Anton Kröll ist Gärtner – und das nicht nur von Beruf, sondern mit Leib und Seele. Diesen Eindruck bekommt man jedenfalls, wenn man sich mit ihm unterhält. Der Prägratner, der in Lienz lebt und in Innsbruck arbeitet, legt sein Hauptaugenmerk auf regionale Nutzpflanzen und althergebrachte Methoden, die schon beinahe in Vergessenheit geraten sind. Seine Philosophie: so wenig wie möglich von Konzernen abhängig sein und so viel wie möglich selbst machen.
In diesem Zusammenhang gründete der 42-Jährige gemeinsam mit seiner Schwester Theresia und Erik Peyrer, einem „Zugereisten“, den Verein „Ackersegen“ – benannt nach einer alten, bei uns früher sehr gebräuchlichen Kartoffelsorte, die es heute aber kaum noch gibt. Durch die Abhängigkeit von Saatgutherstellern wird es nämlich immer schwieriger, an alte und exzellente Pflanzenarten zu gelangen. Ziel des Vereins ist die Weitergabe alten Wissens und Könnens einerseits, die Sicherung einer reichen Artenvielfalt und die Erhaltung eigenen Saatgutes andererseits. „Damit machen wir kein Geschäft, uns ist einfach wichtig, dass die Leute in der Region so viel wie möglich selbst machen und möglichst autark ein zufriedenes und erfülltes Leben haben. Und es ist wirklich höchste Eisenbahn, das Wissen weiterzugeben, Vieles ist schon verloren.“ Im Moment ruht der Verein allerdings. Anton, der sich gerade bei seiner Arbeit in der namhaften Innsbrucker Bio-Gärtnerei Seidemann noch mehr Wissen aneignet, fehlt dafür einfach die Zeit.
Mit einer bestimmten Pflanze kennt sich Anton besonders gut aus: der Kartoffel. „Für Kartoffeln interessiere ich mich, seit ich zehn Jahre alt war. Meine Mutter erzählte mir damals, dass wir früher auch rotschalige Kartoffeln gepflanzt haben. Ich selbst hatte noch nie welche gesehen. Noch am selben Tag fand ich aber im Geschäft tatsächlich ein Sackerl rote Erdäpfel. Ich kaufte es von meinem eigenen Taschengeld und setzte die Knollen in unserem Acker ein. Das war sozusagen meine Einstiegsdroge.“ Im Laufe der Zeit kamen immer mehr Sorten dazu, der Acker wurde bunter. Und seit 2001 setzt Anton speziell auf alte Sorten.
Für das alte Saatgut ist Anton weit gereist. „Gemeinsam mit einem Freund habe ich ganz Österreich abgeklappert und traf Leute, die kennen, was sonst keiner kennt.“ Kundige Menschen, die teilweise schon ein hohes Alter erreicht hatten, gaben alte Biosorten an Anton weiter, der diese dann selbst vermehrte. Auch Antons Familie erkannte bald, wie sehr ihm das Thema am Herzen liegt: „Zum Geburtstag oder zu Weihnachten bekomme ich immer alte Kartoffelsorten“, lacht der Tüftler, der für seine Leidenschaft auch schon manchen Spott erntete. Doch ihm ist das egal, er lässt sich nicht beirren.
Ungefähr vierzig Sorten werden am elterlichen Hof in Prägraten, den seine Schwester Theresia betreibt, gepflanzt. „Schon mein Vater wusste: Prägraten, eigentlich das gesamte Virgental, ist eines der besten Anbaugebiete für Erdäpfel. Man glaubt gar nicht, wie gut Pflanzen auch in größerer Höhenlage wachsen.“ Theresia kümmert sich vor allem um die Verarbeitung der Kartoffeln, die Aufzucht der Pflanzen hat Anton über.
Bevor die Kartoffeln überhaupt in die Erde kommen, ist noch einiges zu erledigen. Die Vorbereitungen fürs Kartoffelsetzen gehen bereits im Herbst los, wenn Ende September der Acker gedüngt wird. Anton benutzt dafür Bergschafmist – natürlich von Schafen aus Prägraten. Weiter geht es dann im Frühling bei absteigendem Mond. Nun wird der Acker gepflügt und Steinmehl oberflächlich auf der Erde angebracht. Es enthält viele Spurenelemente und wirkt als Bodenaktivator. „Steinmehl gehört unbedingt mehr verwendet“, ist Anton überzeugt – am besten anstelle des handelsüblichen Äquivalents.
Dann geht es los, gemeinsam mit ein paar Freunden werden jetzt Erdäpfel gesetzt. Ein Faden markiert, wo die Saatkartoffeln später hinkommen: In Zeilen, die ungefähr siebzig Zentimeter voneinander entfernt sind, werden im Abstand von vierzig Zentimetern die Setzlöcher gegraben. „So haben die Kartoffeln genug Platz – mehr Luft kommt in die Erde, sie trocknet besser aus und dadurch können wir Pilzerkrankungen vorbeugen“, erklärt Anton. Die Löcher werden mit einem so genannten „Strempfler“ gegraben – diese schweißtreibende Aufgabe übernehmen meist die Männer in der Runde.
