Alles was nun geschieht, folgt einem uralten Ritual, bei dem der aufmerksame Beobachter nur staunend zuschauen kann. Im Herbst, noch lange bevor die ersten frostigen Tage den Winter ankündigten, hatten sich die Tiere an Stellen versteckt, die Schutz vor den tödlichen Einflüssen kalter Wintertage boten. In schlammigen Mulden, am Grunde von Gewässern, unter Blätter- und Reisighaufen, Bretterstapeln oder in Mauerlöchern begaben sie sich in eine Winterruhe, die man auch Winterstarre nennt.
Durch starke Reduktion aller Körperfunktionen überstehen Frösche die kalten Monate ohne Nahrungsaufnahme. Die Lungenatmung wird gänzlich eingestellt, der Körper nur mehr durch den über die Haut aufgenommenen Sauerstoff versorgt. Der Herzschlag und alle Stoffwechselfunktionen sind jetzt fast auf Null reduziert, der Körper verfällt in einen todähnlichen Zustand.
Die Körperflüssigkeiten von Amphibien gefrieren nicht. Sie haben ein körpereigenes Frostschutzmittel – Glycerin – das sie während der Wintermonate in ihrem Körper anreichern. Mit dieser Methode überstehen sie frostige Temperaturen bis Minus 6° Celsius, „sibirische“ Überwinterungsspezialisten überleben sogar Frostphasen bis Minus 16° Celsius. Doch nun erreichen die ersten wärmenden Sonnenstrahlen die Auwälder und Tümpel und das Leben regt sich von Neuem in den feuchten Ecken. Noch bevor die ersten grünen Pflanzen an den Ufern der Gewässer erscheinen, beginnt schon sehr früh im Jahr die Wanderung der liebestollen Männchen des Grasfrosches und der Erdkröte zu den Laichgewässern ihrer Herkunft. Von einem inneren Drang getrieben und mit einem untrüglichen Ortungssinn ausgestattet, machen sich die Tiere von ihren Winterquartieren auf und steuern ihre angestammten und oft weit entfernten Laichplätze an.
Nicht selten endet die Wanderung an einer Straße. So können an vielbefahrenen Straßen bis zu 90% einer Kröten- oder Froschpopulation überfahren werden. Auch in Osttirol, wie z.B. in Matrei, Lavant oder am Iselsberg, gibt es einige dieser „Hot Spots“. In einzelnen Abschnitten werden die wandernden Tiere entlang von Amphibienzäune gezielt in Fallen geführt, gesammelt und von Betreuern über die Straße gebracht. Im Idealfall gibt es „Kleintiertunnel“. Das sind Rohrdurchlässe mit Bodensubstrat, auf dem die Tiere die Barriere „Straße“ dann gefahrlos unterlaufen können.
Einmal am Laichgewässer angekommen, beginnt die Brautschau. Beim Gras-, Moor- und Springfrosch und bei der Erdkröte findet das Hochzeitspiel schon sehr früh im Jahr statt. Je nach Witterung manchmal sogar schon Ende Jänner oder im Februar. Oft ist das Gewässer noch mit Eis bedeckt, wenn sich die Frösche und Kröten zu großen, manchmal tausenden von Individuen zählenden Laichgesellschaften versammeln. Die Männchen treffen dabei meist einige Tage vor den Weibchen ein und sind dann auch häufig in der Überzahl. Das folgende Gerangel um die verbleibenden Weibchen endet manchmal auch tödlich.
Besonders eindrucksvoll und auffällig zeigen sich Laichgesellschaften des Moorfrosches, eine inzwischen seltenen Braunfroschart. Zur Paarungszeit verfärbt sich die Haut der Männchen dieser Art in ein auffallendes Himmelblau und für einen Beobachter hat dieses Farbenspiel vor dem Hintergrund eines dunklen Gewässergrundes dann einen besonderen Reiz.
