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„Ich bin in einer großen Stadt besser aufgehoben.“

Interview mit Sebastian Kieberl. Der 20-Jährige studiert Zahnmedizin in Würzburg.

Sebastian Kieberl stammt aus Lienz, ist 20 Jahre alt, studiert in Deutschland und kommt nur selten nach Osttirol. Mit ihm haben wir ein Interview über Umwege geführt. Meine Kollegin Clara Schneeberger stellte die Fragen, ich hörte mir seine Antworten an und schrieb sie nieder. Hier erzählt der junge Lienzer also von seinem Studium:

Was studierst du?
Ich studiere Zahnmedizin in Würzburg.

Wie lang dauert dein Studium?
(Lacht) Da muss ich erstmal nachschauen – nicht, dass ich etwas Falsches erzähle. Das Studium dauert insgesamt zehn Semester – fünf Semester vorklinischer Abschnitt und dann nochmal fünf Semester klinischer Abschnitt. Im vorklinischen Teil haben wir Fächer wie Physik, Chemie und Biologie. Im klinischen Teil wird es dann mehr ums Medizinische gehen.

Was gefällt dir an deinem Studium besonders?
Im Moment ist das noch schwer zu sagen – ich freue mich aber besonders auf den klinischen Abschnitt. Aber der Grund warum ich das Studium mache ist vor allem, weil ich mir davon eine anspruchsvolle, abwechslungsreiche und spannende Arbeit erwarte. Ich finde es sehr interessant, mehr über den menschlichen Körper zu erfahren und im Endeffekt ist Menschen zu heilen eine gute Arbeit, an der ich Freude haben werde.

Gab es für dein Studium ein Aufnahmeverfahren?
Prinzipiell sind in Deutschland alle Studiengänge für Human- und Zahnmedizin zugangsbeschränkt. Es gibt aber nicht wie in Österreich eine Aufnahmeprüfung, sondern in erster Linie zählt die Durchschnittsnote aus dem Zeugnis. In meinem Fall – ich war beim ersten Durchgang der Zentralmatura dabei – zählte dabei nur das Maturazeugnis. Das schickt man an eine Agentur, die alle Uni-Anmeldungen in Deutschland zentral regelt. Die berechnet deine Durchschnittsnote, mit der man sich bei insgesamt fünf verschiedenen Unis bewerben kann.

Die Unis ordnet man nach Präferenzen und jede Uni hat dann nochmal eigene Auswahlkriterien – Würzburg zum Beispiel verteilt 0,1 Bonus auf die Durchschnittsnote, wenn man Zivildienst geleistet hat. Mit einer guten Durchschnittsnote (1,0 bis 1,5) bekommt man auch ziemlich sicher einen Platz, über 2,0 wird es schwierig, dann muss man einige Semester warten. Ich habe in der Matura recht gut abgeschnitten und es deshalb gleich geschafft.

Warum hast du dich für Würzburg entschieden?
Dass ich hier gelandet bin, war eher ein Zufall. Ich hab mir gedacht, wenn ich schon nach Deutschland gehe, ist es eigentlich auch egal wohin. Bei Würzburg hatte ich mir die besten Chancen ausgerechnet, aufgenommen zu werden, und es auf meiner Ortspräferenzen-Liste an erster Stelle gereiht. Was ich nicht wusste: Wenn man von einer Uni aufgenommen wird, ist man bei den anderen Universitäten, die auf der Präferenzen-Liste weiter unten gereiht sind, sofort raus – also musste ich dann nach Würzburg, obwohl mich zum Beispiel auch die Uni München und andere Unis genommen hätten. Mittlerweile gefällt es mir hier aber ganz gut.

Was magst du besonders an Würzburg – was ist der Unterschied zu Lienz?
Der größte Unterschied zu Lienz ist wahrscheinlich, dass es keine Berge gibt. Ich bin aber nicht so der Bergsteiger, deshalb macht mir das nicht so viel aus. Mit dem Main und den Weinbergen hat Würzburg auch viel Grün und ist ein nettes kleines Städtchen. Es ist aber ziemlich ruhig hier – ohne die Studenten wäre gar nichts los. An den fränkischen Dialekt musste ich mich auch erst einmal gewöhnen – aber man versteht mich und ich verstehe die anderen. Also alles im grünen Bereich.

Ein Unterschied, der mir auch aufgefallen ist: Ich finde, die Deutschen haben eine etwas andere Arbeitsmoral als die Österreicher. Ich bemerke manchmal, dass ich mehr jammere und vieles anstrengender finde. Viele meiner Mitstudenten mussten jahrelang auf den Studienplatz warten, die wissen das auf eine ganz andere Weise zu schätzen. Aber bitte nicht falsch verstehen: Ich bin natürlich auch wirklich glücklich, dass ich den Studienplatz bekommen habe.

Sebastian Kieberl, porträtiert von Linda Steiner.

