Ein neues ökonomisches Denken und Handeln
Vordenken für Osttirol diskutierte: „Funktioniert ethisches Wirtschaften?“
Zum Auftakt der diesjährigen Vortragsreihe des Prozesses „Vordenken für Osttirol“ referierte Univ.-Lektor Mag. Christian Felber über das Thema „Gemeinwohl-Ökonomie als Alternative zum jetzigen Wirtschaftssystem“. Im Debanter Kultursaal führte der Initiator der Gemeinwohl-Ökonomie vor knapp 270 Besuchern aus, dass sich mittlerweile Menschen in aller Welt eine faire Wirtschaftsordnung wünschen und belegte das mit zahlreichen unabhängigen Studien. „Die Einstellung ‚Geiz ist geil‘ und reines Profitstreben bringen nur einer Minderheit Vorteile und das zu Lasten von Umwelt und sozialer Verantwortung der Gesellschaft gegenüber“, schilderte Christian Felber.
Die Gemeinwohl-Ökonomie hingegen – als Modellentwurf einer ethischen Wirtschaftsordnung - biete eine Alternative und damit Chancen für Unternehmen, Mitarbeiter und Menschen, gerecht und wieder sinnstiftend von der Wirtschaft zu profitieren. Sie überwinde das Grundproblem der gegenwärtigen Wirtschaftsordnung: die Verwechslung von Ziel (Gemeinwohl) und Mittel (Geld). Der neue Fokus richte sich auf die Mehrung des Gemeinwohls anstatt auf die Mehrung des Kapitals. Die Gemeinwohl-Ökonomie nahm ihren Ursprung 2008 in Niederösterreich, als sich zwölf Unternehmer über eine neue Wirtschaftsethik Gedanken machten. Seitdem verbreitete sich die Idee in Europa, Afrika, Lateinamerika und den USA.
„Unser jetziges Wirtschaftssystem steht auf dem Kopf. Das Geld ist zum Selbstzweck geworden. Die Gemeinwohl-Ökonomie hingegen hat das Wohl von Mensch und Umwelt zum obersten Ziel des Wirtschaftens, wie es auch in den Verfassungen zahlreicher Staaten verankert ist“, sagt Christian Felber. Die unternehmerische Gemeinwohlbilanz ist dabei ein Mittel zu deren Umsetzung. Sie misst Erfolg nach neuen Maßstäben und erfasst dabei systematisch alle Aktivitäten eines Unternehmens wie z.B. Menschenwürde, Gerechtigkeit, Lebensqualität oder Auswirkungen auf die Umwelt - Faktoren, die bisher oft unbeachtet bleiben.
Von den circa 400 Unternehmen, die eine Gemeinwohlbilanz erstellen, sind fünf im Bezirk Lienz angesiedelt. Mit Renè Ladstätter (Schindel und Holz) diskutierte ein Vertreter eines „gemeinwohlbilanzierenden“ Unternehmens im Anschluss zum Vortrag mit Michael Hohenwarter (RMO) und Dietmar Kurzthaler (Raiffeisenbank Matrei) über Wirtschaften im Kontext des Gemeinwohls. Dass Gemeinwohl nicht vom Himmel fällt, sondern bewusste Entscheidungen von Firmen, Kunden und Gemeinden braucht, stellte sich als eine Quintessenz heraus. Überschaubare Regionen – wie zum Beispiel Osttirol – haben nach der Einschätzung Hohenwarters wegen ihrer kleinteiligen Struktur gute Voraussetzungen, gemeinwohlorientiert zu handeln. „Menschen weltweit sehnen sich zusehends nach einem „gemeinwohlorientierten“ Lebensumfeld. Vielleicht schaffen wir es in Osttirol, uns diesbezüglich zukünftig zu profilieren“, so der RMO-Geschäftsführer.
3 Postings
Wie in vielen anderen Bereichen des Lebens ist auch bei den Wirtschaftsformen seit Jahrzehnten Schwarz-weiß-Malerei an der Tagesordnung. Es wird polarisiert, und das ganz bewusst, immer mit den eigenenen Interessen im Hinterkopf.
Die dem Kommunismus zugesprochene Betonung der Allgemeinheit entspricht nicht unbedingt der unternehmerischen "Natur" des Spezies Mensch. Sie ist in ihrer praktizierten Form letzlich von der Geschichte überholt worden. Kaum jemand wünscht sich diese Wirtschaftsform noch ernsthaft.
Der "siegreiche" Gegenspieler, der Kapitalismus, betont die Möglichkeit zu wirtschaftlichem Erfolg des Einzelnen und scheint gut zu funktionieren: So besitzen derzeit die 8 (in Worten: acht) reichsten Einzelpersonen mehr Vermögen als die gesamte ärmere Hälfte der Weltbevölkerung. Der Anteil jener, die sich den Kapitalismus in der heutigen Spielform als "die Wirtschaftsform ihrer Wahl" auch für die Zukunft wünschen, liegt in repräsentativen Umfragen in vielen "industriell entwickelten Staaten" deutlich unter 30%, weil offenbar auch hierzulande immer mehr Menschen eher die negativen Folgen der Entwicklung zu spüren bekommen.
Da ist es gut und angebracht - und hoch an der Zeit - die Schwarz-Weiß-Malerei zu entlarven und einen neuen möglichen Weg aufzuzeigen: Eine Wirtschaft mit Spielregeln, die von allen von ihr "Betroffenen" gemeinsam festgelegt werden können. Wirtschaft, vor allem aber Geld als eines ihrer "Werkzeuge" , darf nicht zum Selbstzweck werden, sondern ist aufgerufen, dem Wohl der Allgemeinheit und der gedeihlichen Entwicklung des Staatswesens zu dienen. Dies ist übrigens keine "Träumerei", sondern in praktisch allen Verfassungen (=Grundgesetzen) demokratischer Staaten festgeschrieben, in denen das Wort "Wirtschaft" überhaupt vorkommt.
Mag. Christian Felber hat diesen möglichen Weg in seinem Vortrag differenziert dargelegt, und dafür gilt ihm - für sein persönliches Vordenken - und den Initiatoren der Veranstaltung in Osttirol großer Dank. Letztlich können wir auch warten, bis sich alte Weisheiten wie "Jeder kann nur mit einem Löffel essen" oder "Das letzte Hemd hat keine Taschen" ganz von allein durchsetzen. Das dürfte aber noch besser ins Reich der Träume passen ...
@ anton2009 - Ich denke es ist höchste Zeit, dass wir zu träumen beginnen. Zum Beispiel davon, dass 'Geiz ist geil' bald kein Verkaufsargument mehr ist. Denn, "wer von uns möchte einen wirklich geizigen Menschen zum Freund haben?" (O-Ton Felber)
Träumt weiter!!!!
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