Mit geht es bestens, ich darf zwei Tage in Osttirol verbringen!
Sie haben ein Jahr lang möglichst CO2 neutral gelebt. Wie schwer war das für Sie und Ihre Familie?
Ich hatte ein ziemlich mulmiges Gefühl, bevor ich mit dem Selbstversuch begann. Der Witz ist aber: Mein Leben wurde angenehmer. Wer klimaschonend lebt, entdeckt viele Sachen neu und löst sich von Dingen, die ohnehin Wohlstandsballast sind. Man lebt auch gesünder.
Wie kommt man überhaupt auf so einen Selbstversuch? Und vor allem, wie überredet man den Rest der Familie dazu mitzumachen?
Ich konnte das Gejammere über den Klimawandel nicht mehr hören. Tatsache ist doch: Jeder von uns verfolgt besorgt die Entwicklung und weiß auch, wer daran schuld ist. Es sind immer die anderen. Ich dachte, dass man eigentlich bei sich selbst beginnen könnte. Als ich dann laut in einer Redaktionskonferenz darüber nachdachte, sagte mein Chef: OK, am 1. Jänner fängst du an, das Klima zu retten, und schreibst eine Serie darüber. Meine Frau war gleich dabei. Unseren Sohn haben wir aber außen vor gelassen. Wir wollten ihm den radikalen Umstieg nicht aufzwingen, der Schuss wäre nach hinten losgegangen.
Wie lange dauerte die Umstellungsphase? Oder besser, gab es einen „Stundenplan“ nach dem man sich langsam an das neue Leben gewöhnen konnte?
Nein, es gibt einerseits Grundsatzentscheidungen: Ich verkaufte mein Auto und legte mir einen Fahrradanhänger zu. Wir stiegen auf Ökostrom um. Wir strichen unseren jährlichen Urlaubsflug. Dann gab es aber auch Alltagsentscheidungen: Wo kaufe ich Lebensmittel ein? Wie schnell fahre ich mit dem Dienstauto? Brauche ich wirklich ein neues Mobiltelefon? Wir treffen täglich kleine Entscheidungen, die klimarelevant sind.
Wie misst man, dass man CO2-neutral lebt? Woher kommen die Anhaltspunkte? Oder gab es jemand, der als Vorbild wirkte.
Empfehlenswert sind Footprint-Rechner im Internet. Da kann jeder ausrechnen, welchen ökologischen Fußabdruck er hat. Viele Informationen findet man auch im Internet. Wichtig ist es nur, auf die Dimensionen zu achten. Wer eine Biokarotte isst, erspart dem Klima ein paar Gramm CO2. Wer auf eine Flugreise in die USA verzichtet, spart rund fünf Tonnen.
Sie haben einmal in Ihrem Blog geschrieben, dass es nervt, wenn immer alle denken, Sie möchten missionieren, quasi die ganze Welt ändern. Gab es noch andere Dinge die einfach nur genervt haben?
Ärgerlich war es, auf einmal im Licht der Öffentlichkeit zu stehen. Anfangs überwiegt die Eitelkeit, man fühlt sich geschmeichelt. Aber das wird rasch lästig. Vor allem bei einem Thema, das so polarisiert wie der Klimawandel. Ich habe hässliche E-Mails bekommen. Ich verstehe jetzt auch besser, wie es manchen Politikern gehen muss.
Ich pflanze Bäume mit der Suchmaschine ecosia.org, ich fühle mich damit schon ziemlich gut. Aber was kann ich – oder jeder andere – im normalen Alltag umsetzen, das vielleicht schon hilft, wenn viele es machen?
Eigentlich ist es ganz einfach: In welchen Lebensbereichen verbrennen wir die meisten fossilen Brennstoffe? Beim Heizen, beim Autofahren und beim Fliegen. Wer sich hier umstellt, hat schon sehr, sehr viel getan. Dazu kommen aus meiner Sicht noch Verhaltensmaßnahmen im Alltag. Beim Essen zum Beispiel, indem man den Fleischkonsum zurückschraubt. Oder überhaupt beim Konsumverhalten. Eine Google-Anfrage verursacht übrigens sieben Gramm CO2. Aber Kleinvieh macht auch Mist und ecosia.org ist tatsächlich eine saubere Alternative.
Sie sind wieder zurück im „normalen“ oder auch weniger klimafreundlichen Leben. Aber Sie sagen auch, dass Klimaschutz letztlich nicht einschränkt, sondern gewinnbringend wirkt. Wie das?
Ich besitze immer noch kein Auto und fahre mehr als 7000 Kilometer pro Jahr mit dem Fahrrad. Die Wiederentdeckung des Radfahrens war der größte Gewinn für mich. Flugreisen habe ich für immer aus meinem Leben gestrichen. Bei anderen Dingen bin ich laxer geworden. Beispielsweise habe ich mich im Vorjahr zum Kauf eines iPhones hinreißen lassen, obwohl das alte Mobiltelefon noch funktionierte. Aber in Summe lebe ich immer noch viel klimafreundlicher als vor Beginn meines Selbstversuches.
Zu Ihren Vorträgen reisen Sie im Auto an? Oder per Fahrrad?
(lacht) Gemeine Frage! Wenn es geht, fahre ich mit dem Zug. Weil ich dann abends aber nicht mehr heimkommen würde, nehme ich oft auch das Redaktions-Dienstauto. Ich sage mir: Wenn ich nur einen Menschen im Publikum dazu bringe, auf seinen Urlaubsflug zu verzichten, kann ich hundert Mal mit dem Auto auf Vortragsreisen fahren. Klimamönche sind auch nicht blöd.
Welche Menschen würden Sie sich wünschen, dass in ihre Vorträge kommen? Und wer braucht vielleicht nicht unbedingt sparen?
Ich freue mich über jeden Zuhörer, aber am schönsten sind immer die Reaktionen von Menschen, die bisher mit dem Thema nicht viel am Hut hatten.
Osttirol ist eine „Randregion“ mit relativ viel Landwirtschaft und dafür relativ wenig Industrie. Glauben Sie, wir haben es hier besser? Und welche Strategien könnten für Osttirol interessant sein?
Ich komme aus dem Salzkammergut und glaube, wir haben sehr ähnliche Strukturen. Landwirtschaft, Tourismus und wenig Industrie. Ich fühle mich aber nicht dazu berufen, einer Region Tipps zu geben. Mein Ansatz ist ein anderer: Ich richte mich an den Einzelnen und möchte ihm Mut machen, etwas gegen den Klimawandel zu tun und sich nicht auf die Politik auszureden. Jeder Mensch hat hier Möglichkeiten. Wir müssen nicht fordern, dass Benzin teurer wird. Besser ist es, einfach weniger Benzin zu verbrauchen.
Vielen herzlichen Dank und alles Gute weiterhin!
Edmund Brandner bemühte sich ein Jahr lang, sein Leben so klimafreundlich wie möglich zu gestalten. Seine Familie machte freiwillig mit – der Hauskater unfreiwillig. In einem sehr amüsanten Vortrag berichtet der »Klimamönch«, der von Beruf Redakteur bei den Oberösterreichischen Nachrichten ist, von seinen Erfahrungen und überrascht mit seinem daraus gezogenen Resümee.
Assling: Mittwoch, 22. März um 19:30 Uhr, Mehrzwecksaal Lienz: Donnerstag, 23. März, 19.30 Uhr, Kolpingsaal
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