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Sicher ist sicher! Zapfenstreich statt Stadtentwicklung

Lienz braucht keine zweite Kaserne. Warum klatschen alle? Ein Kommentar.

Bis zur dritten Klasse der Volksschule hab ich die Schulbank in der Franz-Joseph-Kaserne gedrückt. Wir Knirpse teilten uns das Gelände und Gebäude mit der Tragtier-Kompanie. Schon damals – und das ist lange her – war das Haus offenbar zu groß für das, was sich an Militär in Lienz aufhielt. Denn nicht im Grafenanger wacht das stolze Jägerbataillon 24 über unseren Schlaf in unruhigen Zeiten, sondern überwiegend in der Haspinger-Kaserne, die ausreichend dimensioniert ist für eine kleine Stadt und ihre militärische Bewachung – sag ich jetzt einmal als Laie. Also ist die Schließung der alten Kaserne logisch, sinnvoll und zudem eine große Chance, wenn man nicht in militärischen Dimensionen denkt, sondern die Entwicklung der Stadt im Auge hat.

Auch wenn Günther Platter, Hans Peter Doskozil und die meisten Lokalpolitiker es noch so oft und zackig trommeln: wir sind nicht im Krieg und werden es auch künftig nicht sein. Wir sind nicht einmal in Gefahr, weder im Talboden noch an der Grenze, weder durch „Flüchtlingsströme“ noch durch "Schneechaos". Angekündigte Katastrophen finden selten statt.

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Ist militärische Nutzung für dieses Gebäude wirklich die beste Lösung? Foto: Dolomitenstadt/Pirkner

Die politische Show auf Bundes-, Landes- und Bezirksebene ist eine permanente und dreiste Vorspiegelung falscher Tatsachen. Da wird versucht, vor Krieg und Elend flüchtende Menschen konsequent als Bedrohung unserer Gesellschaft zu dämonisieren und einen „Abwehrkampf“ zu inszenieren. Wir haben genug Militär in Osttirol und genug mit einer Kaserne. Niemand wollte je einen Soldaten entlassen, also gibt es auch bei einer Kasernenschließung keine „wirtschaftlichen Auswirkungen“ auf den Bezirk. Im Gegenteil. Das Heer könnte  Ressourcen in die perfekte Adaptierung und Modernisierung des Hauptstandortes investieren.

Und wenn alle Soldaten weiterhin vor Ort sind, dann ist die Einsatzbereitschaft im Katastrophenfall wie eh und je gegeben. Mit einer alten Kaserne haben weder Sicherheit noch Katastrophenschutz etwas zu tun. Es ist nur eine Hülle, ein Symbol. Und das ist der Punkt. Alle, die lauthals jubeln und so tun, als ob das Osttiroler Abendland durch eine kluge Tat von Doskozil, Platter & Co. gerettet wäre, bedienen lediglich ein Klischee.

Kaserne! Soldaten! Das hat Klang in Zeiten, in denen die Angstmacher von einem Wahlsieg zum anderen eilen. Also müssen wir da auch alle dafür sein. Traurig ist an dieser Politik, dass sie zum Circulus Viciosus wird, zum Teufelskreis. Erst macht man Angst. Dann verspricht man Sicherheit. Dann ruft man nach mehr Geld für das Heer und damit man die Mittel aus knappen Kassen auch kriegt, muss man noch mehr Angst machen. Aber: Zu Tode gefürchtet ist auch verstorben!

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Das Areal der Franz-Joseph-Kaserne und jenes der alten Versteigerungshalle ergeben gemeinsam ein spannendes Gebiet für zukunftsorientierte Stadtentwicklung. Luftbild: Wolfgang C. Retter

Am Ende hat Lienz weiter zwei Kasernen und unsere Lokalpolitiker jubeln darüber, als ob sich irgendetwas zum Positiven gewandelt hätte. Dabei ist das Gegenteil der Fall. Alles ist beim Alten geblieben.

Ich bin in der Franz-Joseph-Kaserne zur Schule gegangen. Warum kann man daraus nicht wieder eine Schule machen? Ein Posting von „Bessawissa“ unter unserem Kasernenartikel nimmt mir die Worte aus dem Mund. Man könnte über ein kreatives Revitalisierungs- und Adaptierungsprojekt im Zuge einer städtebaulichen Neugestaltung der hektargroßen RGO-Latifundien mitten in der Stadt nachdenken. Bis heute hat den RGO-Genossen kein Lienzer Politiker ein ernsthaftes Angebot unterbreitet.

