Intakte Alpenflüsse als Dienstleister für das Ökosystem
Fachleute aus sechs Alpenländern diskutierten bei Revital in Osttirol über Gewässerschutz.
Wie profitieren wir von intakten Flüssen? Welche sogenannten Ökosystemdienstleistungen bieten uns Alpenflüsse? Wie hängen diese mit dem Zustand der Flüsse zusammen? Mit diesen und weiteren Fragen hat sich von Mittwoch bis Freitag eine Gruppe internationaler Experten in Osttirol beschäftigt.
Das Treffen fand im Rahmen des HyMoCares-Projekts (HydroMorphological assessment and managmement at basin scale for the Conservation of Alpine Rivers and related Ecosystem Services) statt.
HyMoCares ist ein von der EU cofinanziertes Interreg Alpine Space Projekt, an dem insgesamt 13 Organisationen aus sechs Alpenländern (Frankreich, Schweiz, Italien, Deutschland, Slowenien und Österreich) teilnehmen. Das Osttiroler Unternehmen Revital Integrative Naturraumplanung, in dessen Büro in Nußdorf-Debant das Partnertreffen dieses Mal stattfand, ist für das Projektmanagement bei HyMoCares zuständig. Im Laufe des dreitägigen Treffens wurden bisherige Ergebnisse diskutiert und die Drau in Dellach, Kleblach und Obergottesfeld besichtigt.
Das Ziel des HyMoCares-Projekts ist es aufzuzeigen, dass ökologisch intakte Flussräume Schlüsselressourcen in unserer alpinen Umgebung darstellen, welche wertvolle Ökosystemleistungen sicherstellen. Zu diesen Leistungen gehören unter anderem ein nachhaltiger Hochwasserschutz, der Schutz der Ressource Grundwasser, die Erhaltung von Biodiversität und hochwertigen Erholungslandschaften.
Hydromorphologisch intakte Flussräume sind solche, die nahe an ihrem ursprünglich natürlichen Zustand sind und sich weitgehend selbst entwickeln und gestalten können. In Osttirol erreicht am ehesten noch die Isel in den Aufweitungsstrecken einen naturnahen Zustand, so Stephan Senfter, der bei Revital für das HyMoCares-Projekt verantwortlich ist. In Italien ist der Tagliamento ein besonderes Beispiel für ein intaktes Flusssystem.
Wenn man sich historische Karten ansieht, kann man erkennen, wie viel Platz Alpenflüsse etwa durch Regulierungsmaßnahmen im Laufe des 20. Jahrhunderts verloren haben, sagt Willigis Gallmetzer von der Agentur für Bevölkerungsschutz der Provinz Bozen, die Lead Partner im HyMoCares-Projekt ist. Flüsse konnten sich früher viel breiter entwickeln, mit Schotterinseln, angrenzenden Schotterbänken und Auwäldern. Aufzeichnungen über den historischen Verlauf von Flüssen können heute als Basis für Renaturierungsmaßnahmen dienen, wenn dafür Grund und Boden zur Verfügung gestellt wird.
„Intakte Flüsse sind Lebensadern der Landschaft, die den Menschen mit Wasser, Nahrung, Lebensraum und Ökosystemdienstleistungen versorgen“, sagt Helmut Habersack, Professor an der Universität für Bodenkultur Wien, der auch als Projektpartner am HyMoCares-Treffen teilgenommen hat. Solche Ökosystemdienstleistungen von Flüssen sind etwa die Versorgung mit Trinkwasser und Fischen oder der Schutz vor Hochwasser.
Eng verbaute Flüsse mit abgetrennten Überflutungsflächen führen das Wasser schneller ab. Im Falle eines Hochwassers beschleunigt sich die Hochwasserwelle und damit steigt die Gefahr für die Bevölkerung der Region durch verstärkte Überflutungen. Außerdem graben sich zu eng verbaute Flüsse aufgrund der höheren Fließgeschwindigkeiten zunehmend tiefer ein, wodurch die Uferverbauungen untergraben werden und das Grundwasser sinkt. Das ist auch für die Landwirtschaft schädlich. Die höhere Fließgeschwindigkeit führt auch dazu, dass verstärkt Sand und Schotter vom Fluss abgetragen werden und damit Lebensräume für Tiere und Pflanzen verloren gehen, zum Beispiel Laichplätze für Fische.
Um solchen Problemen zu begegnen, will man im Rahmen des HyMoCares-Projekts Maßnahmen, Planungswerkzeuge und Programme entwickeln, die die Qualität von Flüssen verbessern können. Diese Werkzeuge will man dann den beteiligten Akteuren zur Verfügung stellen. Außerdem ist es Ziel des Projekts, ein breites Bewusstsein dafür zu schaffen, dass intakte Flüsse einen Mehrwert für die Menschen in der Region darstellen, nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich.
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