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Alle Fotos: Judith Benedikt

Alle Fotos: Judith Benedikt

Keramik, Scherben und ein Quittenbaum

Ein Besuch im Atelier der Restauratorin Barbara Benedikt.

Die Zacherlfabrik in Wien Döbling dürfte einer der eigenwilligsten Fabriksbauten im späten 19. Jahrhundert Wiens gewesen sein. Um 1888 erbaut, ähnelt er einer Moschee. Die Verzierungen sind persisch und auch die Innenräume verweisen auf den Orient, denn die Familie Zacherl war beruflich eng mit dem Osten verbunden, zumal das einst in der Fabrik hergestellte Insektenpulver „Zacherlin“ aus Ingredienzen kaukasischer Blüten hergestellt wurde.

Die Besonderheiten der Architektur setzen sich heute in Form ihrer Nutzung fort. Der Besitzer, Peter Zacherl, könnte mit teuren Wohnungen viel Geld verdienen, doch sein Anliegen ist ein anderes: Er möchte, dass sich die Offenheit des Altbaus auch heute im Alltag zeigt. So wurden Ateliers zu leistbaren Preisen geschaffen, mit viel Licht und einem gemeinschaftlichen Ambiente.

Die gebürtige Lienzerin Barbara Benedikt ist eine der Künstler/innen, die hier ihren Arbeitsplatz eingerichtet haben. „Ich kann mir keinen besseren Platz vorstellen.“ Um zu ihr vorzudringen, muss man bei Holzstapeln und alten Möbeln vorbei. Einen alten Mühlstein gibt es, ebenso wie einen Zitronenbaum. Freundliche Menschen begegnen einem hier. Niemand geht vorbei, ohne zu grüßen und zu lächeln. Das Atelier selbst ist eine Schatzkammer an kleinen feinen Dingen. Lampen, Bilder, Tassen, ein Modellauto, Bilder und Poster, ein paar verspielte Details, doch das meiste funktionell. Zwar liegen quer durch das Zimmer Teile eines Keramikofens, doch auch das scheint einer Ordnung und Logik zu entsprechen.

Während Barbara Benedikt mit einer alten Kaffeemaschine Espresso kocht, kommt der Hausmeister vorbei und leiht sich einen Bohrer aus. Es liegt etwas Selbstverständliches in der Art ihres Kontakts: Man kennt einander, klopft beim anderen an, leiht sich etwas, plaudert. Ein guter Ort zum Arbeiten. Ein Ort, der Ruhe ausstrahlt, wie die Restauratorin selbst. Sie ist spezialisiert auf Metallarbeiten und Keramik. Ausgangspunkt war das Studium der Objektrestaurierung an der Angewandten in Wien. Die Aufnahmeprüfung machte sie damals am selben Tag wie ihre Schwester, wenngleich für eine andere Studienrichtung. Beide wurden aufgenommen. Judith ist heute Kamerafrau und Filmemacherin (siehe Dolomitenstadt-Magazin, Herbstausgabe 2013) – sie fotografierte für diesen Artikel.

Nach der Metallverarbeitung im Studium folgte der praktische Unterricht im MAK. Damals kam die Keramik dazu, die heute einer ihrer Schwerpunkte ist. Für ihre Diplomarbeit restaurierte sie einen alten Keramikofen in einem Schloss. Dabei ist sie geblieben. Hat sich eine Nische geschaffen. Automatisch fällt der Blick auf Ihre Hände – außergewöhnlich schöne Hände, kraftvoll und vielleicht das Ruhigste an ihre, denn wenn Barbara Benedikt erzählt, steht sie ununterbrochen auf. Es gibt für alles eine Abbildung, die sie hervorzaubert, ein Stück, das sie zeigen kann, eine Probe, ein Kunstbuch. Die Liebe zu ihrer Arbeit ist in jeden Satz, in jeder Bewegung spürbar, besonders dann, wenn sie schwärmt, „dass ich dafür bezahlt werde, genau zu sein. Das kann man heute nicht mehr überall.“

Die Zacherlfabrik in Döbling zählt zu Wiens eigenwilligsten Fabriksbauten und beherbergt Künstlerateliers. Auch Barbara Benedikt arbeitet hier.

Stress? Sie lacht. Eher Druck, ja, den kenne sie selbstverständlich auch. Doch generell gehöre es zu ihrer Arbeit, sich Zeit zu lassen. Angebote für Anstellungen hatte sie schon einige. „Ich bin halt nicht der Typ dafür.“ Es ist ihr viel wert, dass sie sich die Zeit selbst einteilen kann. Große Aufträge würden in Arbeitsgemeinschaften gelöst. Etwa als sie zwei Jahre lang Lokomotiven für das Technische Museum restaurierte. „Hauptsächlich haben wir die Lokomotiven gereinigt, entrostet, uns um die Oberflächen gekümmert, die Farbe mit Kleber und Wärme gefestigt.“ Und wieder springt sie auf, holt ein Buch mit den Zügen. Sie spricht von den Details ihrer Arbeit, etwa wie man sich einem Objekt nähert: herausfinden, wie etwas war. Vieles ist nicht nachlesbar, muss erst recherchiert oder nachgefragt werden, falls man noch jemanden findet, der die Technik beherrscht.