Und noch immer sind die Kartoffeln nicht in der Erde. Vorher bekommen sie noch ein kleines Pölsterchen, denn die Setzlöcher werden mit jeweils einer Handvoll Schafwolle ausgekleidet. Sie dient als Dünger und Wasserspeicher. Wichtig: Die Wolle kommt von Tiroler Bergschafen, die im Herbst geschoren wurden – nachdem sie einen Sommer lang auf der Alm nur mit der Natur in Berührung waren. Dann folgt der letzte Schritt, bevor die Kartoffeln vergraben werden. Fünf Minuten lang werden sie in einem Gemisch aus Kompost, Wasser und Sauerkrautwasser eingeweicht. „Ich habe viel mit dieser Mischung experimentiert und schon mehrere Varianten ausprobiert. Wichtig sind die darin enthaltenen Milchsäurebakterien“, weiß Anton. Kommen die Erdäpfel aus dem Wasser, kriegen sie noch eine Ladung Steinmehl ab. Die nassen Knollen werden darin gewälzt, sozusagen damit paniert. „Das dient als Schutz und bringt noch zusätzliche Nährstoffe.“ Dann kommen die Kartoffeln endlich ins Loch, das mit Erde zugeschüttet wird.
Es dauert je nach Sorte eine Woche bis zu einem Monat, dann kommen die Pflänzchen heraus. Zweimal im Sommer wird dann Unkraut – „Nein, das heißt Beikraut!“ – gejätet und noch ein bis zwei Handbreit Erde auf die Kartoffeln gehäufelt. Die neuen Kartoffeln bilden sich nämlich oberhalb der Mutterknolle und je höher die Erde darauf liegt, desto mehr Platz haben sie. Anfang Juli erblüht der Acker dann – eine wahre Pracht in allen Farben. Das ist längst nicht bei allen Kartoffeln so. Tatsächlich, erklärt Anton, werden die Blüten bei handelsüblichen Kartoffeln weggezüchtet – einerseits, damit den Pflanzen mehr Energie für die Knollenausbildung bleibt, andererseits damit die Kartoffeln ihre Samen nicht auf natürlichem Wege weitergeben können – ein gutes Geschäft für die Saatgutindustrie.
Die ersten Kartoffeln für den Hausgebrauch kann Anton bereits Ende Juni ernten. „Wenn ich etwas mit Erdäpfeln kochen will, grabe ich mir draußen einfach welche aus.“ Die richtige Ernte findet dann Ende September statt. Das ist immer ein ganz besonderes Erlebnis. „Wir laden Freunde ein und gemeinsam graben wir drei Tage lang, bis wir alles geerntet haben. Danach wird gefeiert.“ Bis zu zwei Tonnen holt die Truppe aus der Erde. „Die sind aber schnell aufgebraucht“, erklärt Anton – die Erntehelfer werden nämlich mit Kartoffeln entlohnt. Die restlichen Speisekartoffeln werden am Hof der Krölls eingelagert. Außer den Speisekartoffeln gibt es noch die Pflanzkartoffeln fürs Folgejahr und auch solche, die als Tierfutter herhalten – die „Fockn-Erpfle“ sind entweder sehr klein oder beschädigt.
Die Pflanzkartoffeln werden schon im Juli ausgewählt. Anton sucht sich die stärksten Pflanzen heraus und entfernt das Kraut. Damit geht er sicher, dass sich die Knollen keine Pilzkrankheiten oder Virosen einfangen. Das kann nämlich passieren, wenn sich die Kartoffeln zum Schluss das Chlorophyll – und alles andere, möglicherweise eben auch Krankheiten – aus den Blättern holen. Die Stellen, an denen die Pflanzkartoffeln wachsen, werden markiert und die Kartoffeln beim Ernten sofort aussortiert.
Von den eingelagerten Kartoffeln wird ein Teil verkauft, der Großteil aber selbst am Hof gegessen. „Es ist ein großer Haushalt und wir kochen viel mit Erdäpfeln“, erzählt Anton und gerät ein bisschen ins Schwärmen: „Man kann so viel aus Kartoffeln machen und sie sind sehr gesund. Manche Sorte enthält sogar mehr Vitamin C als eine Zitrone. Außerdem sind sie leicht lagerbar und ideal für Krisenzeiten.“ Für unterschiedliche Gerichte werden unterschiedliche Kartoffeln verwendet. Man unterscheidet mehlige, (vorwiegend) festkochende und speckige Kartoffeln. Zu diesem Thema hat Anton eine interessante Beobachtung gemacht: „Die Leute aus dem Lienzer Talboden bevorzugen oft eher die festkochenden Kartoffeln, die aus den Tälern essen lieber Mehlige.“ Woran genau das liegen könnte, weiß er aber selbst nicht so genau.
Anton selbst ist natürlich auch ein großer Kartoffelliebhaber. „Diese Früchte könntest du mir auch intravenös verabreichen“, meint er. Ob er wohl auch eine Lieblingssorte hat? In der Tat, und nicht nur eine, sondern gleich mehrere. Da wäre zum Beispiel die „Mayan Gold“, mehlig kochend, lang-oval mit dunkelgelbem Fruchtfleisch – sie ist der Urkartoffel aus Südamerika am ähnlichsten. Dann die „Schwarze Ungarin“, eine alte ungarische Sorte mit schwarzer Schale, weißem Fruchtfleisch und ideal für Püree. „Und eigentlich mag ich noch viel mehr Sorten.“
Wer selbst darüber nachdenkt, Erdäpfel anzubauen, sollte es unbedingt versuchen, meint Anton. Es gibt nämlich sehr viele Möglichkeiten dafür – im kleinen Rahmen, auch für Leute ohne Garten. „Sogar im Kübel auf einem Balkon oder einer Terrasse kann es funktionieren. Und jeder, der selbst welche anbaut, wird merken, wie einzigartig im Geschmack eigene Kartoffeln sein können.“
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