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„Wo meine Familie ist, ist mein Zuhause.“

Stephanie Oguttu aus Prägraten studiert Kultur- und Sozialanthropologie in Wien.

Irgendwie ist es schon ein bisschen schräg, die eigene Schwester zu interviewen, denke ich mir, als ich zuhause in Prägraten – wir haben beide gerade Weihnachtsferien – meine Fragen an Stephanie richte. Sie ist 22 Jahre alt und studiert Kultur- und Sozialanthropologie an der Hauptuniversität Wien, mittlerweile im fünften Semester.

Die Entscheidung für ihren Studiengang fällte sie erst wenige Tage vor Beginn des ersten Semesters unter etwas Zeitdruck. „Es klang echt interessant, ich wollte mich schon immer mit Themen wie Migration beschäftigen, außerdem gab es keine Aufnahmeprüfung – und so wurde es KSA.“

Ganz erfüllt hat das Studium ihre Erwartungen nicht. „Das Fach ist mir ein bisschen zu theoretisch“, meint sie stirnrunzelnd. Sie erzählt mir von ihrem aktuellen Feldforschungsprojekt in einem Flüchtlingsheim. „Es fällt mir schwer, alles immer gleich wissenschaftlich festzuhalten.“ Lieber möchte sich Stephie dann schon stundenlang mit ihren „Forschungsobjekten“ unterhalten. Es gibt aber auch vieles an ihrem Studienfach, was Stephie nicht missen möchte. „Wir betrachten alles aus verschiedenen Blickwinkeln und versuchen, die Welt mit frischen Augen und objektiv zu sehen und wir müssen immer hinterfragen – das finde ich sehr wichtig.“ In der Forschung fehlt ihr aber vor allem die Möglichkeit, kreativ zu gestalten – das ist schon seit ihrer Kindheit ihre große Passion.

Stephanie Oguttu, gezeichnet von Linda Steiner.

Für Wien hat sie sich entschieden, weil es dieses Studium nur dort gibt. Der Abschied von zuhause fiel ihr nicht sehr schwer. „Nach sieben Monaten in Uganda war Wien für mich plötzlich gar nicht mehr so weit weg.“ Will ich von meiner Schwester erzählen, ist es unmöglich, ihre Zeit in Afrika nicht zu erwähnen, so sehr hat diese ihr Leben beeinflusst. „Ich wollte nach der Matura nicht sofort studieren, sondern mir unbedingt noch eine andere Kultur anschauen. Ich wollte einen möglichst großen Kontrast zu unserem Leben in Österreich kennenlernen.“ Und so kam es, dass sie kurzerhand ihre Koffer packte und nach Mbale, Uganda, reiste um dort freiwillige Arbeit in einem Waisenhaus zu leisten.

Das Leben in Uganda gefiel Stephie ausnehmend gut. Sie lernte das Land lieben und ihre große Liebe Emma [kurz für Emmanuel] kennen. Dreimal ist sie inzwischen nach Uganda zurückgekehrt und beim letzten Mal hat das junge Paar dort geheiratet. Nun leben Stephie und Emma in ihrer gemeinsamen Wohnung in Wien.

„Wo bist du am liebsten – Prägraten, Mbale oder Wien?“ Stephie überlegt lange und setzt dann Prägraten und Mbale gleichauf an die erste Stelle. „In Mbale fühle ich mich durch Emma und seine Familie schon sehr zuhause und Prägraten wird immer meine Heimat sein. Dort bin ich aufgewachsen und dort ist meine Familie. Und wo meine Familie ist, ist mein Zuhause.“ Außer der Zeit mit ihrer Familie und dem guten Essen aus Mamas Küche schätzt Stephanie an Prägraten vor allem die umliegende Natur und eine gewisse Unbekümmertheit. „Man kann jederzeit einfach rausgehen und ist frei.“ Aus Wien würde sie lediglich die besseren Öffis mit in ihren Heimaturlaub nehmen. „Das kulturelle Angebot brauch ich hier nicht, das hab ich ja in Wien.“

Und wie sehen ihre Zukunftspläne aus? Vorerst will Stephanie mit Emma in Österreich bleiben. Sie träumt davon, noch ein kreatives Studium anzuhängen und später auch in diesem Bereich zu arbeiten. „Wenn es gut läuft, möchten wir vielleicht irgendwann einmal ein Grundstück in Uganda, am Viktoriasee, kaufen.“ In Wien will sie jedenfalls nicht auf Dauer bleiben. Mit der Großstadt ist Stephanie entgegen ihrer Erwartungen doch nie richtig warm geworden, außerdem ist ihr das Leben dort zu stressig. Am liebsten möchte sie in einer Kleinstadt – als Beispiele nennt sie Lienz oder Entebbe [kleine Stadt am Viktoriasee] – leben. An dieser Stelle lässt sich unser jüngster Bruder, der unser Gespräch verfolgt hat, zu einem Zwischenruf hinreißen: „Jaaa, geh nach Lienz!“, der Gedanke begeistert ihn sichtlich und auch ich selbst merke, wie sehr mich diese Vorstellung entzückt.

Doch Stephie winkt ab. „Es wird mich ganz sicher immer wieder nach Osttirol verschlagen, aber ich weiß nicht, ob ich hier sesshaft werde“, so ihr Fazit. „Ich strebe es nicht direkt an, aber es ist auch nicht ausgeschlossen.“


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