Forum Anthropozän: Ist der Mensch noch zeitgemäß?
Fundamentale Fragen und vorsichtig optimistische Antworten am Fuß des Großglockners.
Der Begriff Anthropozän bezeichnet den Eintritt in eine neue, vom Menschen geprägte Epoche der Erdgeschichte. Er wurde 2002 von dem Atmosphärenchemiker und Nobelpreisträger Paul J. Crutzen in den wissenschaftlichen Diskurs eingeführt und heißt nichts anderes als „von Menschen neu gemacht“.
Viele Wissenschaftler haben dieses Erdzeitalter der Menschen bereits ausgerufen, darunter Michael Wagreich, stellvertretender Leiter am Department für Geodynamik und Sedimentologie an der Universität Wien. Er sagt: „Wir Geologinnen und Geologen sehen, dass die Folgen menschlicher Eingriffe in das System ‚Erde‘ längst in den geologischen Ablagerungen zu finden und archiviert sind. Das bedeutet auch eine Unumkehrbarkeit des globalen Wandels. Der Mensch bleibt nur dann zeitgemäß, wenn sich die Menschheit anpassen kann. Doch dahingehend bin ich optimistisch.“
Dieser – großteils vorsichtig formulierte – Optimismus prägte auch die inhaltlichen Statements beim ersten „Forum Anthropozän“, das vom Verein ProMölltal gemeinsam mit dem Universitäts.club|Wissenschaftsverein Kärnten organisiert und mit einer Reihe prominenter Partner, darunter „Die Zeit“, umgesetzt wurde. Von 21. bis 23. Juni diskutierten in Großkirchheim und auf der Kaiser-Franz-Josefs-Höhe Wissenschaftler, Künstler (darunter Filmemacher Werner Boote), Designer, wirtschaftliche Innovatoren und Naturschützer über unterschiedliche Facetten des Generalthemas: Natur – Innovation – Verantwortung.
„Wenn die Menschheit weiter wirtschaftet, wie in den letzten 100 Jahren, beschädigt sie die Natur und damit die eigene Existenzgrundlage unwiderruflich. Innovation kann einen wertvollen Beitrag zur Weiterentwicklung von Individuen und Gesellschaft und damit zur nachhaltigen Koexistenz von Natur und Mensch leisten,“ unterstrich etwa Peter Granig, Rektor der Fachhochschule Kärnten.
Der Frage nach dem guten Leben für alle – und nicht nur für einige wenige – müsse anders nachgegangen werden als bisher. Die Befriedigung der Bedürfnisse über immer mehr und neuere Produkte sei nicht zukunftsfähig, darüber herrschte beim Forum Anthropozän weitgehend Einigkeit. Universitäts.club-Präsident Horst Peter Groß gab zu bedenken: „Das Anthropozän ist unter diesem Blickwinkel weniger eine technologische, sondern vielmehr eine gesellschaftspolitische Herausforderung. Daher müssen wir uns insbesondere auch mit der Frage beschäftigen: Was ist der Mensch? Wie kann es sein, dass der Mensch wider besseren Wissens Maßnahmen in Gang setzt, mit denen er sich langfristig selbst gefährdet, nicht nur individuell, sondern sogar als Gattung?“
Eine Chance für einen tiefgreifenden Wandel sieht Karin Haselböck, Strategieentwicklerin bei Ashoka Austria/CEE und Europa, in der Förderung von Social Entrepreneurs. Diese Pioniere lösen mit innovativen Konzepten, Kreativität und unternehmerischem Können ökologische, soziale und gesellschaftliche Probleme. „Sozialunternehmerinnen und -unternehmern geht es nicht um Einzelinteressen. Sie schaffen Veränderungen mit nachhaltiger Wirkung, binden Menschen sinnvoll ein und brechen festgefahrene Strukturen auf.“
Wie man – etwa durch neue Ansätze in der Produktentwicklung – aus einer ökologischen und sozialen Abwärtsspirale ausbrechen kann, wurde im Rahmen einer Zukunftswerkstatt mit Design Thinking Coach Jeremias Schmitt in interdisziplinären Teams erforscht. Flankierend zu den fachlichen Veranstaltungen gab es ein Outdoorprogramm der Nationalpark Lodge Großglockner, Musikalisches mit Mölltalklang in der Zirknitzgrotte, eine Kunstausstellung mit Cornelius Kolig als Sideevent und viele Möglichkeiten zum Networking, beispielsweise bei einer Schottnkrapfn-Party im Schlössl Großkirchheim.
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