Es ist eine ungewohnte Situation für Mario Gietl und mich, als wir uns in einem Innsbrucker Café treffen, um uns gegenseitig zu interviewen. Als Dolomitenstadt-Autoren standen wir beide bisher immer hinter dem Mikrofon. Nichtsdestotrotz sind wir Studenten und passen somit genau in das Konzept unserer Heimweh-Serie. Bei einer Tasse Kaffee sitzen wir uns also gegenüber und schlüpfen abwechselnd in die Rolle des Interviewten. Zunächst steht mir Mario Rede und Antwort.
Der 20-jährige Sillianer studiert bereits im fünften Semester Psychologie und – damit nicht genug – begann in diesem Semester auch noch ein Medizinstudium. Für beide Studien musste er sich in den bekanntlich schwierigen Aufnahmetests gegen breite Konkurrenz durchsetzen. So etwa kämpften bei Psychologie rund 1.400 Bewerber um nur 200 Plätze, bei Medizin sah es ähnlich aus. Davon unbeeindruckt, ergatterte Mario bei beiden Tests gleich auf Anhieb einen der begehrten Plätze.
Auf die Idee, zusätzlich auch noch Medizin zu studieren, kam der Sillianer bei einem vierwöchigen Praktikum im Bezirkskrankenhaus Lienz. Dort schnupperte er in den Bereichen Psychiatrie, Neurologie und neuropsychologische Diagnostik etwas Praxisluft.
Genauso wie mich hat es auch Mario zum Studium nach Innsbruck verschlagen. Dabei war die Nähe zur Heimat Osttirol ein entscheidender Faktor. Im Sommer gibt der sportliche Sillianer dort nämlich Tenniskurse und spielt bei Meisterschaften mit. Mittlerweile kann er weitere Gründe für ein Studium in Innsbruck nennen. „Mir gefällt total gut, dass Winter wirklich Winter ist, es gibt Schnee. Das erinnert halt schon an Osttirol“, meint er in Vorfreude auf die kalte Jahreszeit. Auch für die Stadt selbst und die Innsbrucker findet Mario lobende Worte. Da seine Schwester zugleich mit ihm in die Landeshauptstadt zog, fand er sich schnell zurecht. Hinzu kam, dass Mario in einem Studentenheim wohnt und dort rasch Anschluss fand.
Gelegentliche Heimreisen lassen auch kein Heimweh aufkommen. Denkt Mario in Innsbruck an Osttirol, löst das unterschiedliche Assoziationen aus: „Jetzt kann ich nicht Schlipfkrapfen sagen!“, antwortet er schmunzelnd auf meine Frage. Hauptsächlich denkt er an die Natur, die Kleinräumigkeit, teilweise aber auch an die Engstirnigkeit. „In der Stadt sind die Leute viel offener. Es wird mit verschiedenen Themen ganz anders umgegangen“, meint der Sillianer und wünscht sich, dass in Zukunft auch auf dem Land ein derartiges Umdenken stattfindet. Ansonsten würde er an Osttirol nicht allzu viel verändern. „Ich würde mir vielleicht wünschen, dass im Winter wieder einmal etwas mehr Schnee kommt.“
Für die Zeit nach dem Studium hat der 20-Jährige bereits konkrete Vorstellungen. So würden ihn die Gerichtsmedizin, die Psychiatrie und die Forschung interessieren. Festlegen will er sich nicht. Es stehen ihm schließlich noch einige Jahre an Studium bevor. Bei Medizin sind dies zumindest zehn Semester, danach folgt das klinisch-praktische Jahr, in welchem man bereits an der Klinik arbeitet. Anschließend benötigt man in Österreich noch einen neunmonatigen Turnus, um dann endgültig in das Berufsleben einsteigen zu können.
Als ich Mario gegen Ende des Interviews die Frage aller Fragen stelle, nämlich: „Kannst du dir vorstellen, irgendwann nach Osttirol zurückzukehren?“, überrascht er mich. Bisher lautete der Tenor meistens: „Ja irgendwann schon, aber nicht sofort.“ Im Gegensatz dazu weiß der 20-jährige Sillianer nicht, ob er überhaupt je zurückkehren möchte. Er gibt aber auch zu, dass sich seine Meinung jederzeit wieder ändern kann. Derzeit genießt er das Stadtleben in vollen Zügen. „Ich bin gern in der Stadt. Ich bin gern unter vielen Leuten und die Jobmöglichkeiten sind sowieso besser“, bringt es Mario abschließend auf den Punkt.
In der Serie „Heimweh?“ porträtieren wir junge Menschen aus Osttirol, die außerhalb des Bezirkes studieren oder eine andere Ausbildung absolvieren.
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