„Mittlerweile hat sich mein Körper schon gut aufs Radfahren eingestellt. Nach zwei Wochen im Sattel ist man fit. Da zwickt dich nichts mehr und es tut eigentlich nichts mehr weh (eigentlich?).“ Gab es schon Pannen? „Es gab kleinere Pannen, einen Patschen, Speichen überdreht, sowas. Und dann ist auch noch die Flüssigkeit von eingelegten Zwiebeln in einer Tasche ausgelaufen. Hab alles wieder hinbekommen!“ Kenner werden ahnen, wie Olivers Tasche riecht.
Apropos Geruch. Oliver fährt nicht mit sportlichen Amibitionen (sieht man am Outfit), sondern mit allen Sinnen. Er schreibt: „Manchmal fährt man auf größeren Strassen hinter Lkws her, die meiste Zeit aber auf kleinen Nebenstraßen durch Dörfer, wo es vor Wochen intensiv nach Hollerstauden roch, mittlerweile nach Rosmarin und Pinien. Ich liebe das! Und das Vogelgezwitscher!“
Wo schläfst du eigentlich, fragen wir den entspannten Radler. „Wo es mir gefällt. Ich frage Leute, ob sie in der Gegend um ihr Haus vielleicht einen Platz wissen, wo ich für eine Nacht mein Zelt aufschlagen kann. Oder ob es okay ist, wenn ich drüben im Feld unter den Olivenbäumen übernachte. Meistens darf ich dann gleich im Garten bleiben und nicht selten werde ich auch noch zum Abendessen und Frühstück eingeladen! Wenn man alleine, mit dem Rad oder zu Fuß und mit Zelt ankommt, ist alles ganz anders. Die Menschen begegnen dir unglaublich freundlich! Das kann ich nicht beschreiben. Es ist ein sehr schönes Gefühl, wenn man den ganzen Tag auf der Straße unterwegs ist und am Abend bei netten Leuten unterkommt.“
Zum Beispiel in Ramera, nördlich von Treviso. Oliver erzählt: „Da platzte ich zufällig in eine Geburtstagsparty von Leuten aus Venedig! Sie haben mich gleich zu einem Sechs-Gänge-Menü mit Wein, Bier und Torte eingeladen. Natürlich hab ich auch Insidertipps für Venedig bekommen.“ Solcherart gebrieft, kam Oliver in der Lagunenstadt gut über die Runden – ohne Fahrrad. Räder sind ebenso wie Autos aus Venedig verbannt. Oliver schlief in Mestre und nahm den Zug. Der fährt alle zehn Minuten.
Nach einem Streifzug durch verwinkelte Gässchen in der Stadt der Gondeln ging es am nächsten Tag weiter nach Padua und tags darauf nach Polesella, einem Örtchen am Po. Direkt am Flussufer schlug Oliver sein Zelt auf und lief deutschen Auswanderern über den Weg, die dort ein „Welscamp“ betreiben. Was ist das? „Da fischt man Welse und Karpfen, das ist in der Gegend weit verbreitet. Der Wels ist ja der größte Süßwasserraubfisch, nur im Po und im spanischen Ebro ist er noch zu finden. Die Menschen sind hier sehr eng mit den Fluss verbunden. Ist schön zu sehen!“
Die Radler unter unseren Leserinnen und Lesern wird interessieren, welche Distanzen Oliver täglich zurücklegt. Es sind zwischen 50 und 80 Kilometer, abhängig von Wetter und Straßenzustand. „In der Toskana waren nicht mehr als 60 Kilometer möglich“, erzählt uns der radelnde Koch, „es sind zwar nur Hügel, aber die sind ziemlich knackig, überhaupt rund um Florenz. Selten so steile Straßen gesehen. Sogar für Rennradfahrer sehr anstrengend. Das war mehr wandern als radfahren, aber wer sein Fahrrad liebt, der schiebt.“
Immerhin kann man sich beim Wandern durch die Toskana an der schönen Landschaft erfreuen. Die Menschen seien hier etwas reservierter als weiter im Norden, erzählt Oliver. Es sei nicht mehr so leicht, einfach in einem Garten das Zelt aufzuschlagen. „Vielleicht liegt es an den vielen Touristen, oder einfach daran, dass es ziemlich viele Campingplätze gibt.“ Gelegentlich das Lager nicht „wild“ sondern auf einem offiziellen Platz aufzuschlagen, passt ohnehin ins Reiseschema des Osttirolers, schließlich muss man ja auch gelegentlich einmal duschen und die Wäsche waschen.
All das läuft völlig entschleunigt und nach Lust und Laune ab. „Wenn man so unterwegs ist, ist es sehr wichtig, dass man die Kleinigkeiten zu schätzen weiß. Manchmal ist das Beste ein Apfel, manchmal sind es in der Früh die Magnesium-Tabletten von der Mama – mit Grapefruitgeschmack! Ab und zu gönnt man sich was. Ich gebe zurzeit das Geld lieber für Essen als für das Schlafen aus. Mein Schlaf im Zelt ist schon sehr gut.“ Und mit dieser Einstellung erreichte Oliver über Florenz, San Gimingnano, Saltine di Volterra, Vada und Piombino schließlich Elba. Hier gibt´s zur Abwechslung eine kleine Slideshow mit dem malerischen Hafenstädtchen Porto Azzurro, naturgeschützter Pflanzenwelt in den Dünen, dem Kratersee bei Rio Marina und – Würstchen am Stock!
„Auf Elba war es um ein paar Grad kälter als am Festland. Auch etwas teurer ... eine Insel halt! Aber abseits der Hauptstraße ein Paradies für Radfahrer und einfach wunderschön!“ Und dennoch hielt es unseren radelnden Nomaden nicht lange auf dem romantischen Eiland. Er packte die Satteltaschen, setzte über nach Piombino und strampelte wieder ins Landesinnere nach Ribolla. „Mittlerweile hab ich mich an das Nomadenleben schon gut gewöhnt. Ich finde es gut, fast jeden Tag woanders aufzuwachen und freu mich schon, wenn ich in der Früh aufs Radl steigen kann und losfahre.“
In Ribolla, oder besser einen Kilometer außerhalb befindet sich der Geheimtipp dieses Reisekapitels. Borgo Fontelupo! Olivers Kommentar: „Eine sehr empfehlenswerte Unterkunft mit Apartments für zwei bis fünf Personen und einem schönen Blick auf Weingärten und Olivenfelder. In zwanzig Minuten ist man mit dem Auto am Meer.“ Unserem Reisenden hat dieser Ort besonders gefallen, so gut, dass er wiederkommen wird: „Ich durfte dort mein Zelt aufstellen, half beim Agaven schneiden und hab die Blätter entsorgt. Im Juli komme ich zurück und kann dort eventuell ein, zwei Wochen für Kost und Logis arbeiten.“
Dieses Kapitel endet in Arcidosso, wo Oliver eine alte Freundin traf, Maniola. Und was macht man so, zu zweit in dieser Gegend? „Relaxen in den heißen Quellen von Saturnia!“ Klingt gut.
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