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Was will der deutsche Wintergast – in Osttirol?

Ein Rückblick auf Gästewünsche, einen unbekannten Namen und Anreisevarianten.

Schneehöhen zu melden ist für Radiosender nicht ungewöhnlich. Dennoch bin ich immer wieder überrascht, wenn der Norddeutsche Rundfunk die aktuellen Höhen aus Obergurgl, Kitzbühel oder Ramsau mitteilt. Für österreichische Tourismustreibende sind diese Meldungen Grund zur Freude. Nicht nur wegen der aktuell guten Schneelage. Sondern weil sie zeigen, wie wichtig dem deutschen Gast diese Meldungen sind, vor allem für seine Urlaubsentscheidung. Der deutsche Gast ist viel umworben. In Hamburg etwa wechseln sich Plakate von norwegischen Skigebieten mit denen Schweizer Destinationen ab. In der U-Bahn wird mit Videos für Funparks geworben. Im Kino kämpfen mit schneereichen und sonnendurchstrahlten Clips Südtirol und das Zillertal um Kunden. Der Radiosender eines Großdiscounters preist die Vorzüge Innsbrucks an. Geworben wird mit der Nähe zu schneesicheren Gebieten, mit Winterromantik und leichter Erreichbarkeit. Man spricht von Fackelwanderungen und romantischen Kutschenfahrten.
Romantik, Ruhe, Hüttenzauber – ein Bilderbuchwinter für viele Gäste, die nicht unbedingt die Skier anschnallen wollen. Foto: Expa/Groder
Der Innsbruckclip hört sich an wie die perfekte Umsetzung der Empfehlungen, die die Österreich Werbung (ÖW) in ihrer Studie „Wissenschaft des Winters“ gibt. Dort spricht man von Inszenierung des Winters, der Erschaffung eines wohlig anheimelnden Ambientes. Weil der Skilauf alleine nicht mehr Attraktion genug sei, auch und vor allem für deutsche Gäste, der in Tirol nach wie vor nächtigungsstärksten Gästegruppe. Die Studie war Ausgangspunkt für unsere Kurzserie „Was wünscht sich der deutsche Wintergast?“. Ziemlich exakt bildete sich die von der ÖW erstellte Expertise in der Interviewreihe am „historischen“ Hamburger Weihnachtsmarkt ab. Skifahren steht für viele, um genau zu sein für den Großteil der Deutschen, nicht an erster Stelle des winterlichen Urlaubsvergnügens. Neben dem Urlaub im eigenen Land, der weite Anfahrtswege erspart, sind nach wie vor Fernreisen in warme Gefilde Hauptkonkurrenten für alpine Destinationen. Dies auch wegen der Kosten, die viele zu gewärtigen haben, wenn sie einen Skiurlaub ins Kalkül ziehen. Eine weitere Hürde stellt dar, dass viele mit Skifahren selbst als Kinder und Jugendliche nicht in Kontakt gekommen sind. Wie wichtig begeisternde Erlebnisse sein können, zeigte sich in dem Interview mit Martin Neumann, Schulleiter einer Hamburger Berufsschule. Jugendliche Auszubildende für Skireisen zu begeistern, so wie es an dieser Schule nicht nur die Lehrkräfte sondern auch ehemalige Schüler tun, ist eine der wichtigsten Faktoren für eine nachhaltige und zukunftsorientierte Gästebindung. Skifahren als rein exklusives Wintervergnügen nur für finanziell potente Kundschaft zu betrachten, verhindert den Zugang für viele. Nicht nur eines der geführten Gespräche zeigte, wer als Kind oder Jugendlicher noch nie auf Skiern stand, wird dann, wenn er vielleicht über die finanziellen Mittel verfügt, nur noch schwer dafür einzunehmen sein. Wie sich auch am Beispiel der Zahnärztin Hilke Diestel zeigte. Sie erhielt die Möglichkeit zu den ersten Skireisen dank eines Schleswig-Holsteinischen