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Land Artists

Fünf Bildhauer aus Osttirol erzählen mit hölzernen Skulpturen am Uferweg der Schwarzach im Defereggental eine gar nicht so alte Sage: die „Legende von den Schnabelmenschen“.

„Der Weg ist das Ziel“, dachte sich die Gemeinde St. Jakob im Defereggental und begann vor drei Jahren, den alten Uferweg entlang der Schwarzach mit künstlerischen und erzählerischen Mitteln zu einem Erlebnisweg besonderer Art zu machen. Wer heute den Bach entlang schlendert, erfährt einiges über die Besonderheiten des Tales, kann die Fantasie spielen lassen und wird auch zum Innehalten und Verweilen eingeladen.

Den Auftakt machte 2011 das Projekt „Tiere des Nationalparks“, bei dem heimischen Bildhauer aus dicken Holzstämmen naturgetreue Wildtiere wie Adler, Gams, Reh, Dachs oder Uhu schnitzten.

Da sich St. Jakob in den letzten Jahren auch als Osttiroler Märchen- und Sagendorf einen Namen machte, schrieb Märchenerzähler Christian Stefaner für das Tal ein eigenes Märchen, in dem er Teile aus der Geschichte des Defereggentales mit dem frei erfundenen Mythos über die „Schnabelmenschen“ verknüpfte. Im Rahmen einer Skulpturenwoche bearbeiteten die Bildhauer Michael Lang aus Virgen, Gerold Leitner aus Prägraten, Sebastian Rainer aus Schlaiten sowie Thomas Veiter und Johann Planer aus St. Veit in Defereggen im Vorjahr fünf 2,2 Meter hohe Lärchenstämme. Die Skulpturen, die sie nach den Motiven des Geschichtenerzählers schufen, stehen als stumme Zeugen an der Schwarzach, haben aber dennoch viel zu erzählen entlang des Uferbegleitweges in der Nähe des Sportplatzes.

Die Figuren markieren Stationen hin zum eigentlichen Höhepunkt des Weges, dem „Mythenplatz“, einem Schwefelwasserbrunnen, den Künstler Michael Lang gestaltete. Errichtet wurde der Brunnen just dort, wo die Deferegger mit großem Aufwand jahrelang erfolglos nach heißem Thermalwasser bohrten.

Einst beschützten die „Schnabelmenschen“ das Defereggental, erzählt die Sage. Johann Planer hat einen geschnitzt.
Der Brunnen an der Schwefelquelle bildet den mystischen Abschluss des Weges und besteht aus einer umgedrehten Wurzel, die in Bronze gegossen wurde, entworfen nach den Plänen von Michael Lang.

Aus dem Thermentraum wurde zwar nichts, doch aus dem Bohrloch sprudelte Wasser, dem manche Experten durchaus heilende Wirkung bei Hauterkrankungen zusprechen.

Weil die Deferegger seit jeher geschäftstüchtig sind, wird das letztlich doch gefundene „Wunderwasser“ auf seine „Heilkraft“ untersucht, damit eines Tages auch die Geschäfte mit dem schwefeligen Nass zu sprudeln beginnen. Und weil jedes Wundermittel eine gute Legende braucht, ließ man einen Profi die alte Sage von den Deferegger Schnabelmenschen an die neue Marketingbotschaft anpassen.

„Im Grunde genommen wollen wir mit dem gesamten Projekt – beginnend beim Themenweg bis hin zu Heilwasserquelle – einen Mythos schaffen“, ist Bürgermeister Gerald Hauser ehrlich. „Wir können ja nicht die Besucher zu einem Bohrloch führen und sagen: Schauts, ein Loch! Nein, wir wollen dazu schon eine wirklich gute Geschichte erzählen und den Mythos auch kraftvoll inszenieren. Letztlich zählt das Erlebnis – und das bieten wir.“

Von 29. Juli bis 3. August wird der mystische Weg um fünf weitere Attraktionen bereichert. Bei einem „Land-Art-Symposium“ werden sechs Bildhauer das Thema „Sitzen und Liegen“ skulptural umsetzen, wobei die Künstler nur Materialien aus dem Gemeindegebiet von St. Jakob verwenden dürfen. Ob die Sitzgelegenheit und Liegstätten dann aus Stein, Holz oder einem anderen Material geformt werden, obliegt den Kunstschaffenden selbst. „Damit wollen wir von den lieblosen Bänken an vielen Wanderwegen wegkommen und den Besuchern etwas anderes bieten, als Möbel, die man in jedem Einkaufszentrum sieht“, erklärt der findige Bürgermeister.

