Blauer Lemur, schwarze Urperle und gelbe Osttirolerin
Assling ist Hotspot für die Kultivierung traditioneller Kulturpflanzen und lokaler Sorten.
Es sind überwiegend Mitglieder des Obst- und Gartenbauvereins Assling, sowie engagierte GärtnerInnen aus der Agenda 21 Gruppe Umwelt & Nachhaltigkeit, die sich zum Ziel gesetzt haben, das Handwerk der Saatguterhaltung in Assling nicht aufzugeben. Sie bauen in ihren Gärten Erdäpfel, Herbstrüben, Ackerbohnen, Erbsen, Mohn, Roggen oder Hafer auf kleinen Flächen an. All dies sind Kulturarten, die bis vor wenigen Jahrzehnten großflächig auf den Äckern Osttirols anzutreffen waren, nun aber – mit Ausnahme der Erdäpfel –kaum mehr kultiviert werden.
Die engagierte Gruppe der Asslinger ErhalterInnen von Saatgut hat es geschafft aus Genbanken (Rinn, Gatersleben, Arche Noah) oder von Bäuerinnen und Bauern aus Osttirol Sorten dieser Kulturarten zu beziehen, die hier eine lange Anbaugeschichte haben, wie eben den Blauen Lemur (Mohn; von Ilse Mair aus Prägraten und aus dem Samenarchiv der Arche Noah), die Schwarze Urperle (Erbse; aus dem Samenarchiv der Arche Noah) oder die Gelbe Osttirolerin (Trockenbohne; aus dem Samenarchiv einer Arche Noah Erhalterin).
Über den Sommer werden diese Sorten nun in den Gärten angebaut, Erfahrungen im Anbau gesammelt und Saatgut geerntet. Die ErhalterInnen treffen sich regelmäßig, zuletzt vergangene Woche, um Erfahrungen auszutauschen. Das begeisterte Fachsimpeln über Mohn &. Co zeigt nicht nur, wie die Asslinger GärtnerInnen zunehmend Erfahrungen sammeln, sondern auch Freude an der Saatgutvermehrung „ihrer Sorten“ haben.
Zu den traditionellen Osttiroler Kulturarten gesellen sich auch Kulturarten wie Tomate, Paprika oder Chili. Man möchte es nicht glauben, aber einige Sorten dieser Kulturarten sind teils über eine Generation in den Gärten Osttirols im Anbau und werden in Assling ebenso gehegt und gepflegt. Über die Null-Kilometer-Tomate haben wir berichtet und die Asslinger versichern, dass sie das erfolgreiche Vorhaben einer nachhaltigen lokalen Saatgut- und Jungpflanzenproduktion weiterverfolgen werden. Dabei geht es nicht grundsätzlich darum nur „Alte“ Sorten zu erhalten, sondern auch Neues auf die Anbaueignung in Höhenlagen zu testen.
Gefördert wird dieses Vorhaben von einem grenzübergreifenden Interreg Dolomiti Live Projekt (BioColAlp ITAT4044) mit Partnern aus Italien (Belluno). Das Bildungsprojekt widmet sich der Wiederherstellung und Wiederbelebung der Pflanzenvielfalt im alpinen Anbau. Es fördert aber auch Bewusstseinsbildung über die nachhaltige Bewirtschaftung der Gärten und Felder von Alto Agordino und von der Gemeinde Assling. Fachliche Unterstützung erhält das Projekt von Saatgut- und GartenbauexpertInnen der Universität für Bodenkultur.
Und wer bei Bildung neben dem Sammeln praktischer Erfahrungen auch an Bücher denkt, der hat ins Schwarze getroffen, denn in dem Projekt ist auch die Bücherei Assling vertreten. Das Saatgut wird nämlich nach sorgfältiger Reinigung ab dem Frühjahr 2019 den Mitgliedern der Bücherei Assling zum Versuchsanbau entlehnt. Man kann also auch als interessierte Leseratte ein wenig Saatgut ausborgen, anbauen und selbst Erfahrungen im Anbau und der Herstellung von Saatgut gewinnen.
Wer etwas ausborgt, muss es zurückgeben – so auch in Assling. Die Bücherei erwartet sich, dass die EntlehnerInnen einen Teil des Erntegutes wieder zurückbringen und so nicht nur die Menge an Saatgut wächst, sondern mit ihr auch das Wissen im Umgang mit traditionellen Kulturarten und deren lokalen Sorten.
Bei ihren traditionsreichen Bücherei-Cafés sind ab nun auch ErhalterInnen von Saatgut anwesend, um über die angebauten Kulturarten zu berichten. Vergangenen Sonntag war der Mohn Thema des Bücherei-Cafés in Assling. Neben Büchern über Mohn waren im Rahmen einer kleinen Ausstellung auch verschiedene Mohnsorten, ein Mohn-Säh-Horn, eine Mohnquetsche sowie ein Mohnstampf zu betrachten und man konnte herrliche „Mohn-Niggelen“ verkosten.
Gegenüber der Redaktion hat die Sprecherin des Projektes, Brigitte Vogl-Lukasser, zugesagt: „Wenn eine andere Bücherei oder ein anderer Obst- und Gartenbauverein in Osttirol Interesse hat: Ich komme gerne zu einem Vortrag oder Gespräch, um von unseren Erfahrungen zu berichten, Interessierte mit unserer Leidenschaft für die Erhaltung traditioneller Kulturarten anzustecken und über das Handwerk der Saatguterhaltung zu erzählen!“
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