Andreas, schön, dass ich herkommen durfte, ich habe dich ja schon ewig nicht mehr gesehen.
"Schön, dass du gekommen bist, ich hab dich übrigens auch schon lange nicht mehr gesehen."
Wie geht es dir, erzähl doch einfach mal.
"Gut, danke. Ich genieße gerade die paar Tage in Matrei, ich bin nicht so oft hier, aber wenn, dann bin ich total verplant. Alles muss Platz haben in der kurzen Zeit. Besuche, Treffen mit Familie und Freunden, die ein oder andere kleine Wanderung, du weißt schon – Heimatprogramm halt."
(Ja, ich weiß tatsächlich, was das heißt und dass es stressig ist.) Andreas, wie wird man Opersänger?
"Ach… das ist wie ein Handwerk, damit vergleiche ich es gerne. Ein Handwerk, das du von Grund auf lernen und trainieren musst. Im glücklichsten Fall begegnet dir jemand, der dich an die Hand nimmt und dir hilft rauszufinden, was du leisten kannst und vor allem wann. Bei mir war dieser große Glücksfall, dass ich Brigitte Fassbaender kennenlernen durfte. Sie hat mich quasi aus dem Studium rausgenommen, in einen kleinen Kreis von Sängern, die bei ihr direkt lernen durften. Note für Note, täglich. So lernt man sich selbst kennen, den Raum, den der eigene Körper zur Verfügung stellt für die eigene Stimme. Opernsänger werden ja nicht wie Popsänger verstärkt. Sie müssen mit der eigenen Stimme die Oper ausfüllen, das Orchester übertönen und die Komposition – bestenfalls perfekt – aber so gut wie irgend möglich darbieten. Und eines ist klar: man kann nicht von Beginn an alles können. Das ist ein langer Prozess, ein sich Herantasten an die schwierigeren Werke. Frau Fassbaender war mein Glücksfall und ich bin ihr sehr, sehr dankbar, dass sie mich so gut gelehrt hat, durchaus auch einmal zu sagen, ich kann das noch nicht."
Bist du exzentrisch? (… ich bin leider auch nicht ganz frei von Vorurteilen.)
"Nein, ich hoffe nicht. Aber mein Beruf ist es manchmal. Vor allem für eine Partnerschaft ist das nicht immer leicht."
Warum?
"Ich reise viel und übe viel – ca. acht Stunden am Tag. Ich kann auch nicht einfach einmal eine Nacht Party feiern und dann am nächsten Tag ein Schubertlied im vollen Konzerthaus singen. Außerdem bin ich sehr bedacht darauf, möglichst nicht krank zu werden. Stell dir vor, ich bereite mich sechs Monate auf eine neue Spielzeit vor und werde am Premierentag krank. Das wäre nicht so lustig."
Ja, stimmt. Aber es hat wohl trotzdem jemand mit dir ausgehalten, ich sehe du trägst einen Ehering?
"Seit letztem Sommer. Ich habe meine Jugendliebe geheiratet. Sie hat schon viel ausgehalten, ist aber mit mir in dieses Leben hineingewachsen und hat mich unterstützt. Inzwischen ist – glaube ich – alles gut."
Wir trinken Kaffee und plaudern, früher sind wir uns oft beim Ausgehen begegnet, und wir erzählen von alten Zeiten. Andreas Mattersberger hat sich viel von seinem jungenhaften Glänzen in den Augen behalten. Er lacht oft und schon bei der Begrüßung bin ich erschrocken, wie laut und raumeinnehmend er spricht. Wahrscheinlich fällt das Menschen, die immer in seiner Umgebung sind, nicht mehr auf. Er erzählt davon, wieviel in seiner Familie immer musiziert wurde, dass sein Vater fast rund um die Uhr singt und dass das die Familie immer zusammengehalten hat. Auch als es traurige Zeiten gab, Musik war immer da. Obwohl, so sagt Andreas in diesem Gespräch, ein kranker Vogel singt nicht gerne.
Du wirst den Figaro singen ab Herbst. Bist du aufgeregt?
"Ja unheimlich. Ich habe richtig Respekt. Ich lerne jeden Tag, Seite für Seite, Note für Note. Stück für Stück. Arien, Ensembles kann ich und Rezitative habe ich erst angestreift, es gibt noch keine endgültige Strichfassung. Ich muss aber meinen Körper richtig dazu trainieren, zu jeder Tages- und Nachtzeit zu singen. Die Müdigkeit darf da nicht überhand nehmen, sonst klappt das bei schwierigen Partien nicht. Da bin ich echt streng mit mir selber. Aber die Rolle des Figaro ist natürlich schon sehr cool und eine große Herausforderung.
Selbstzweifel?
"Ja immer. Vor jeder Rolle, vor jedem Auftritt. Ich möchte, dass das passt. Ich bin dafür verantwortlich. Die Menschen bezahlen für die Opernkarte und sie gehen mit einer gewissen Erwartung hin und ich möchte dem schon entsprechen – dem Publikum, dem Komponisten, mir selbst. Wenn ich am Ende sagen kann, das ist, was ich zurzeit kann, mehr ist nicht drin – dann ist das gut, dann bin ich zufrieden, dann kann ich an diesem Punkt weiterarbeiten. Eine Never-Ending-Story."
Ich habe einen jungen Mann getroffen, der sehr entspannt und ein bisschen wie Peter Pan ist. Trotz seinem außergewöhnlichen Beruf und seiner steilen Karriere ist Andreas Mattersberger nicht abgehoben, eingebildet oder überheblich. Ganz im Gegenteil, macht er einen sehr bescheidenen Eindruck und betont immer wieder, dass auch andere Sänger sehr gut, vielleicht viel besser sind und er nur einfach immer nach vorne arbeiten kann. Er möchte kollegial sein und eigentlich ein bisschen seine Ruhe genießen, außerhalb der künstlichen Theaterwelt.
Premiere „Le nozze di Figaro“ am Landestheater Innsbruck ist am 11. November 2016 – gespielt wird bis 30. März 2017. Karten sind erhältlich beim Landestheater Innsbruck.
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