GEROLD LEITNER

Prägraten

Als die jungen Deferegger einst Lust bekamen, das Tal zu verlassen und einen Stollen hinaus in die Welt zu graben, versuchten die Schnabelmenschen, sie mit Kupfer und Edelsteinen in der Gebirgsheimat zu halten: „Ich stelle einen Grubenarbeiter dar, der voller Stolz einen gefundenen Edelstein gen Himmel stemmt. Edelsteine sind Schätze der Natur – allerdings nicht die einzigen. Man muss in der Natur nur die Augen öffnen, um all jene Schätze zu erkennen, die uns mit ihren Farben, Formen und Gerüchen in ihren Bann ziehen“, erklärt Gerold Leitner.

SEBASTIAN RAINER

Schlaiten

Mit dem „Pfauenauge“, einem kleinen Tümpel in der Nähe der Jagdhausalmen, beschäftigte sich Bildhauer Sebastian Rainer. In der sage der Schnabelmenschen spiegelten sich in der glatten Oberfläche des Gewässers ferne Länder und Kontinente. Als verlockender „Botschafter der Ferne“ weckte das Pfauenauge die Sehnsucht der Deferegger, ihr Tal zu verlassen und neue Kulturen kennenzulernen. „Meine Figur trägt einen Laptop auf dem Schoß, weil in der heutigen Zeit die modernen Medien das Fenster zur Welt sind. Der kleine runde Spiegel in meiner Skulptur symbolisiert die heutige Art des Pfauenauges“, schmunzelt Rainer.

THOMAS VEITER

St. Veit in Defereggen

Nach reiflicher Überlegung erdachten die Deferegger – so erzählt die Sage – einen neuen Plan, um aus dem Tal zu kommen. Die Berge waren zu hoch, also versuchten verwegene Männer, mit selbst gehauenen Einbäumen über die tosende Schwarzach talauswärts zu rudern. Doch die Schnabelmenschen riefen dunkle Gewitterwolken herbei und ließen den Bach so stark anschwellen, dass die Männer in die Fluten stürzten. „Deshalb zeigt meine Figur einen Burschen, der sich im Überlebenskampf mit den Gewalten gegen die Fluten stemmt, während an seinem Körper die Wassertropfen abperlen“, erklärt Thomas Veiter.

JOHANN PLANER

St. Veit in Defereggen

Den Titel „Schicksalswurf“ trägt das Werk des Bildhauers Johann Planer. Es stellt einen Schnabelmenschen, einen großen Hut und einen jungen Deferegger dar. „Als klar war, dass die Einheimischen ihr Tal nicht ohne List verlassen konnten, forderten sie die riesenhaften Schnabelmenschen zu einem Wettstreit heraus“, erklärt Planer. Sieger war der, der seinen Hut am weitesten werfen konnte. Zwar verlor der Deferegger Bursche, doch durch die Wucht, mit welcher der Schnabelmensch seinen riesigen Hut samt seinen scharfen Krempen gegen die Gipfel schleuderte, rasierte er diese rund um den Staller Sattel ab. Damit war der Weg für die Deferegger frei.

MICHAEL LANG

Virgen

Als die Deferegger die Idylle des Tales verlassen konnten, machten sie sich als tüchtige Wanderhändler einen Namen. Manche auch nur als Schmuggler. Doch auf den Schutz der Schnabelmenschen mussten sie verzichten. Statt behütetem Wohlstand, mussten die Einheimischen ihr Fortkommen mit harter Hände Arbeit sichern. Doch mit Fleiß schafften sie es auch ohne die Hilfe der Schnabelmenschen. „Die 'Buggelkraxe' versinnbildlicht für mich den Gang in neue Zeiten. Nur derjenige, der bereit ist, seine Last zu schultern, kann selbst über steinige Wege erfolgreich durchs Leben gehen“, beschreibt Bildhauer Michael Lang seine Skulptur.


Ein Artikel von Bernd Lenzer und Martin Lugger.

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