Zwischen Maximilianstraße, Nußdorferstraße, Plonerstraße und Zettersfeldstraße erstreckt sich ein Areal, in dem vermutlich die ganze Altstadt Platz hätte. Ein Blick auf Google-Maps oder auf unser Luftbild verdeutlicht, was ich meine. Die Kaserne grenzt direkt an das Gymnasium, liegt mitten in einem Wohngebiet und ist umgeben von ausreichend Platz und Grün. Ein ganzes Stadtviertel könnte hier mit Nutzungen wie Wohnen, Bildung, Erholung, Sport und Unterhaltung entwickelt werden, mit höchster Lebensqualität, mitten in der Stadt und ohne sinnlosen Verbrauch von landwirtschaftlichen Nutzflächen.

Man könnte positiv denken, in die Zukunft schauen, sich etwas getrauen, kreativ sein, planen und gemeinsam anpacken … aber lassen wir die Hirngespinste und lauschen wir lieber dem Zapfenstreich der Militärmusikkapelle. Sicher ist sicher.

Gerhard Pirkner ist Herausgeber und Chefredakteur von „Dolomitenstadt“. Der promovierte Politologe und Kommunikationswissenschafter arbeitete Jahrzehnte als Kommunikationsberater in Salzburg, Wien und München, bevor er mit seiner Familie im Jahr 2000 nach Lienz zurückkehrte und dort 2010 „Dolomitenstadt“ ins Leben rief.

4 Postings

iseline
vor 9 Jahren

Kaum wurde für das Verteidigungsministerium mehr Geld budgetiert, wird die Auflösung der Franz-Josef-Kaserne aufgehoben und groß als Erfolg verbucht. Und das, obwohl die sinnvolle Verlagerung in die Haspinger Kaseren eigentlich "gegessen" war. Erfolg für wen? Für den Landeshauptmann mit Gefolge, der stolz verkündet, dass er sich gegenüber Wien durchgesetzt hat und dass man nichts verändern muss, auch wenn kein "wirklicher Bedarf" besteht.

Und @besserwissa und G. Pirkner haben recht, wenn sie hier den Standort für eine neue HS-Nord zur Sprache bringen. Seit "Jahrzehnten" wird darüber lediglich diskutiert und nichts wurde angegangen.

Der Standort wäre ideal, aber es fehlt an Stimmen von polititschen Funktionären, der lauten Stimmen von E. Blanik oder den neuen ÖVP-Mandataren, vielleicht auch einmal eine Wortmeldung der Umlandbürgermeister oder von betroffenen Lehrern. Eine Lobby für die Kinder, das wäre etwas zum applaudieren gewesen.

 
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Edi1913
vor 9 Jahren

Frage am Rande: Wird die ehemalige Ochsenmoschee seit dem Neubau der RGO-Arena eigentlich noch irgendwie genutzt oder ist sie umgebaut worden, war lange nicht mehr in dem Eck.

 
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karli8
vor 9 Jahren

@wolf_c: ich weiß zwar nich wo du wohnst, aber mit "...genauso wenig wie in unserem kaputten Talboden..." kannst du wohl nicht den Lienzer Talboden meinen. Das in Lienz planerisch nicht alles traumhaft verläuft, dass ist außer Frage, aber im Talboden gibt es noch genügend Möglichkeit sich in Ruhe in die Natur zurückzuziehen und unsere schöne Landschaft zu genießen. Mit solch negativer und (wenn ich mir die Summe deiner Kommentare so anschaue) unkooperativer Einstellung und unsinnigen Forderungen wird ein Prozess wie im Artikel gefordert nie möglich sein (kreatives Revitalisierungs- und Adaptierungsprojekt). Dazu müssten nähmlich alle ihren aktiven Teil beitragen und nicht einfach stur immer die selben Botschaften trällern.

 
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wolf_C
vor 9 Jahren

... es ist besser es passiert nichts, weil die Durchführung und Ausführung von zeitgenössischer Raumordnung eine absolut katastrophale für Menschen und Tiere und Lebewesen ist, und eine Besserung und Erleuchtung und Änderung des Systems zwar in Sicht ist, aber realistischerweise nicht in diesem Areal umgesetzt werden wird, genauso wenig wie in unserem kaputten Talboden ...

 
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