Osttirols Schneeunsicherheit und Aufstiegshilfen
Wie Tourismuswerbung vieles bewusst machen kann, auch die Probleme einer ganzen Branche.
Unter Tirols Seilbahnern will die heurige Wintersaison keine rechte Freude aufkommen lassen. Das liegt nicht nur an den in diesem Winter sehr überschaubaren und wenig werbewirksamen Schneefällen oder den rückläufigen Nächtigungszahlen. Schlagwörtern wie „Klimawandel“, „globale Erderwärmung“ oder „ökologischer Fußabdruck“ in Studien wie medialer Berichterstattung lassen Interessensvertreter wie den Zillertaler Seilbahnlobbyisten Franz Hörl geharnischte Presseaussendung folgen. Schließlich sind nach seiner Einschätzung die Tiroler Seilbahnen wichtigster Bestandteil des Erfolgs der Tourismuswirtschaft.
Pikant dabei erscheint, dass die optische Darstellung der flächendeckenden Präsenz der Seilbahnen Argumentationshilfe für düstere Prognosen in Sachen Tourismus liefert. Bergfex, eine Website, deren eigentliches Kerngeschäft die Bewerbung des Wintersports ist, wurde unter anderem als Basis für eine gerade vom World Wildlife Found (WWF) präsentierte Studie des bayerischen Biologen Alfred Ringler. Und nicht nur er machte sich das Bild- und Datenmaterial der Wintersportwerber zu Nutze. Auch Spiegel Online bediente sich bei der umfassenden Aufstellung der alpinen Skigebiete der Grazer Firma. Die Hamburger Redakteure erstellten eine interaktive Karte, die Skigebiete nach der prognostizierten Schneesicherheit im Jahr 2100 auflistet.
Für Osttirol zeichnet sich aus beiden Veröffentlichungen ein gemischtes Bild. Der bayerische Biologe Ringler etwa stuft den Bezirk Lienz als wenig intensiv erschlossene Region ein, hat dennoch für das Skigebiet Brunnalm im Defereggental einen ökologischen Fußabdruck im Mittelfeld seiner Skala errechnet, knapp vor dem Hochstein, dafür aber das Skigebiet rund um den Oberländer Thurntaler nicht einmal erwähnt. Spiegel Online wiederum hält den Dorfberglift in Kartitsch im Jahr 2100 für schneesicher und stuft das Skigebiet in Sillian ähnlich ein wie den Hochstein und das Zettersfeld. Das klingt, wenn schon nicht schlüssig, so doch zumindest interessant.
Seilbahnsprecher Hörl nennt die vom WWF propagierte Studie in einer Presseaussendung „pseudowissenschaftlich“. Daran könnte was sein, wie einige leicht zu findende Fehler nahelegen. Als recht schlichter Schluss erscheint auch, wenn man, wie das Spiegelteam, alleine die Meereshöhe der Skigebiete als Gradmesser für eine prognostizierte Schneesicherheit in gut achtzig Jahren heranzieht. Damit ist der Sache des Schutzes wie der Nutzung des Alpenraums nicht wirklich gedient.
Dennoch lassen sich für Osttirol einige Schlüsse aus beiden Publikationen ziehen. Mit einem etwa hat Biologe Ringler in jedem Fall recht: Der Bezirk Lienz ist im Vergleich zu anderen Gebieten noch relativ schwach erschlossen. Und wird es mit der Ausnahme der geplanten grenzüberschreitenden Liftverbindung am Karnischen Kamm wohl auch bleiben. Das kann nach wie vor ein Vorteil sein.
Besonders in Anbetracht der notwendigen Investitionen in den selbst in Gunstlagen immer kostenintensiveren Erhalt und Betrieb von touristischen Aufstiegshilfen. Für Lienz stellt sich schon jetzt, nicht erst in achtzig Jahren, die Frage nach dem Erhalt bestehender Strukturen. Die Tourismustreibenden im Bezirk stehen wegen des immer härteren Wettbewerbs um eine schrumpfende Gästeschicht im Winter vor einer großen Herausforderung, ebenso wie die Gemeinden und das Land Tirol. Auch wenn es nicht wirklich tröstlich ist, ein Blick auf die Karte von Bergfex genügt, um zu erkennen: Man ist mit dem Problem nicht allein.
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