich wissen, wer sie betreibt und wieviel Strom die Anlage verbraucht? Die Antwort: „Details zu diesem Kunden (wer, Verbräuche etc.) dürfen wir aus Datenschutzgründen nicht bekannt geben. Was hier gerechnet wird und welche Ergebnisse erzielt werden wissen wir nicht. Im Übrigen ist die Tiwag hier in bester Gesellschaft, auch andere Wasserkraft-Betreiber und Landes-EVU liefern an solche Rechenzentren.“
Soweit, so gut. Allerdings bietet sich an dieser Stelle ein Rechenbeispiel an, um zu veranschaulichen, um welche Energiemengen es geht. Wir bleiben bei der bekanntesten Währung, den Bitcoins. Technologisch gesehen gibt es maximal 21 Millionen Bitcoins wovon 16,4 Millionen schon geschürft wurden. Ein Bitcoin kostet aktuell 5.354 Euro (Stand: 11. Oktober 2018). Wie bei anderen Währungen schwankt der Preis, der Höchststand am 16. Dezember 2017 lag bei 16.727 Euro.
Derzeit braucht man laut Experten im Schnitt ca. 70.000 Kilowattstunden um einen einzigen Bitcoin zu berechnen – ohne Kosten für die Kühlung der Hardware. Schlägt man die noch auf, sollte der Bruttostrompreis für profitables Schürfen nicht über acht bis zehn Cent liegen und damit weit unter den Haushaltstarifen. Apropos Haushalt: Mit dem Energieverbrauch für die Freischaltung eines einzigen Bitcoins könnte man 20 Haushalte ein Jahr lang mit Strom versorgen.
8 Postings
Rechenaufgabe zu den Zahlen aus dem Artikel: bei durchschnittlich 70.000 kWh verbrauchtem Strom je Bitcoin würde das "Schürfen" bei einem Preis von 8 Cent / kWh EUR 5.600,- kosten. Wenn Bitcoin derzeit EUR 5.364,- kostet, wo wäre dann die Rendite für den Aufwand? In Wirklichkeit dürfte der Strompreis noch einiges darunter liegen, Standplatz inclusive ... Hoffentlich zahlen die Betreiber wenigstens die Energiesteuer von 1,5 Cent/kWh, oder müssen das nur die Haushalte?
Falls es interessiert: vor ziemlich genau einem Jahr gab es einige Artikel in verschiedenen Zeitschriften zum Thema, als ein Wiener Startup mit seiner Geschäftsidee an die Öffentlichkeit ging: https://www.krone.at/595293
In einem Kurier-Artikel vom vergangenen Jänner ist auch einiges Drumherum zum Thema zu erfahren: https://kurier.at/wirtschaft/stromwinzlinge-im-kryptorausch/308.921.618
Pauschal verurteieln würde ich das jetzt nicht:
1. braucht der Kunde die Tinet nicht somit zahlt er wohl nur die Energiekosten. Somit ist man alleine deswegen schon deutlich unter 8-10ct.
2. schaut mir das ganze nach "free cooling" aus, also außer ein paar ordentlichen Lüftern nichts notwendig und deshlab sparsam. Aber trotzdem schade daß die ganze Energie die ja wohl zu >90% in Wärme verpufft nicht genutzt werden kann.
3. für die TIWAG ist es ein Großkunde der 24h / 365 Tage die selbe Energie zieht. Eine fixe, stabile Abnahme ist für jeden Lieferanten Interessant egal ob es Energie, Holz oder Käse ist.
Aber trotzdem irre das man Energie für was virtuelles verheizt.
mit dem 2. Punkt gebe ihnen völlig recht: Mit dem Strom wird tatsächlich nur die Umgebung der Container beheizt! Ob das jetzt "sparsam" ist, soll jede(r) für sich beantworten. Andernorts gibt es bereits Serverfarmen, deren Abwärme in Gebäuden für Heizung und Warmwasserbereitung verwendet wird.
Frage mich übrigens auch, wie gewinnbringend derartige Geschäfte sind, wenn das Kraftwerk im Winter nur stundenweise läuft und der Strom dann aus anderen "Quellen" zugekauft werden muss, wo doch die Preise so stark gestiegen sind ... Dann wird es sicher auch nicht ohne die Tinetz gehen. Aber bei der Tinetz werden ja genug Kleinabnehmer (= Haushalte) zur Kasse gebeten, da kann man für Großverbraucher schon einmal ein Auge zudrücken ...
Ah so geht das; gestern hat die TIWAG die Erhöhung der Stromtarife angekündit, mit der Begründung, dass Strom teuer zugekauft werden muss um den stetig steigenden Strombedarf decken zu können..
Was lüft hier ab? Werden wir vera...scht? Wir zahlen mehr , damit die TIWAG bei undurchsichtigen Geschäften mitmacht ( eher mit Macht )
Mal ehrlich - ich soll mir ein schlechtes Gewissen einreden lassen, weil ich ein Auto habe ??
Könnte es eventuell sein, dass sich dieses Posting zum falschen Artikel verirrt hat? Falls nicht, bitte ich um Erklärung, was Ihr auto mit dem Bitcoin-Mining beim Kraftwerk Kalserbach zu tun haben könnte ...
Es geht um die fast schon religiöse Weltanschauung, daß das Auto das einzig böse ist und schuld an allem, Klimaänderung, Umweltbelastung usw. Das Bitcoinminig ist mindestens genauso umweltschädlich, eher noch mehr. Der Strombedarf dafür ist enorm und bringt fast nichts. Mit dem Auto komme ich wenigsten dorthin, wohin und wann ich will, aber wozu die Stromverschwendung mit Mining? Das rentiert sich nur, wenn der Strompreis extra niedrig ist. Und wieder einmal zahlen wir alle dafür, denn die Masse bekommt keinen Rabatt....
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