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Oliver Deutsch unterwegs auf Sardinien und Korsika

Ciao Italia! Bonjour la France! Eine grenzüberschreitende Radetappe mit kleinen Pannen.

Oliver Deutsch radelt ein Jahr lang rund um das Mittelmeer und wir begleiten ihn auf seiner Tour Mediterraneo. Mittlerweile ist der Lavanter Koch und Musiker auf Sardinien gelandet, nach einer mehr als fünf Stunden dauernden Überfahrt mit der Fähre nach Olbia. Kosten samt Rad: 26 Euro, Ankunftszeit 21.00 Uhr. Und das erwies sich als Problem. Oliver hat nur eine Stirnlampe und ein schwaches Rücklicht und fährt deshalb nur tagsüber. Distanz zum nächsten Campingplatz: 15 Kilometer, in der Dämmerung und Dunkelheit auf engen, verkehrsreichen Straßen. „Ich war froh, als ich den Campingplatz erreichte. Es war niemand mehr an der Rezeption oder sonst wo. Ich bin einfach rein, hab mein Zelt aufgebaut, in der Früh um 7.00 Uhr wieder abgebaut und bin wieder raus. Ich glaub, es hat keiner bemerkt.“ Wildcampen auf einem Campingplatz! Und das Improvisieren ging weiter: „Die Fahrradkette begann unglaublich zu nerven, allein hab ich es nicht hinbekommen und auf Sardinien eine Werkstätte zu finden, ist nicht leicht. Die meisten verleihen oder verkaufen Räder, reparieren aber nicht.“ Der Laden, den Oliver schließlich fand, habe mehr verstellt als repariert. „Ich sollte am Abend nochmal kommen, wenn der Chef da ist.“ Ein vages Versprechen.
Blick vom Campingplatz in Posada auf Sardinien in Richtung Strand.
Oliver entschied sich zum Weiterstrampeln, mit einem kleinen Ritzel bis nach Posada, wo er nicht nur einen guten Schlafplatz sondern auch einen kundigen Bastler fand: „Ein supernetter Typ, der früher viel Rad gefahren ist. Hinter seinem Haus in der Werkstatt hat er mir den Schlamassel in 20 Minuten tiptop gerichtet und alles neu eingestellt! Jetzt läuft das Bike wieder rund!“ Wichtig auf einer Reise über Tausende von Kilometern.
Dieser Mann half Olivers Drahtesel wieder auf die Sprünge. Die Reise kann weitergehen – und unsere Serie auch!
Olivers einsames Quartier am Meeresstrand in Orosei auf Sardinien.
Und so kam Oliver auf Sardinien endlich in den Tritt, schlug in Orosei am Strand sein Zelt auf, freute sich, dass touristisch weit weniger los war als befürchtet und genoss die Atmosphäre in kleinen Orten „ohne Betonbunker oder große Hotelanlagen. Schön!” Der Weg ins Landesinnere erwies sich als genussvolles Raderlebnis, durch eine Landschaft mit Felsformationen, wüstenartigen Landstrichen und gelegentlichem Grün, auf Straßen mit durchwegs angenehmen Steigungen. Über Dorgali erreichte Oliver das Dorf Oliena am Fuße des Monte Corrasi, mit tollem Blick auf das Kalksteinmassiv des Supramonte, ein Ausgangspunkt für Wanderungen zum Beispiel zur Karstquelle von Su Golgone.
Blick von Oliena auf das Kalksteinmassiv des Supramonte.
Das Zelt blieb im Landesinneren der Insel unbenützt, „überall Zäune mit Stacheldraht, Dornensträucher, hohes Gras und Unkraut, weit und breit kein Campingplatz“, erzählt uns Oliver. Er quartierte sich in Bed&Breakfasts ein, „in kleinen Dörfern mit sehr hilfsbereiten, netten Menschen, wie so oft auf dem Land. Das gefällt mir sehr, in einem Dorf in einer Bar oder am Platz zu sitzen, mit den Leuten zu reden, was zu trinken, oder nur zu schauen.“ Klingt doch gut, oder?
Das Dörfchen Ghilarza in den sardischen Bergen.
Stück für Stück arbeitete sich der Radweitwanderer in die Berge vor, nach Mamoiada, Gavoi und schließlich auf die Hochebene von Ghilarza. Da kann man schon einmal philosophisch werden: „Das Komische ist, wenn ich den ganzen Tag aufwärts fahre, verfluche ich die halbe Welt. Abwärts passt dann wieder alles. Wenn ich dann draußen bin aus den Bergen, schwingt immer etwas Wehmut mit.” Und die Seen auf Sardinien? „Nichts für Schwimmer. Meist Stauseen, Ufer mit Schilfgürtel und voll mit Algen. Niemand geht dort schwimmen. Schwimmen geht man nur im Meer, an Traumstränden mit einem Wasser – mamma mia! – sehr schön!”
Und noch ein Schlafplatz mit Traumblick in einer Bucht bei Santa Caterina an der Westküste Sardiniens.
Nach vier Tagen in den Bergen erreichte Oliver San Giovanni di Sinis im Westen der Insel, ideal für einen Badestopp in einem kleinen Wäldchen nahe dem Meer: „An der Küste ist Wildcamping nicht schwer!“ Dann rief schon wieder der Drahtesel und es ging weiter Richtung Norden, bei tropischen Temperaturen. „Das Problem auf Sardinien waren nicht die Berge, sondern die Hitze! 35 Grad, kein Regen, wenig Schatten. Das hat mich echt fertig gemacht! Und der Verwesungsgeruch der überfahrenen Tiere neben der Straße ist auch kein Stimmungsaufheller. Die Motivation war teilweise im Keller.”
35 Grad, kein Regen, wenig Schatten – auf Sardinien war der Sommer so heiß und trocken wie hierzulande.