Ihr zuhörend bekommt man den Eindruck, es gehe zuweilen um eine detektivische Suche. Ja, meint sie, es gebe den Spruch: „Denkmalpflege ist kein Wunschkonzert. Du kannst nicht sagen, das restauriere ich jetzt rot-grün, nur weil es dir gefällt. Man versucht bei allen Dingen herauszufinden, wie sie gedacht waren.“

Und wenn man es nicht herausfindet? Im musealen Bereich sei es selbstverständlich, Lücken zu lassen. Bei Privatkunden sei das nicht immer so einfach, denn die hätten auch ihre Interessen und wüssten, was sie wollten, auch wenn es nicht immer dem historischen Detail entspreche. „Man hat dann schon seine Prinzipien und sagt, ‚das mache ich oder das mache ich nicht.’“

Sie deutet auf ein Objekt und setzt fort: „Ich würde das nicht mit Kunstharz anstreichen. Bestimmte Dinge mache ich halt nicht.“  Wie sie ihre Aufträge kalkuliert?„Es gibt fette Jahre und magere Jahre. Das ist normal, finde ich.“ An dieser Stelle unterbricht sie sich, lacht und fügt hinzu: „Oder ich kann damit leben.“

Dafür ist ihr Zeit wichtig. Auch Freiheit. Zusammenarbeit ist eines der Worte, das sie häufig benützt, wenn sie über ihren Beruf spricht, und schon sind wir bei dem Thema, das die ganze Zeit über im Raum zu schweben schien: Ihre berühmte Quittenmarmelade. Nein, das hat nichts mit ihrem Beruf zu tun, doch es ist ein Sinnbild für die Stimmung in der Zacherlfabrik. „Meine Nachbarin und ich, wir sind die Quittenbeauftragten der Fabrik, weil wir uns einmal dafür interessiert haben. Seitdem werden wir von allen Seiten informiert, wenn die Quitten reif sind. Dann stehen wir halt da mit unseren Töpfen und verarbeiten die Quitten, meist am Wochenende. Es sind alle gerne da. Jeder macht seine Sachen. Wenn man sich trifft, freut man sich. Manchmal macht man etwas gemeinsam.“ Und gemeinsam heißt: alle, die wollen. Der serbische Hausmeister grillt mit seiner Frau für alle. Der Besitzer, ein älterer Herr ist dabei.

Man fühlt sich wohl im Atelier, will gar nicht mehr gehen. So viele Details, die es wert wären, genauer betrachtet zu werden. Oder zusehen beim Arbeiten. Barbara Benedikt ist geduldig, führt ihre Arbeitsprozesse vor, zeigt wie man Blattgold auflegt, erklärt, wie man den Ofen wieder zusammensetzt.

Es gibt auch kuriose Aufträge, wie das Reparieren eines Kanalrohrs, auf das sich ein Museumsbesucher gesetzt hatte und das brach. Oder ein Flugzeug für das Technische Museum. Manchmal muss sie dabei erst lernen, wie etwas funktioniert.Ein altes Rad steht herum. Eines ihrer „Privatprojekte“. In der Ecke lehnt eine Lampe vom Flohmarkt. Die wird eines Tages die Wohnung der Schwester zieren. Ein Receiver aus den 1970ern, eine Kaffeemaschine aus der gleichen Zeit, die man längst nicht mehr kaufen kann. „Ich mag Materialien, die schön altern. Natürliche Materialien.“ Sie sucht Altes, baut es auseinander, repariert, setzt es neu zusammen. „Es gibt so schöne Dinge, die so einfach sind. Ein alter Holzboden etwa, oder Ölfarbe. Nichts ist leichter, als eine Ölfarbe herzustellen. Du brauchst nur ein Öl und ein Pigment. Langsam kommen diese alten Materialien zurück.“

Jede ihrer Wohnungen war unsaniert. Sie mag keine Architektur, die ihr vorgibt, wo sie was hinzustellen hat. Das sei lieblos, sagt sie. Umgelegt auf ihr Atelier, ergibt jeder Bereich Sinn. Die Küche, der Große Arbeitsplatz, die Nische mit Sofa und Ofen, daneben die Bücher. Ach ja, und am Ende zeigt Barbara Benedikt dann auch noch den Garten mit dem Quittenbaum ... und drückt der Besucherin ein Glas Marmelade in die Hand.

Daniela Ingruber stammt aus Lienz und arbeitet als Demokratie- und Kriegsforscherin am Institut für Strategieanalysen in Wien. 

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