Wie war der Abschied von Osttirol und der Schritt in ein neues, selbstständiges Leben für dich?
Dazu muss ich sagen, das war nicht mein erster Abschied aus Osttirol. Bevor ich nach Deutschland ging, habe ich bereits ein Semester lang in Wien Pharmazie und Politikwissenschaften studiert. Nach der Matura und dem Zivildienst war ich eigentlich relativ froh, einmal woanders hinzukommen.

Bist du noch oft zuhause?
Ich schätze es sehr, nach Osttirol zurückzukommen und Zeit mit meiner Familie zu verbringen, aber ich fahre nicht oft nach Hause. Ich finde, es lohnt sich auch nur, wenn ich wirklich genug Zeit habe – also eigentlich nur zu Weihnachten, in den Semesterferien oder im Sommer. Für ein Wochenende wäre mir da der Weg zu weit. Wenn ich dann eine Zeit lang hier war, merke ich aber auch, dass es mir wieder reicht.

Hast du schnell Anschluss in der neuen Stadt gefunden?
Ich habe ja, wie schon erwähnt, auch schon in Wien studiert. Die meisten Vorlesungen fanden dabei im riesigen Audimax-Hörsaal vor 700 Leuten statt. Da war es wirklich schwierig, neue Leute kennenzulernen. Außerdem kam ich da schon ein bisschen ins gemachte Nest – meine Geschwister und viele Freunde von mir sind nämlich auch in Wien.

In Würzburg war ich hingegen komplett auf mich allein gestellt. Und weil es vielen anderen genauso ging und die Leute recht aufgeschlossen sind, ging das mit dem Anschluss finden wirklich schnell. Die Zahn- und Humanmediziner organisieren am Anfang des Studiums „Ersti-Tage“ zum Kennenlernen. Dabei habe ich wirklich viele Leute kennen gelernt – sogar meinen Mitbewohner. In unserer Studiengang-Whatsappgruppe war mir schon vorher eine zweite Österreichische Nummer aufgefallen. Der Besitzer dieser Nummer war auch bei den „Ersti-Tagen“ unterwegs, wir kamen ins Gespräch und ich fand heraus, dass er gerade auf Wohnungssuche war. Ich war zu dieser Zeit in einem Studentenheim, das leider ziemlich furchtbar war – so beschlossen wir ziemlich schnell, gemeinsam in eine WG zu ziehen.

Durch den kleinen Studiengang entsteht auch irgendwie ein Klassenfeeling, ich kenne in den Vorlesungen fast alle Leute, und es finden sich die, die sich gut verstehen.

Hast du schon Vorstellungen, wie dein beruflicher Weg nach deinem Studium aussehen wird?
Bei Zahnmedizin ist das eigentlich vorprogrammiert: Ich werde höchstwahrscheinlich als Zahnarzt arbeiten. Es gibt auch noch Zusatzausbildungen, die man nach dem Studium machen kann, hier würde mich zum Beispiel Oralchirurgie interessieren. Wenn alles gut läuft, würde ich schlussendlich gern eine eigene Praxis eröffnen.

Hast du noch einen starken Bezug zu Osttirol?
Ich glaube, ich werde immer einen Bezug zu Osttirol haben, weil ich hier geboren und aufgewachsen bin. Außerdem sind auch meine Eltern, zu denen ich ein gutes Verhältnis habe und mit denen ich gern Zeit verbringe, hier, dann noch meine Onkel und Tanten. Also sind in Lienz ziemlich viele Leute, die ich gern habe und zu besonderen Anlässen, wie Weihnachten, trifft man sich. Das wird auch immer ein Teil meines Lebens bleiben.

In Lienz selbst hat sich aber irgendwie viel verändert und vieles, was ich gekannt habe, ist nicht mehr da. Das Joy hat zugesperrt – für mich die größte Tragödie überhaupt – und irgendwie weiß ich gar nicht mehr, was die jungen Leute hier so machen. Wenn man einmal weg ist, ist man nicht mehr so drin, wie man es einmal war.

Insgesamt würde ich sagen, ich komme gern nach Hause und bin für eine gewisse Zeit da, aber mein Lebensmittelpunkt ist nicht mehr in Lienz.

Kannst du dir vorstellen, wieder nach Osttirol zurückzukommen?
Prinzipiell vielleicht schon – aber jetzt gerade nicht. Ich sehe mich nicht so im Landleben. Zu Besuch komme ich wirklich gern, ich mag die Natur und Osttirol ist ein schöner Fleck. Wenn man zum Beispiel einen Partner und Kinder hat, ist das sicher schön. Ob es für mich was ist, kann ich echt noch nicht sagen. Ich bin ja noch jung, vielleicht habe ich ja mit 30 oder 35 keine Lust mehr auf die Stadt. Ich finde aber, ich bin in einer großen Stadt, am liebsten in Wien, besser aufgehoben – da habe ich mehr Freiheit und auch Anonymität.


In der Serie „Heimweh?“ porträtieren wir junge Menschen aus Osttirol, die außerhalb des Bezirkes studieren oder eine andere Ausbildung absolvieren.

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