Den folgenden jungen Mann kenne ich schon beinahe mein ganzes Leben, sind wir doch gemeinsam über den selben Boden im Kindergarten gekrabbelt. Noch aus der Volksschulzeit ist mir in Erinnerung geblieben, dass der heute 21-Jährige eines der hellsten Köpfchen unserer Schulzeit war − und dieser Umstand scheint sich nicht geändert zu haben.
Aktuell studiert er nämlich im dritten Semester "Sichere Informationssysteme" an der oberösterreichischen Fachhochschule Hagenberg. Dass dies ein anspruchsvolles Studium ist, zeigt sich bereits am Aufnahmeverfahren. Als einer von knapp hundert Bewerbern ergatterte er einen der 40 Studienplätze. "Man muss schon gut vorbereitet sein. Es wird erwartet, dass man besonders über die FH und die Studieninhalte gut Bescheid weiß!"
Schon seit seiner Schulzeit an der HTL Lienz interessiert sich Philipp sehr für Informatik. Da er auf seiner Suche nach vertiefenden Informatik-Bachelorstudien auf den Universitäten nichts Passendes gefunden hat, hörte er auf den Ruf der Hochschule und die Erfahrungen einiger Verwandter. Nach dem Besuch eines Tages der offenen Tür war der Entschluss gefasst, nach Oberösterreich zu gehen.
Was ist nun das Faszinierendste an diesem Studium? Philipp lachend: "Das Hacken! Also eigentlich die Maßnahmen, wie man sich beruflich und privat vor Hackerangriffen schützt." In der Ausbildung werden die Studenten selbst zu Eindringlingen in von den Professoren gebauten Systemen, um die Vorgänge zu verstehen. Generell gehören aber auch Themen wie Datenschutz, Verschlüsselung oder die neuen Technologien zu seinen Interessensgebieten.
Dass ihm das Studieren gefällt, sieht man an seiner Ausstrahlung während er erzählt. "Ich kann genau das machen, was mir gefällt! Die 'unwichtigen' Fächer wie in der Schulzeit gibt es nicht mehr." Das steigert seine Motivation und dementsprechend sehen auch seine Noten aus. "Das Lernen ist nicht mehr unbedingt ein Hindernis, ich tue es freiwillig und teilweise auch in meiner Freizeit." Auch den FH-typischen, familiären Umgang mit den Lehrkräften schätzt Philipp sehr. Dort spricht man diese meist mit Vornamen und ohne das sonst obligatorische "Professor" an und erhalte auch dementsprechend mehr Wertschätzung.
Was er mit seiner Ausbildung anfangen will, weiß er noch nicht. Jedenfalls stehen ihm alle Türen offen. Es gibt nur wenige Absolventen pro Jahr, auch weil einige Studenten schon während der sechs Semester zum Bachelor ausscheiden. Laut Philipp werden Fachkräfte besonders im Wirtschaftssektor dringend gebraucht. Sie könnten in Konzernen und Unternehmen sowohl organisatorisch − also durch Information und Schulungen − aber auch technisch tätig sein, immer mit der Sicherheit der Unternehmens-IT im Fokus.
Philipp plant, seinem Bachelor- noch ein Masterstudium anzuhängen, das weitere vier Semester dauern würde. Wo er dann hingeht, kann er sich aussuchen. "Mal sehen wo es mich hinzieht und wo ich arbeiten werde − in welcher Firma, in welchem Land." Und was wären Kriterien dafür? An erster Stelle steht ganz klar der Job, der ihm gefallen muss. Aber auch das Land sollte seinen Reiz haben. "Ich bin nicht gebunden, ich sehe mich als keinen 'echten Tiroler'. Zumindest bin ich kein Patriot."
Dementsprechend leicht ist ihm auch der Abschied aus Kartitsch gefallen, auch weil es für Philipp von vornherein klar war, dass er nach der Matura studieren will. Das alles hat er als seinen "sozialen Neustart" gesehen, hat sich im Mühlviertel einen neuen Freundeskreis aufgebaut. Anfangs wohnte er in einem Studentenheim und knüpfte erste Kontakte. Anschließend ist er in eine WG umgezogen. Infrastrukturell unterscheidet sich Hagenberg nicht sonderlich vom Osttiroler Bergdorf. "Von einem 'Kaff' ins nächste – das bin ich schon gewohnt", lacht er.
Wie es auch für Osttirol üblich ist, sind die Verkehrsanbindungen in seiner neuen Umgebung verbesserungswürdig. Eine Heimfahrt nach Tirol würde bis zu acht Stunden in Anspruch nehmen. Da besucht er lieber − und auch öfter − seine Verwandten, die nur eine Stunde Busfahrt entfernt im selben Bundesland leben. Wenn er aber einmal den Weg ins Elternhaus findet, lässt er sich liebend gern bekochen und genießt die Freizeit zuhause.
Eine endgültige Rückkehr nach Osttirol schließt Philipp aber weitgehend aus: "Beruflich wird das nicht möglich sein, weil es in Osttirol − zumindest noch − nichts gibt, wo ich arbeiten könnte." Aber selbst wenn es die Möglichkeit geben würde, würde er der Heimat wohl dennoch fernbleiben.
Im Anschluss an das Interview habe ich mir noch seine Expertenmeinung bezüglich der Entwicklung von Social Media eingeholt. Es ist ein riesiges Themengebiet, das von nahezu jedem genutzt wird und dessen Gefahren oft unterschätzt werden.
Philipp: "Ich stehe dieser Entwicklung skeptisch gegenüber. Soziale Netzwerke sind heutzutage wichtig, keine Frage. Aber weil User jegliche Informationen aus Beruf und Privatleben posten, wird die Privatsphäre immer kleiner und sie selbst zum leichten Ziel von Kriminellen (Hacking-Angriffe auf Menschen − Stichwort Social Engineering). Dann kommen noch die Algorithmen von den Internetgiganten Facebook, Google usw. dazu und die buchstäbliche Filterblase, in der man sich befindet. Leute sehen nur mehr das, was sie sehen wollen, Gegenargumente werden ausgeblendet. Besonders war das im Wahlkampf zu beobachten und da wir in einer Demokratie leben, wirkt sich das spürbar auf alle aus."
In der Serie „Heimweh?“ porträtieren wir junge Menschen aus Osttirol, die außerhalb des Bezirkes studieren oder eine andere Ausbildung absolvieren.
Keine Postings
Sie müssen angemeldet sein, um ein Posting zu verfassen.
Anmelden oder Registrieren