Sportvereins, der ähnlich wie Martin Neumanns Schule über einen eigenen Skifundus verfügte. Der kostengünstige Erstkontakt ist wichtig, auch und besonders für Gebiete, die aufgrund von Lage wie technischer Ausstattung nicht mit Großressorts wie Sölden oder Ischgl konkurrieren können. Auffällig war in allen Gesprächen, wie wenig bekannt der Name „Osttirol“ war. In Jürgen Nilles erfreulichem Leserbrief spiegelt sich wider, das dem Fisch und nicht dem Angler der Köder schmecken muss. Die geographische Zuordnung fällt schwer. Der Aufwand, der zur Etablierung des Namens Osttirol betrieben wird, ist groß. Erwähne ich etwa in Gesprächen den Großglockner oder die Dolomiten, so weiß bald jeder, von welchem Gebiet ich spreche. Osttirol hingegen, so schade das ist, hat wenig Wiedererkennungswert.
Den Großglockner oder die Dolomiten kennt jedes Kind. Doch „Osttirol“ sagt deutschen Gästen wenig. Trotz aller Werbebemühungen. Foto: Expa/Groder
Der Teilzeit-Skilehrer Mario Gatterer, ein geborener Lienzer, strich die Wichtigkeit einer guten Fluganbindung für die Wintersportdestinationen Tirols heraus. Mehr und damit günstigere Flüge wünschte er sich. Er fliegt lieber, anders als Hilke Diestel, die dem Nachtzug den Vorzug gibt, während Martin Neumanns Skigruppen mit dem Bus anreisen. Wieder andere fahren mit dem Auto, auch um am Zielort flexibel zu sein.
Natürlich ist und bleibt die Anreise ein wichtiges Thema. Foto: Dolomitenstadt/Kiniger
Fliegen ist ein interessantes Thema. Innsbruck, Salzburg und Klagenfurt werden regelmäßig von Hamburg aus im Winter angeflogen. In der letzten Wintersaison wären laut Hamburger Lokalanzeiger 72.000 Passagiere mit rund 600 Flügen an diesen drei Zielflughäfen angekommen. Ich selbst habe die Flugreise nach Klagenfurt nur einmal wahrgenommen. Die darauffolgende Odyssee mit öffentlichen Verkehrsmitteln bis nach Sillian hat mich von einer Wiederholung des Abenteuers abgehalten. Für Gäste kann der Weg einfacher sein, wenn auch nicht unbedingt. Ich empfehle den virtuellen Selbstversuch mit dem Anreisemodul der Osttirol-Werbung. In allen Gesprächen zeichnete sich eine positive Bewertung des Urlaubslandes Österreich, der Alpen und von beeindruckenden Winterbildern ab. Es sind Bilder, die nicht immer mit der Eigenwahrnehmung der Bereisten, der Tiroler übereinstimmen müssen. Was nahe legt, dass die ÖW in „Wissenschaft des Winters“ den Nagel auf den Kopf trifft: Wer erfolgreich im Winter als Destination wachsen und Geld verdienen will, der muss den Winter inszenieren. Auch abseits der Skipisten.
Wer im Winter als Destination noch wachsen will, muss die kalte Jahreszeit inszenieren, auch abseits der Skipisten. Foto: Ramona Waldner
 
Dieser Beitrag beendet eine kurze Serie zum Thema: Was wünscht sich eigentlich der deutsche Wintergast? Dolomitenstadt-Autor Marcus G. Kiniger hörte sich dazu in seiner derzeitigen Heimatstadt Hamburg um.
Marcus G. Kiniger wurde 1969 in Wien geboren. Seine Familie kam 1976 nach Sillian, wo der gelernte Tourismuskaufmann und ambitionierte Musiker bis 2008 lebte, bevor er nach Hamburg übersiedelte. In Norddeutschland vertreibt Kiniger Produkte aus Tirol. Er schreibt für dolomitenstadt.at die Kolumne "Waterkantiges" und ist auch regelmäßiger Autor im DOLOMITENSTADT-Printmagazin.

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