Jeder Weitwanderer und Weitradler kennt sie, diese Stimmungstiefs. Da hilft nur unermüdlich weiterradeln. Und so erreichte Oliver über Pozzomaggiore, Osilo und Badesi schließlich Teresa Gallura an der Nordküste. Ein Meilenstein auf seiner Tour. Denn hier legt die Fähre über die Seestraße von Bonifacio zur Insel Korsika ab. „Das war’s jetzt mal mit Italien. Nach drei Monaten ein komisches Gefühl. Hab mich dort sehr wohl gefühlt.“ Den Italian Lifestyle abzulegen und sich an die neue Sprache zu gewöhnen war nicht allzu schwer, zumal der Tapetenwechsel gerade recht kam: „Mit Sardinien bin ich leider nie richtig warm geworden. Das hat von Anfang an nicht so gepasst. Ganz anders Korsika. Schon die Hafeneinfahrt nach Bonifacio ist sehr spektakulär. Steilküste mit weißen Felsen und Grotten.“
Land in Sicht. In diesem Fall Korsika.
Also schlenderte unser Dauerradler entspannt durch den korsischen Hafen, vorbei an den Yachten der Superreichen und stellte schnell fest, dass Wildcampen in Frankreich um einiges leichter ist, als in Italien: „Da sind die Franzosen lockerer drauf.“ Und nicht nur diesem Vergnügen konnte der Lavanter wieder frönen, sondern noch einer anderen Leidenschaft: Baden in glasklaren Bächen! „Vom Nationalpark im Südosten der Insel bin ich rauf bis nach Solenzara und von dort den Fluss entlang ins Tal rein geradelt, mit völlig neuer Energie. Es war nicht mehr so heiß und außerdem gibt es hier viele Bäche und Gumpen mit Trinkwasserqualität, wo man schwimmen und tauchen kann. Das ist die beste Abkühlung die man sich denken kann. Traumhaft. Mindestens zweimal täglich war ich da drin. Manchmal kann man auch von den Felsen reinspringen.“
Glasklares Wasser in korsischen Gebirgsbächen – ideal für eine Abkühlung zwischendurch.
Nach kleineren Erkundungstouren über schmale Bergstraßen und den Bächen entlang, fand Oliver auf halbem Weg nach Cortes einen ruhigen Platz im Wald und blieb dort zwei Tage: „Auf Korsika bin ich‘s etwas ruhiger angegangen. Die Insel ist auch nicht so groß. Da ist man bald durch. Ich bin dann noch bis Cortes vorgedrungen. Ein nettes Bergstädtchen, das bei Wandertouristen sehr beliebt ist. Sicher einer der Hotspots auf Korsika. Von dort aus kann man gute Tageswanderungen machen. Ich hab auch zwei gemacht, ins Restonicatal bis zum Lac de Melu und den Fluss Travignano entlang.“
Oliver ausnahmsweise nicht als Radler, sondern als Wanderer in den Bergen um Cortes.
Malerisch an den Berg gelehnt – das kleine Städtchen Cortes.
Olivers Fazit nach zwei Inseln? „Korsika hat wirklich alles, Berge, Strände, Bäche, Wälder. Der Nachteil, es sind auch überall viele Touristen. Auf Sardinien konzentriert sich alles auf die Küste, im Landesinneren hat man seine Ruhe.“ Und so radelte Oliver weiter durch kleine Dörfer, bis er die Nordküste der Insel erreichte, wo er noch drei Tage verbrachte, bevor er bei L’ile Rousse die Nachtfähre bestieg, um wieder auf das Festland überzusetzen. Ziel: Marseille.
Warten auf die Fähre nach Marseille in der Bucht von L’ile Rousse.
  Also ist Zeit für eine Zwischenbilanz. Bist du noch motiviert, den Herbst und Winter über weiterzuradeln? „Mittlerweile hab ich mich schon gut auf das Reisen mit dem Fahrrad eingestellt. Man gewöhnt sich an alles. Nach einigen Hochs und Tiefs gefällt es mir zurzeit sehr gut! Das ist unter anderem dem korsischen Aperitif Cap Corse zu verdanken,“ lacht der reisende Radfahrer und versichert glaubwürdig, dass er sich schon auf die französischen Voralpen und auf Dijon freut: „Ich treffe dort gute Freunde! Auch schön, wenn ich mal länger an einem Ort bleiben kann. Das ständige Unterwegssein ist manchmal doch anstrengend!”
Seit Mitte Mai radelt Oliver Deutsch nun schon um das Mittelmeer. „Das ständige Unterwegssein ist manchmal doch anstrengend!”
Alle Etappen der „Tour Mediterraneo“ auf einen Klick.
Gerhard Pirkner ist Herausgeber und Chefredakteur von „Dolomitenstadt“. Der promovierte Politologe und Kommunikationswissenschafter arbeitete Jahrzehnte als Kommunikationsberater in Salzburg, Wien und München, bevor er mit seiner Familie im Jahr 2000 nach Lienz zurückkehrte und dort 2010 „Dolomitenstadt“ ins Leben rief.

2 Postings

alex
vor 6 Jahren

Voll cool was du da machst, Oliver! Viel Kraft, Freude und Motivation auf deinem weiteren Weg der "Tour Mediterraneo"!👍

 
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bergfex
vor 6 Jahren

Ich bewundere Oliver, das er alleine eine solche Reise ( ich nenne sie Strapaz) auf sich nimmt. Zu zweit könnte man sich gegenseitig motivieren. 😎 Machs gut und viel Glück auf deiner weiteren Reise.😎 Mach weiter so tolle Reiseberichte.

 
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