Weihnachten in einem Land der Gegensätze
Seit einigen Monaten lebe und studiere ich in Peru – wo jetzt gerade der Sommer beginnt.
Langsam wagt sich die Sonne durch die meist graue Wolkendecke Limas. Der Sommer kommt! In den kleinen Mercados wandert man durch Unmengen frischer Mangos, begleitet von dem Geruch nach diversen exotischen Früchten und die erste Brise des Sommers streift über meine Haut. In den centros commerciales spielen Weihnachtshits, von „Stille Nacht, heilige Nacht“, bis „Leise rieselt der Schnee“. Ich betrachte kleine Lebkuchenhäuser mit Schneedächern aus Staubzucker, die mich alle sehr an die Bilder erinnern, die mir meine Eltern und Freunde seit einigen Tagen aus der Heimat schicken.
Wie sich nun auch das Jahr 2017 dem Ende zuneigt, wird ebenso bald mein Auslandssemester hier in Peru vorbei sein. Peru ist ein Land unglaublicher Diversität. Auf einer Fläche von circa 1,3 Millionen Quadratkilometern schlängelt sich der Amazonas durch den Regenwald und weiße Bergspitzen ragen tausende Meter weit in den Himmel. Im Westen des Landes treffen sich Meer und Wüste und bieten Strände mit perfekten Surfwellen. Seit ich hier bin habe ich nicht nur das gute Essen zu schätzen gelernt, auch die Herzlichkeit und Offenheit der Menschen und ihre Hingabe zur Natur beeindrucken mich.
Doch auch peruanische Münzen haben zwei Seiten. Denn die Armut nimmt vielen Menschen, die in abgeschiedenen Regionen geboren wurden, die Chance auf Selbstverwirklichung. Ich erkenne, dass hier Welten aufeinander treffen und genau hier bin ich. Seit Ende Juli darf ich dieses Land (mit ebenfalls rot-weiß-roter Flagge!), mein Zuhause fern der Heimat nennen.
Ich absolviere mein Auslandssemester auf der Universidad San Ignacio de Loyola in Lima. Angekommen am Campus wird man von hohen Stahlzäunen und Sicherheitspersonal an jedem Eingang begrüßt. Sich einfach aus Neugier in eine beliebige Vorlesung zu setzen, ist hier nicht möglich. Bildung auf vergleichbarem Niveau steht traurigerweise nur sozial privilegierten Familien zu. Die Universitäten sind dermaßen teuer, dass es für manche Eltern kaum möglich ist, ihren Kindern eine Ausbildung zu finanzieren. Zudem sind gute Universitäten hauptsächlich in Lima vorzufinden, dies führt dazu, dass manche Studenten ihre Familie ein ganzes Jahr nicht sehen können. Das Geld reicht einfach nicht für einen Heimatbesuch.
Ich lebe in einem großen Haus in einem der sichersten und reichsten Bezirke Limas, Miraflores, mit zehn anderen Austauschstudenten aus aller Herren Länder. In den vergangenen Monaten wurden wir durch unsere gemeinsamen Erlebnisse zu so etwas wie einer Familie zusammengeschweißt. Miraflores ist belebt, voller Energie und täglich voller neuer Entdeckungen. In der Rushhour brauchen wir zwar manchmal bis zu zwei Stunden zu unserer Universität, doch die private Universität San Ignacio de Loyola liegt in La Molina, einem ruhigen, familienfreundlichen Bezirk.
Wie wohl fast jeder Student, der einmal ein Auslandssemester macht, sehe ich das Ganze hier eher als Langzeiturlaub mit Weiterbildungschancen, anstelle eines Semesters, in dem ich mir endloses theoretisches Wissen anhäufe.
Ich reise sehr gerne, gut also, dass ich es geschafft habe, alle meine Unikurse von Montag bis Mittwoch zu legen. Der Nachteil: Meine Kurse sind nur auf Englisch, was es mir leider nicht erleichterte, mein Spanisch signifikant zu verbessern. Der Vorteil: Wir haben jede Woche vier Tage Zeit, die wir hauptsächlich damit verbringen, Land und Leute besser kennenzulernen. Und als Tourismusstudentin behaupte ich, dass ich auf meinen Reisen nebenbei Forschung betreiben kann!
Die Wochen hier sind verflogen, während ich versuche, mit Arbeiten für die Uni zurechtzukommen, die Zeit zu genießen und so viel wie möglich von diesem Land verborgener Schätze zu entdecken.
Zu den Reisen in Peru gibt es bisher zu sagen: Sprünge in glasklare Gletscherseen atem(be)raubende Höhen von circa 4600 Metern, Bäder in heißen Quellen und Schwitzen in natürlichen Saunen! Wunderbare Sonnenuntergänge in allen Farben, Sandboarding über meterhohe Dünen mit Blick auf die Oase von Huacachina! All das und noch viel mehr gibt es zu erleben.
Auch die Tierwelt durfte ich aus verschiedensten Blickwinkeln bestaunen: Am Amazonas fischten wir Piranhas, die wir später grillten. Wir aßen Würmer und konnten mit Delphinen schwimmen. Affen schüttelten mir die Hände und Faultiere umarmten mich, während ich mich vor den giftigen Schlangen und Spinnen fürchtete. Ich sah Wale im Norden Perus, welche ich mir nie so riesig vorstellte und Schildkröten, die wohl auch schon einige Jahre auf ihren Rücken hatten.
Zehn Tage reisten wir durch Bolivien, stürzten uns mit Rädern über die Deathroad (wie der Name vermuten lässt, eine Straße, auf der es jedes Jahr unzählige Tote gibt) und staunten über die nicht in Worte zu fassende Schönheit der Salzwüsten. In La Paz erlitt ich nicht nur einen Kulturschock, auch die Höhe (3200 bis 4100) machte mir nach 30 Stunden durchgehender Busfahrt zu schaffen.
In Chile radelten wir durch die Atacama, wir sahen die Sterne, so groß und hell wie nie zuvor. Genossen einen sonnigen Tag am Strand und wurden verwöhnt mit gegrillten Steaks, von denen ich heute noch träume. Auf einem Roadtrip zu den Nazca Linien zelteten wir an verlassenen Stränden, während das Lagerfeuer neben uns knisterte und die Sterne am Himmel glitzerten. Ich bestaunte majestätisch kreisende Kondore über dem tiefsten Canyon der Welt, dem Colca Canyon. Ich sah unzählige Vulkane. Wanderte durch das farbenfrohe Kloster Santa Catalina, welches so groß ist wie eine Stadt und in der aus weißem Vulkanstein erbauten Stadt Arequipa liegt. Ich stieg über 2000 Stiegen nach Machu Picchu und bestaunte die Rainbow Mountains, welche auf atemberaubende 5.200 Meter ansteigen.
Auf dem Plan steht jetzt noch Ecuador, Kolumbien, Panama und Costa Rica, bevor ich Anfang Februar wieder zurückkehre in die Heimat – und wohl ein paar mehr Punkte auf meiner to-do-Liste abhaken kann.
Hier noch ein paar fotografische Eindrücke:
2 Postings
Gratulation! Toller Bericht - herrliche Fotos. Südamerika hat schon was - nur die weit verbreitete Armut und die hohe Kriminalitätsrate trüben das Bild.
Traumhafte Bilder! Vielen Dank für den ausführlichen und interessanten Bericht
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