Zu einem Konsens kam es zunächst in Kärnten, das 1981 erste Gebiete zum Nationalpark erklärte und 1984 zog Salzburg nach. Als besonders zäh stellten sich die Verhandlungen in Tirol heraus, wo mehrere Faktoren für Konflikte sorgten. Großprojekte, wie etwa Wasserkraftwerke oder Gletscherskigebiete, standen dem geplanten Nationalpark gegenüber. Hinzu kam der Widerstand von einzelnen Gemeinden und Grundbesitzern. Viel Überzeugungsarbeit war nötig.
Wandert man heute in das Kalser Dorfertal, so wird man durch Infotafeln des Nationalparks daran erinnert, dass hier einmal ein Großkraftwerk entstehen sollte. Bereits in den späten 1930er Jahren gab es konkrete Pläne für die energiewirtschaftliche Nutzung der Gewässer im heutigen Osttiroler Nationalparkgebiet. Sieben Speicherseen, je zwei im Defereggen-, Gschlöß- und Virgental und eines im Kalser Dorfertal sollten entstehen.
Über die Jahrzehnte hinweg wurden diese Pläne immer mehr verkleinert, der geplante Kalser Stausee blieb aber bis zuletzt im Programm. Dort stießen diese Bemühungen auf massiven Widerstand der Einheimischen, angeführt von den heute legendären „Kalser Frauen“. In einer 1987 durchgeführten Volksbefragung entschied sich die Glocknergemeinde mit einer Mehrheit von 63 Prozent gegen das Projekt. Im Jahr 1989 verkündete schließlich der damalige Wirtschaftsminister Robert Graf das endgültige Aus für das Dorfertal-Kraftwerk.
Neben energiewirtschaftlichen Projekten gab es seit den 1960er-Jahren auch Pläne zur skitouristischen Erschließung der Gletscher im Bereich des heutigen Nationalparks. Drei Großprojekte im Gebiet von Großglockner, Großvenediger und Staller Sattel standen zur Debatte. Dabei waren etwa eine Straßenverbindung zwischen Kals und der Großglockner Hochalpenstraße oder eine Seilbahn auf die 3.329 Meter hohe Kristallwand im Venedigergebiet im Gespräch.
Die jeweiligen Gemeinden sowie Teile deren Bevölkerung sahen in solchen Projekten ein touristisches Potenzial für die Region. Der Nationalpark, der im Interessenskonflikt mit den Erschließungsplänen stand, wurde daher bei vielen skeptisch betrachtet und nahezu als Feind der regionalen Entwicklung gesehen. Damals ahnte man noch nicht, dass der Nationalpark selbst enormes Potenzial für die Region mit sich bringen würde. Da die Gletschererschließungen allerdings durch die oben erwähnten Wasserkraftwerke finanziert werden sollten, bedeutete das Ende der Kraftwerkspläne auch das Scheitern der Gletscherskigebiete.
Nach diesen Entwicklungen kam es schließlich auch zu einem Umdenken im Tiroler Landtag, in dessen Sitzung vom 5. Juli 1989 die Landesregierung mit der Ausarbeitung eines Nationalparkgesetzes beauftragt wurde. An dieser Gesetzeswerdung sollte die betroffene Bevölkerung aktiv mitarbeiten und so von der Idee des Nationalparks überzeugt werden. Eine zentrale Rolle spielte hierbei der damalige Landesrat und spätere Landeshauptmann-Stellvertreter Ferdinand Eberle, der durch die Gemeinden der Tauernregion zog und entscheidende Überzeugungsarbeit bei den Einheimischen leistete.
Über diese Verhandlungen haben wir bereits auf dolomitenstadt.at berichtet und damalige Protagonisten vor das Mikrofon gebeten. Nach diesen zähen aber fairen Verhandlungen war es schlussendlich möglich, am 9. Oktober 1991 im Landtag das Tiroler Nationalparkgesetz zu beschließen. Dieses trat mit 1. Jänner 1992 in Kraft. Deshalb feiert der Nationalpark Hohe Tauern Tirol heuer sein 25-jähriges Bestehen.
Dolomitenstadt.at nimmt ein Vierteljahrhundert Nationalpark in Osttirol zum Anlass für eine kleine Artikelserie über das Schutzgebiet.
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