Gärtnerinnen im Bezirk Lienz wissen gerade ein Lied davon zu singen. Abends klingelt das Telefon, oder bei größter Hitze die Glocke an der Haustüre. In beiden Fällen ist die Bitte dieselbe: „Dürften wir mit dir über das Thema Garten reden, ein paar Fragen stellen und dich in deinem Garten besuchen?“ Wahrscheinlich sind es Eva, Julia, Irene, Sophie, Adrian, Heidi oder Brigitte, die diese Bitte formulieren. Sie alle wirken beim Projekt „Homegrown“ mit, in dem die bäuerlichen Hausgärten Osttirols 20 Jahre nach der Dissertation von Brigitte Vogl-Lukasser nochmals auf Struktur, Bewirtschaftung, Artenzusammensetzung und -nutzung untersucht werden. So sollen Veränderungen in der Bewirtschaftung der Hausgärten, sowie die Pflanzenartenvielfalt in diesen Gärten dokumentiert werden.
Dabei haben die Jungforscherinnen verschiedene Spezialthemen. Eva Vogel ist Studierende an der Universität für Bodenkultur Wien im Master Organic Farming Systems and Agroecology. Sie untersucht, welche Heilpflanzen in den Gärten anzutreffen sind, und wie diese bei Tier und Mensch verwendet werden. Landläufig herrscht die Meinung vor, in bäuerlichen Hausgärten würden auch viele Heilpflanzen für Tier und Mensch angebaut und genutzt. Eva untersucht, ob dem wirklich so ist.
Julia Kammerhuber interessiert aus der Vielfalt der Pflanzenarten ganz besonders der Dost (Oregano). Sie hat Proben in den verschiedenen Gärten genommen und wird diese Proben im Labor auf ihre Inhaltsstoffe analysieren. Damit kann sie unter anderem feststellen, wie viele unterschiedliche Populationen dieser Heil- und Gewürzpflanze in Osttirol anzutreffen und wie „gehaltvoll“ diese sind.
Semra Fetahovic ist auch Studierende des genannten „Ökolandbau“-Master an der BOKU. Sie interessiert besonders, wie die Beiträge von Gärten für Natur und Menschen (man nennt diese Beiträge auch „Ökosystemdienstleistungen“) von jenen Osttirolerinnen und Osttirolern wahrgenommen werden, die keinen Garten besitzen. Sie klingelt also nicht an Gartentüren, sondern in Wohnhäusern, wo es keine Gärten gibt.
Irene Holm Soerensen ist Landschaftsplanerin und studiert an der University of Canterbury at Kent Ethnobotanik. Sie wird fotografierend und zeichnend in den Gärten angetroffen. Sie untersucht die Strukturen, die in Gärten vorzufinden sind, also die Arten von Wegen, Beeten, Gartenkugeln, Vogeltränken – und was einen Garten (neben Boden und Pflanzen) sonst noch so ausmacht.
Am Projekt Homegrown ist aber nicht nur besonders, dass Studierende der BOKU in die Forschung eingebunden sind, sondern auch, dass SchülerInnen des BG/BRG Lienz mit von der Partie sind. Sie müssen in der siebten und achten Klasse eine sogenannte Vorwissenschaftliche Arbeit (VWA) durchführen. Sophie Girstmair ist eine dieser Schülerinnen. Auch sie untersucht – betreut durch Renate Hölzl im Fach Biologie – die Verwendung von Heilpflanzen in Gärten und hat bereits mehrere Befragungen erfolgreich erledigt. Adrian Saciri, auch Schüler des Gym, wird sich mit Bewirtschaftungstechniken in Gärten auseinandersetzen. Er entwickelt gerade seinen Fragebogen und hat seinen Pre-Test vor sich, also ein Probeinterview mit einer erfahrenen Wissenschaftlerin, bei der Ablauf der Befragung und Fragestellung vor der ersten echten Befragung auf Herz und Nieren getestet werden.
Ab Herbst werden weitere Schülerinnen die Möglichkeit haben, Themen zu Biologie, Physik, Chemie, Mathematik, Englisch oder Psychologie (Ja, alle diese Fächer haben mit dem Thema „Garten“ zu tun! Wir werden darüber berichten!) im Rahmen ihrer VWA in Osttirols Gärten zu untersuchen. Diese VWA-SchülerInnen im Projekt Homegrown werden dabei von den ProfessorInnen des Gym, wie Renate Hölzl, Arno Oberegger oder Hansjörg Schönfelder betreut. Die SchülerInnen erhalten aber auch eine zusätzliche Betreuung aus dem Team der BOKU-WissenschaftlerInnen, von Heidemarie Pirker und Brigitte Vogl-Lukasser, die über den Sommer ebenfalls in den Gärten unterwegs sind und die Botanik dieser Gärten dokumentieren.
Für einen reibungslosen und fachlich kompetenten Ablauf ist der BOKU-Professor Christian R. Vogl zuständig, der dieses Projekt aus der Förderschiene „Sparkling Science“ (Jugendliche für Forschung begeistern) nach Osttirol geholt hat. „Wir sind alle überwältigt von der Offenheit, Gastfreundschaft und Gesprächsbereitschaft der Gärtnerinnen. Sie haben einen reichen Erfahrungsschatz und wir sind sehr dankbar, dass sie diesen mit uns teilen, uns in ihre Gärten lassen und uns so begeistert von ihrer Gartenarbeit erzählen!“, freut sich Vogl.
Während andere in den Bädern schwitzen, schwitzen also Studierende und SchülerInnen in Osttirols Gärten. Und sie haben noch viel vor sich: Nach der Erhebung der Daten in den Gärten folgen die Analyse und danach das Schreiben von VWAs, Masterarbeiten oder Projektberichten.
Auch Dolomitenstadt hat 2017 einen Blick in Osttirols Gärten geworfen – hier lesen.
„Homegrown“: Forschen in Osttirols Hausgärten
Studierende und SchülerInnen dokumentieren Struktur, Bewirtschaftung und Artenvielfalt.
Keine Postings
Sie müssen angemeldet sein, um ein Posting zu verfassen.
Anmelden oder Registrieren