Bermuda: Die Portugiesischen Galeeren greifen an!
Eine Osttiroler Biologin erklärt die gefährlichsten Tiere ihrer neuen Heimat.
Wir leben schon lange auf Bermuda und bislang sind wir verschont geblieben, vom Gift der schillernden Nesseltiere, die hier im Frühsommer massenweise an den Strand gespült werden. Man hört viele Geschichten über schmerzhafte Begegnungen, aber wir waren immer sehr, sehr vorsichtig. Doch jetzt hat es unseren Großen erwischt. Zu verlockend war es, die lilafarbenen Schwimmblasen der Portugiesischen Galleren wie einen Luftballon mit einem Knall zerplatzen zu lassen. Tierquälerei ist das nicht, denn die Tiere sind schon verendet, wenn sie in der Sonne vor sich hin trocknen.
Das Gift ihrer Nesselzellen wirkt aber auch posthum. Obwohl nur wenige Zellen platzten und das Gift auf die nackten Knie meines Sohnes hochspritzte, war das Gejammer groß. Unser „Seeblasenknaller“ klagte über Jucken, Stechen, Brennen und ein Taubheitsgefühl. Nach ein paar Stunden Kühlung und etwas Fenistil-Gel blieben zum Glück nur noch ein paar gerötete Stellen. Das Experiment hätte auch ins Auge gehen können, im wahrsten Sinne des Wortes. Beim Schwimmen kann eine Begegnung mit einer Portugiesischen Galeere böse enden. Die Tiere haben bis zu 50 Meter (!) lange Tentakel. Man hat praktisch keine Chance, diese Fäden im Wasser zu erspähen.
„Portugiesische Galeeren“ sind keine kriegerischen Schiffe, sondern die gefährlichsten Tiere, die in Bermuda anzutreffen sind. Landläufig als Qualle bezeichnet, gehören sie zu den Seeblasen und sind damit „Staatsquallen“. Also doch eine Qualle, werden die meisten Leser denken. Nein, eben nicht. Eine Qualle (wissenschaftlich als Meduse bezeichnet) ist das freischwimmende Lebensstadium eines Nesseltiers. Durch geschlechtliche Fortpflanzung mit Keimzellen bildet sie eine Larve, die sogenannte Planula. Die wird zu einem festsitzenden Polyp, der durch ungeschlechtliche Fortpflanzung (z.B. Sprossung) zur freischwimmenden Meduse wird. Was für ein Lebenszyklus!
Womit wir wieder bei unserer Staatsqualle wären. Während die eigentliche Qualle ein selbständiges, freischwimmendes Individuum darstellt, ist die Portugiesische Galeere eine Kolonie von Polypen – also den eigentlich festsitzenden Lebensstadien eines Nesseltieres: siehe oben! Diese Polypen haben sich irgendwann im Laufe der Evolution zusammengeschlossen. Sie bilden einen Staat! Die unzähligen Einzeltiere haben sich auf die verschiedensten Aufgaben spezialisiert, wie etwa Nahrungsaufnahme, die Ausbildung von Fangtentakeln, Abwehr, Fortpflanzung und Fortbewegung.
Auf diese Weise entstand ein Gebilde, dessen Einzeltiere komplett von einander abhängig sind und nicht mehr einzeln lebensfähig wären. Einzelne Tiere fungieren als Organe eines neu gebildeten Lebewesens! Portugiesische Galeeren sind vorwiegend im Pazifik beheimatet, kommen hier in Bermuda und in der Karibik vor, werden vermehrt aber auch an den Küsten Spaniens und Portugals gesichtet. Dort nennt man sie „Blaue Flaschen“.
Leider ist mit diesen wunderschön blau-lila schimmernden Staatsquallen nicht zu spaßen. Die als Fangarme fungierenden Polypen sind mit bis zu tausend Nesselzellen pro Zentimeter ausgestattet, die ein Giftgemisch aus verschiedenen Proteinen enthalten und bei Hautkontakt sofort die Nerven angreifen. Die Tiere können mit diesem Gift kleine Fische und andere Beutetiere töten. Beim Menschen führt es zu sehr schmerzhaften Verbrennungen und kann im Extremfall bei Allergikern oder geschwächten Personen auch mit einem Herzstillstand enden.
Als Sofortmaßnahme wird empfohlen, die Tentakel mit Meerwasser abzuspülen. Kleben die Fangarme allzu hartnäckig fest, soll es helfen, Rasierschaum aufzutragen und eintrocknen zu lassen. Anschließend soll der Schaum mit einer Kreditkarte abgeschabt werden. Anfangs wurde uns immer ans Herz gelegt, einfach draufzupinkeln. Der Ratschlag soll mittlerweile überholt sein.
Hoffentlich wird die Light-Version eines Erstkontakts mit der Portuguese man-o-war (man of war), wie sie auf Bermuda heißt, unserem Großen eine Lehre sein. Denn trotz des theoretischen Wissens darum, wird man manchmal eben ein bisschen unvorsichtig beim doch so spaßigen „Galeeren-platzen-lassen“.
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