Der bekannte Ton des Leerzeichens, die blau weiße Farbe des matten Bildschirms auf dem sich mein hoffnungsvolles Gesicht widerspiegelt. Plötzlich eine bekannte Stimme. Einige Sekunden später ist mein Laptop-Bildschirm gefüllt mit dem vertrauten Gesicht meiner lieben, weit entfernten Freundin Irene van der Woude. „Hallo? Kannst du mich hören?“ fragt mich die 21-jährige Dölsacherin aus dem mehr als 1000 Kilometer entfernten Kopenhagen.
Endlich schaffen wir es, mal wieder mit einander zu sprechen, Neuigkeiten auszutauschen und natürlich über unser neu gewonnenes Studentenleben zu sprechen. Irene studiert Global Nutrition and Health am Metropol University College in Kopenhagen. Das Studium dauert dreieinhalb Jahre. In dem international angelegten Studium sind auch zwei Auslandspraktika inbegriffen, von denen eines zwei Monate und das andere drei bis sechs Monate dauert. Diese Erfahrungen sollen die Studenten bei der Bachelorarbeit unterstützen.
„Das Studium ist sehr interessant. Meine Studienkollegen kommen von überall her. Für mich ist es immer wieder spannend, Menschen kennen zu lernen, die aus verschiedenen Kulturen kommen, andere Hintergründe aufweisen und bereits viele Erfahrungen in ihren Leben gemacht haben“, erzählt mir Irene. Schon vor ihrem Studium in Kopenhagen ist sie viel in der Welt herumgekommen. Nach der Matura lebte sie fast ein Jahr in Australien und bereits bevor sie auf dem Kolleg in Kopenhagen aufgenommen wurde, hat sie sich dafür entschieden, das Leben in dieser skandinavischen Stadt auszuprobieren.
Unterrichtet wird auf dem Metropol University College in Englisch und mit viel Lockerheit. Die Lehrer darf man mit Vornamen und „du“ ansprechen und sie lehren nicht nur mit ihrem breiten Fachwissen, sondern auch mit ihrer Lebenserfahrung. „Ich lerne jeden Tag etwas dazu, das ich auch in meinem Leben anwenden kann. Vielleicht ist das auch ein weiterer Vorteil der kleinen Klassen am Kolleg.“
- Irene van der Woude, gezeichnet von Linda Steiner.
Das Aufnahmeverfahren am Metropol University College umfasst einen ausführlichen Motivationsbrief und es muss eine gewisse Stundenanzahl in Fächern wie Biologie, Englisch und Mathematik vorgewiesen werden. Vor gerade mal drei Monaten ist der Brief aus Dänemark dann in Dölsach bei Irene eingetrudelt. Eine Woche später sollte es bereits mit dem Studium losgehen. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge erinnere ich mich daran, wie wir einen der letzten Tage damit verbracht haben, das billigste Hostel für die erste Zeit in Kopenhagen zu suchen.
Ohne Wohnung, aber mit einem Auto, vollgepackt mit Erinnerungen an die Heimat, ging es für Irene Anfang August los in eine Stadt, in der die höchste Erhebung nur 170 Meter über dem Meeresspiegel liegt. „Ich habe mich nicht für Kopenhagen entschieden, sondern für das Studium. Anfangs war ich eher skeptisch, da alles sehr flach ist und deswegen auch das Wetter nicht immer schön. Mittlerweile habe ich Kopenhagen jedoch schätzen und lieben gelernt. Ich lerne es Stück für Stück besser kennen. Die Struktur der Stadt und die Architektur sind wunderschön.“ Ein weiteres Plus ist natürlich auch, dass das Studium kostenlos ist und man in Dänemark gute Unterstützungen als EU-Student bekommt.
Mittlerweile hat sie eine Wohnung gefunden, etwas außerhalb der Stadt, aber da Kopenhagen keine Großstadt ist und sehr überschaubar, kommt man überall mit dem Fahrrad hin. Falls einmal Fragen aufkommen über den richtigen Weg oder irgend etwas anderes, ist das auch kein Problem, denn jeder, wirklich jeder, von jung bis alt, spricht Englisch. Zudem betont sie, dass die Dänen ausgesprochen hilfsbereit und freundlich sind.
„Der Abschied von Osttirol war schwer für mich, da ich wusste, dass sich landschaftsmäßig viel verändern wird und deshalb auch meine Hobbies. Ich wandere gern und liebe die Natur. Da in Kopenhagen das Angebot in dieser Richtung nicht so groß ist, war es anfänglich eher schwer. Weil ich aber jeden Tag radle, geht es schon viel besser. Ich freue mich natürlich immer, wieder heim zu kommen.“
„Der Abschied von meinen Eltern war nicht so schwer, da es nicht dauerhaft ist, sondern temporär und ich schon öfter länger von zu Hause weg war. Ich weiß, dass ich immer nach Hause kommen kann und mich dort jemand mit offenen Armen empfängt. Besonders schätze ich, dass mich meine Eltern nicht einschränken und mich und meine zwei Schwestern immer unterstützen.“
Durch die Internationalität des Studiums war es für Irene nicht schwer, Anschluss in der neuen Stadt zu finden. Viele ihrer Mitstudenten haben ihre Freunde und Familie in Ihrer Heimat zurückgelassen und das schafft eine gewisse Verbindung. Es ist auch leichter, da man nicht vom gewohnten Freundeskreis umgeben ist und sich dadurch auf neue Freundschaften einlassen kann. „Natürlich war das Abschied nehmen von meinen Freunden nicht leicht. Jedoch ist fast niemand von meinen Freunden in Osttirol, sondern studiert oder arbeitet irgendwo. Dafür ist die Zeit, in der wir uns alle wieder sehen, umso schöner und intensiver.“
Dadurch, dass sie erst vor kurzem mit dem Studium angefangen hat, ist sie noch nicht sicher, welchen Beruf sie genau ergreifen will. Die vielen verschiedenen Jobaussichten, die ihr durch das Studium offen stehen, erscheinen alle interessant, jedoch will die Dölsacherin sich noch nicht festlegen.
Irene kann sich sehr gut vorstellen wieder nach Osttirol zurück zu kehren, wenn es sich beruflich vereinbaren lässt. Direkt nach dem Studium wird sie wahrscheinlich nicht nach Osttirol heimkehren, da sie Erfahrungen sammeln will. „Es heißt schließlich Global Nutrition and Health und nicht nur Nutrition and Health“.
„Ich habe einen sehr starken Bezug zu Osttirol, da ich viel Zeit dort verbracht habe und auch ein großes soziales Netzwerk habe. Ich liebe die Natur, die Berge, den Lifestyle. Viele denken, dass es mir leicht fällt, von zu Hause weg zu gehen und dass ich gerne weggehe, weil es mir nicht gefällt. Mir gefällt es aber wirklich sehr gut zu Hause und ich kann mir fast keinen schöneren Ort zum Leben und Aufwachsen vorstellen.“ Die 21-jährige will jedoch noch die Welt erkunden.
Ein Satz, dem wohl fast jeder zustimmt, der einmal von zu Hause weg war, ist: “Man lernt Sachen im Leben mehr zu schätzen, die oft selbstverständlich erscheinen.“ Ich persönlich weiß nach diesem Gespräch Skype und die Technik (falls sie denn funktioniert) noch mehr zu schätzen und um ehrlich zu sein, auch bei mir schleicht sich nach diesem Gespräch ein Gefühl von Heimweh ein.
In der Serie “Heimweh?” porträtieren wir junge Menschen aus Osttirol, die außerhalb des Bezirkes studieren oder eine andere Ausbildung absolvieren.
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