Ich treffe mich mit Bernhard Grüner an einem sonnigen Frühsommertag in einem Park in Innsbruck. Wie sich herausstellt, ist es der perfekte Ort für unser Heimweh-Interview. Der 27-jährige Sillianer hat nämlich kurz vor unserem Gespräch sein Lehramtsstudium für Geographie und Physik erfolgreich beendet. Was zum Abschluss noch fehlt, sind lediglich die Formalitäten und ein Unterrichtspraktikum. Jenes will Bernhard in Wien absolvieren. Nach sieben Jahren in Innsbruck wird er nun die Stadt verlassen. Es schwingt also ein Stück Melancholie mit, als wir zwischen dem Zwitschern der Vögel und dem Rauschen der Sill über das Leben in Innsbruck philosophieren.
Doch nicht alles an Innsbruck ist so schön, wie diese idyllische Momentaufnahme: „Ich und Innsbruck, das ist ein bisschen eine Hassliebe. Ich kann nicht mit aber auch nicht ohne.“ Zwar gefällt ihm die Stadt und die Nähe zu den Bergen und der Natur, in die man schnell entkommen kann, doch sieht der Sillianer darin auch Nachteile. Für ihn wird die Stadt zu sehr in Richtung sportliche Adventure-City gehyped, in der aber das Kulturangebot zu kurz kommt.
Es fehlt ihm mittlerweile auch ein wenig die Anonymität in der kleinräumigen Stadt, in der er nach sieben Jahren ständig auf bekannte Gesichter stößt. Für die Landeshauptstadt hat er sich ursprünglich hauptsächlich aufgrund der Nähe zu Osttirol entschieden, da er damals zu Hause Schlagzeug in einer Band spielte und quasi jedes Wochenende zum Proben heimkehrte. Mittlerweile haben sich diese Heimreisen stark reduziert, etwa alle drei Monate verschlägt es Bernhard nun nach Osttirol, denn trotz der obigen Kritikpunkte hat er sich gut in Innsbruck eingelebt.
Am Ende seines Lehramtsstudiums blickt der 27-Jährige gerne auf die Unizeit zurück: „Am Studium gefällt mir einfach die Freiheit, sich selbst Sachen, die einen interessieren zusammenzustöpseln und das kritische Denken, dass man nicht alles für bare Münze nimmt, Sachen in Frage stellt, reflektiert und so im Geiste ein bisschen erwachsener wird.“ Mit dem bevorstehenden Unterrichtspraktikum geht es für Bernhard nun in Richtung Berufsleben. Danach will er eine Zeit lang als Lehrer tätig sein, wobei noch unklar ist, ob er dauerhaft unterrichten möchte. „Ich will nicht so ein alter, verbitterter Lehrer werden, der irgendwann von sich selbst gelangweilt ist“, meint der Sillianer schmunzelnd.
Was er sich nicht vorstellen kann, ist an einer Schule im Bezirk Lienz zu unterrichten. In den nächsten 20 Jahren scheint eine Rückkehr nach Osttirol für den 27-Jährigen ohnehin unwahrscheinlich. Ähnlich wie bei den meisten unserer Heimweh-Kandidaten gibt es allerdings auch bei Bernhard den Wunsch, irgendwann, in ferner Zukunft, wieder in die Heimat zurückzukommen. Er findet nämlich, dass im Bezirk die Lebensqualität enorm hoch ist, was sich unter anderem in seiner Diplomarbeit bestätigt hat. Dort hat er sich am Beispiel von Ober- und Untertilliach angesehen, warum Menschen in die Region zuziehen.
Als ich Bernhard danach frage, ob er Heimweh hat, erhalte ich eine um einiges komplexere Antwort, als ich mir erwartet habe. Er hat nämlich durchaus ein bisschen Heimweh, nur nicht konkret auf Osttirol bezogen. Eher sehnt er sich nach einem Ort, an dem er sesshaft werden kann, den er quasi sein Zuhause nennen kann. „Es wäre schön in den nächsten fünf, sechs Jahren einen fixen Ort zu haben, wo man einfach bleibt. Ich glaube, das ist Heimweh. Wo dieses Zuhause dann ist, weiß ich noch nicht genau“, meint der 27-Jährige und fügt an „Es gibt, glaube ich, im Herzen drinnen nur einen Ort, wo man wirklich sein kann. Ich glaube, prinzipiell ist bei Menschen da nicht viel Platz für zwei Orte.“ Die Zeit wird zeigen, wo sich dieser Herzensort befindet und ob oder wann es Bernhard wieder nach Osttirol zieht.
In der Serie „Heimweh?“ porträtieren wir junge Menschen aus Osttirol, die außerhalb des Bezirkes studieren oder eine andere Ausbildung absolvieren. Du studierst oder machst eine andere Ausbildung außerhalb Osttirols? Wir porträtieren dich! Schicke uns ein paar Zeilen über dich an redaktion@dolomitenstadt.at und eine(r) unserer jungen Redakteure bzw. Redakteurinnen wird sich melden.
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