Etty: Das berührende Erfolgsstück kommt nach Lienz
Die szenische Lesung aus Etty Hillesums Tagebüchern war in Linz eineinhalb Jahre ausverkauft.
„Die Erinnerungen der Anne Frank gingen um die Welt. Im Gegensatz dazu war das Tagebuch der jungen Etty Hillesum bis vor wenigen Jahren unbekannt – obwohl es nicht weniger bedeutsam ist.“ So beschreibt Gideon Greif von Yad Vashem die 700 Tagebuchseiten einer jungen holländischen Frau, die im Konzentrationslager starb. Ihr literarisches Vermächtnis ist voll Erotik, Spiritualität, intellektueller Leidenschaft und jüdischem Humor. Der Regisseur und Psychotherapeut Johannes Neuhauser entwickelte daraus eine verdichtete Fassung, die ein Schauspielteam des Linzer Landestheaters als eindringliche und faszinierende „szenische Lesung“ präsentiert. In Linz war das Stück – das am 22. November in Lienz gezeigt wird – eineinhalb Jahre lang ausverkauft.
Das Publikum erlebt Bettina Buchholz als Etty, eine junge, hochgebildete, niederländische Jüdin und Lehrerin, die auf Anraten ihres Psychotherapeuten und späteren Geliebten ihr Denken und Leben in Amsterdam zwischen 1940 und 1943 in einem Tagebuch festhält. Eine mögliche wissenschaftliche oder pädagogische Karriere war ihr durch die Rassegesetze der Deutschen, die 1940 die Niederlande besetzten, verwehrt. Bis zum Letzten solidarisch mit ihrem Volk, schloss sich Etty Hillesum freiwillig den ins Transitlager Westerbork deportierten Juden an. Über ein Jahr arbeitete sie dort im Krankenhaus, verbreitete Hoffnung und trotzige Fröhlichkeit. Mit ihren Aufzeichnungen wurde sie zu einer Chronistin des Schreckens, die „Pflaster auf vielen Wunden“ sein wollte. In unbefangenen Gesprächen mit einem rätselhaften Gott verlor sie nicht den Glauben an seine Güte und an das Gute im Menschen.
Etty Hillesums Leben endete am 30. November 1943 in den Gaskammern von Auschwitz. In ihrem Tagebuch steht dennoch nicht die Shoah, der nationalsozialistische Völkermord an den Juden, im Mittelpunkt. Es geht vielmehr um eine junge Frau, die leidenschaftlich liebt und lebt, und so zu einer tiefen Menschlichkeit vorstößt. Die Kritik reagierte begeistert auf das Stück: „Etty hat ihre sprudelnde Sexualität mit Spiritualität verbunden. Bettina Buchholz liest und spielt eine hinreißende Etty.“ (Ö1) „Trotzdem: Hoffnung und Humor bis zuletzt.“ (OÖ Nachrichten) „Literarisch schöne Texte, frei von Pathos und Belehrung. Haften bleibt die erschreckende Aktualität mancher Szenen.“ (Volksblatt).
Das Theaterprojekt nimmt bewusst auch Bezug auf die Rolle österreichischer NS-Schergen, die zu den größten Kriegsverbrechern in den Niederlanden zählten. Unter ihnen war mit Wilhelm Harster auch ein Tiroler. Der SS-Gruppenführer und Generalleutnant baute nach dem „Anschluss Österreichs“ die Gestapo Tirol auf und war von März 1938 bis November 1939 deren erster Leiter. Er deckte unter anderem Morde an Juden rund um die Reichspogromnacht in Innsbruck. Ab Sommer 1940 war Harster Befehlshaber der Sicherheitspolizei in den Niederlanden und somit für die Ermordung von über 100.000 holländischen Juden mitverantwortlich, unter ihnen Anne Frank und Etty Hillesum.
Drei Spieltermine in Tirol:
Mittwoch, 22. November, Kolpingbühne in Lienz
Vorverkauf: Pfarramt Hl. Familie (Andreas-Hofer-Straße 42), Bildungshaus Osttirol (Kärntnerstraße 42), Reisebüro Bundschuh (Hauptplatz 5)
Donnerstag, 23. November 2017 in der Werkstätte Wattens, Weissgasse 9
Vorverkauf: Pfarramt Wattens (Höraltstraße 2), Eis Café Restaurant Kiwi (Marienplatz 8)
Freitag, 24. November im Haus der Begegnung in Innsbruck
Vorverkauf: Diözesanhaus (Riedgasse 9), Haus der Begegnung
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