Tobias Berger ist 20 Jahre alt und hat sein drittes Semester im Fach Politikwissenschaften an der Uni Wien beendet. Gleich zu Ferienbeginn, gerade zu Besuch in unserer gemeinsamen Heimatgemeinde Prägraten, hat er sich die Zeit für ein Interview genommen und plaudert mit mir über sein Studium. „Als ich mit der Schule fertig war, hab ich erst ein Semester lang BWL studiert“, erzählt Tobias und lacht. „Das hab ich mir aber gleich anders überlegt.“
Schnell bemerkte er nämlich, dass ihn ein anderes Gebiet weit mehr interessiert und so kam es, dass er nach seinem ersten Semester den Studiengang wechselte. Was ihn so an den Politikwissenschaften fasziniert? „Wir lernen nicht nur ein bestimmtes Fach, sondern es geht vor allem um Zusammenhänge: In welchen Verhältnissen leben wir und warum und wie beeinflusst Macht diese Verhältnisse – wir lernen unser System kennen.“
Dass es zum Studieren in die Bundeshauptstadt gehen sollte, war für Tobias schnell klar. „Wien ist einfach die einzige richtig große Stadt in Österreich.“ Nachdem der junge Prägratner bereits sein vorletztes Schuljahr fernab der Heimat – nämlich in Reconquista, Argentinien, absolviert hatte, war die Lust, wieder etwas Neues zu erleben und auch wieder neue Leute kennenzulernen, in ihm geweckt. Innsbruck kam dafür nicht in Frage. „Ich glaube, dass man dort jeden Tag jemandem über den Weg läuft, den man schon kennt“, erklärt er.
Inzwischen hat er sich gut eingelebt und bereut seine Entscheidung, nach Wien zu gehen keine Sekunde lang. Als ich Tobias frage, was an Wien er besonders zu schätzen weiß, muss er nicht lange nachdenken und reiht sich mit seiner Antwort nahtlos in die Antworten vieler Heimweh-Kandidaten der letzten Monate ein. Natürlich spricht er von den Öffentlichen Verkehrsmitteln, die die Wiener Bevölkerung im Minutentakt von A nach B bringen. „Außerdem ist mehr los, es gibt viel mehr Möglichkeiten zum Ausgehen und wenn in Österreich etwas Wichtiges passiert, dann ist man in Wien immer hautnah dabei.“
Trotzdem gibt es auch in Osttirol einiges, das Tobias auf keinen Fall missen möchte. Er beschreibt es so: „Wenn ich in Wien vor die Tür gehe, stehe ich in einer Betonwüste. Gehe ich aber in Prägraten vor die Tür, stehe ich erst im Garten und wenn ich weitergehe, bin ich im Wald oder in den Bergen, bei meinen Freunden oder bei meiner Oma. Alle sind gleich in der Nähe.“ Und deshalb zieht es Tobias doch manchmal wieder nach Hause zurück. Ungefähr einmal im Monat ist er zu Besuch in Prägraten, verbringt Zeit mit seiner Familie oder unternimmt etwas mit alten Freunden. Im Sommer ist er meist an einem besonders schönen Fleckchen Osttirols anzutreffen – dann genießt er das Bergpanorama hoch über Prägraten auf der Bergerseehütte, die von seiner Familie betrieben wird.
Wohin es ihn letztendlich verschlagen wird, weiß Tobias heute noch nicht. „Nach dem Bachelor möchte ich auf jeden Fall noch weiterstudieren und den Master machen“, erzählt er. In die Politik will er aber nicht gehen – wie übrigens auch sonst die Wenigsten aus seinem Studiengang. Tatsächlich sei es eher ein weit verbreiteter Irrglaube, dass Studenten der Politikwissenschaften nach ihrem Abschluss selbst Politiker werden. „In Wirklichkeit arbeiten Politikwissenschaftler oft bei NGOs, Internationalen Organisationen, Behörden oder Zeitungen. Diese Arbeit kann sich Tobias auch für seine eigene Zukunft gut vorstellen.
Wo wir schon bei Zukunftsplänen sind – ob Tobias wohl vorhat, ganz nach Osttirol zurückzukehren? „Vielleicht irgendwann einmal“, antwortet er und meint damit eher seine späteren Lebensjahre. „Ich glaube nicht, dass es für mich besonders einfach wäre, hier eine Arbeit zu finden“, erklärt er und setzt hinzu: „Ideal für mich wäre eine Ferienwohnung in Prägraten, dann könnte ich immer wieder einmal für ein paar Wochen zu Besuch kommen. Auf Dauer hier zu leben, wäre mir aber vielleicht zu langweilig.“ Tobias sieht seine Zukunft eher in einer Stadt: „Dort hat man einfach mehr Möglichkeiten.“
In der Serie „Heimweh?“ porträtieren wir junge Menschen aus Osttirol, die außerhalb des Bezirkes studieren oder eine andere Ausbildung absolvieren. Du studierst oder machst eine andere Ausbildung außerhalb Osttirols? Wir porträtieren dich! Schicke uns ein paar Zeilen über dich an redaktion@dolomitenstadt.at und eine(r) unserer jungen Redakteure bzw. Redakteurinnen wird sich melden.
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