Was haben der Weltladen, eine Druckerei, ein Solarenergie-Produzent, eine Handelsagentur und eine Tischlerei gemeinsam? Sie alle vereint der Traum vom „richtigen Wirtschaften“, das von Werten wie Solidarität, Fairness und Menschenwürde bestimmt wird. So wurden sie gemeinsam – ganz nach dem Motto „Kooperation ist wertvoller als Konkurrenz“ – Teilnehmer eines Projekts mit dem Ziel, die Wirtschaft in eine gemeinwohlorientierte Richtung zu lenken.
Das Projekt nennt sich „Gemeinwohl-Ökonomie“, kurz GWÖ, und die fünf Unternehmen sind der Weltladen Lienz, die Druckerei GreenPrint, die sun.e-solutions GmbH, WOOD KOLLNIG und der sozialökonomische Betrieb Schindel und Holz. Im Zuge einiger Workshops erstellten sie gemeinsam mit Manfred Blachfellner, dem Tirol-Koordinator der GWÖ, eine Ethik-Bilanz nach Gemeinwohlwerten.
Dafür wird eine Matrix zu Hilfe genommen, in der an die Unternehmen für die Einhaltung von Qualitäten wie beispielsweise Soziale Gerechtigkeit oder Ökologische Nachhaltigkeit Punkte verteilt werden. Werden diese Kriterien verletzt, gibt es Punktabzug. Schlussendlich ergibt sich eine Summe, anhand der erkennbar wird, wie viel ein Unternehmen zum Gemeinwohl beiträgt. Erreichbar wären theoretisch 1.000 Punkte, in der Praxis liegen die Unternehmen, die bei einer solchen Bilanzierung am besten abschneiden, bei Ergebnissen um die 500 Punkte. Eine 0-Bilanz entspräche der blanken Einhaltung gesetzlicher Standards.
Ist die Gemeinwohl-Bilanz eines Unternehmens erarbeitet, soll überlegt werden, welche Beiträge dieses zur Weiterentwicklung ethischer Wirtschaftsweisen noch leisten könnte, was davon auch wirklich umsetzbar ist und wo dann doch die Grenzen des Möglichen liegen. Grenzen zeigen sich zum Beispiel, wenn es um die Beschaffung von Werkstoffen geht und man in die Arbeitsweise von Lieferanten eingreifen müsste.
„Hochspannend“, fanden die Betriebe ihre Teilnahme an diesen Workshops. Auch wenn diese fünf schon von vornherein in der einen oder anderen Weise sozial angehaucht sind, fanden doch alle bei sich selbst noch Entwicklungsbedarf. Unternehmen, die sich generell schon sozial betätigen, haben allerdings einen klaren Vorteil: sie können Teile der Gemeinwohlbilanz direkt erfüllen, während rein wirtschaftsorientierte Betriebe wesentlich mehr umdenken müssten. Dennoch erkennt Manfred Blachfellner einen Trend auch in der Normalwirtschaft, der mit einer Blickerweiterung in Richtung „Soft Facts“ einhergeht.
Im Zuge dieser Initiative, die sich in erster Linie als Anstoß zum Umdenken versteht, kam es auch schon zu ersten Umstellungen in den Unternehmen. So setzt der Weltladen inzwischen auf Ökostrom und veranlagt seine Rücklagen nun bei Oikocredit, einer Gemeinwohl-Bank. Auch Schindel und Holz plant einen Umstieg auf Solarenergie. Da trifft es sich natürlich gut, dass mit sun.e-solutions ein Unternehmen mit im Boot sitzt, das sich damit bestens auskennt.
Die Vertreter der fünf Osttiroler Gemeinwohl-Pionierunternehmen zeigen sich begeistert. „Seinen eigenen Betrieb mit dem Allgemeinwohl zu verknüpfen, macht Freude“, sind sich alle einig. Dennoch ist es nicht immer einfach. Gegenwind gibt es vor allem aus der Ecke der offiziellen Wirtschaftsvertreter. Auch von politischer Ebene bekommt ein Gemeinwohl-Unternehmen in Tirol keine Unterstützung, im Gegensatz zu Wien, Vorarlberg und der Steiermark, wo solche Unternehmen im Rahmen von Entwicklungsprojekten bereits direkt gefördert werden.
Etwas weiter ist das Projekt schon in Südtirol, wo gerade eine Umstellung vom Billigstbieter- auf das Bestbieter-Prinzip im Gange ist und gemeinwohlorientierte Unternehmen beispielsweise bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen bevorzugt werden. Das ist auch das Ziel dieser Bewegung: überdurchschnittliche Leistungen zum Gemeinwohl sollen durch rechtliche Vorteile belohnt und dadurch möglichst vielen Unternehmen schmackhaft gemacht werden.
Es ist ein langsamer Prozess und ganz gewiss kein einfacher. Dass sich die Welt nicht von heute auf morgen verändern kann, ist den Teilnehmern klar. Und auch wenn die Gemeinwohl-Ökonomie nicht die ultimative Lösung für alle gesellschafts- und arbeitspolitischen Probleme bietet, sind sie sich sicher: es ist ein Schritt in die richtige Richtung.
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