Amphibienarten, die am Gewässer ihre Eier abgelegt haben, lassen sich gut an der Struktur ihres Laiches durch Anzahl, Farbe und Größe der Eier erkennen. Große Laichballen deponieren vor allem Gras-, Moor- und Springfrosch – die sogenannten „Braunfroscharten“, mit 500 bis 2500 Eier pro Laichballen. Kleinere Laichballen produzieren die Grünfroscharten wie der Wasser-, Teich- oder Seefrosch.
Die Laichzeiten dieser Arten sind auch deutlich weiter im Jahr vorgerückt, mit Schwerpunkt im Mai und Juni. Hinsichtlich der Artendifferenzierung sind sich Systematiker bei der Zuordnung dieser drei heimischen Grünfroscharten nicht einig. Der Wasserfrosch (Pelophylax „esculentus“) wird in der Literatur vielfach als eigene Art geführt und weist morphologische und genetische Übereinstimmungen mit dem Teichfrosch (Pelophlax lessonae) und dem Seefrosch (Pelophylax ridibundus) auf. Obwohl es sich hierbei offensichtlich um eine Hybride handelt, kann der Wasserfrosch fertile Nachkommen produzieren und entspricht somit nicht mehr der klassisch, wissenschaftlichen Artdefinition. Wir sind Zeitzeugen eines Artbildungsprozesses.
Die heimischen Grünfroscharten lieben besonnte, offene Stillgewässer und veranstalten, wenn sie in Stimmung sind, ein lautes Rufkonzert, das in lauen Frühlings- und Sommernächten bis in die Nacht dauert. Ein lauter Rufer ist der eher kleine Laubfrosch. Seine stimmungsvollen Sommerkonzerte erschallen ebenfalls nicht selten in der späten Nacht und haben schon so manchen müden Schläfer um seine Nachtruhe gebracht. Er hält sich gerne in gewässernahen Röhrichten und Sträuchern auf und ist eher selten im Wasser selbst zu finden. Durch seine besondere Haut, die ihn vor dem Austrocknen bewahrt, kann er sich zeitweise auch in trockeneren Bereichen aufhalten. Zum Beispiel in der „Schütt“, einer trockene Landschaft bei Arnoldstein, die so gar nicht nach Amphibienlebensraum aussieht.
Der Laubfrosch befestigt während seiner späten Laichzeit im April und Mai an Halmen und untergetauchten Ästen kleine Laichballen von 50 bis 100 Eiern. Auffällig sind seine großen und goldglänzenden Larven, die gerne von Fischen gefressen werden. Deshalb können potenzielle Laichgewässer durch einen hohen Fischbestand vor allem für diese Art gefährlich werden. Kröten hinterlassen ihre Eier in Form von langen Laichschnüren entlang der Uferzonen und benötigen deshalb für die Eiablage Strukturen im Gewässer wie z.B. abgetrocknete Röhrichtstängel oder untergetauchte Äste.
Eine gänzlich andere Strategie haben sich die Unken zugelegt, von denen es in Österreich noch zwei Arten gibt. Die sehr seltene Rotbauchunke, eine von Aussterben bedrohte Art, ist nur mehr vereinzelt in Bruchwäldern in den östlichen Regionen Österreichs zu finden und kommt im Bezirk Lienz nicht vor.
Die in Osttirol noch stellenweise zu beobachtende Gelbbauchunke bevorzugt sehr kleine, und damit auch meist rasch austrocknende Gewässer. Außerdem ist ihre Laichzeit deutlich gedehnt und reicht oft bis in die Sommermonate hinein. Als Anpassung an das räumlich und zeitlich rasch wechselnde Angebot an Laichgewässern legt sie mehrere Laichballen mit wenigen Eiern in verschiedenen kleinen Pfützen und Tümpeln ab. Oft reichen dabei wassergefüllte Vertiefungen in Wagenspuren schon als Laichgewässer aus.
Weil derartig kleine Wasseransammlungen meist rasch austrocknen, sind die Eier der Gelbbauchunke im Verhältnis zu Körpergröße schon recht groß und bekommen somit eine gewisse „Reserve“ mit auf den Weg. Zudem begünstigt das in den kleinen Tümpel meist gut durchwärmte Wasser die Morphogenese (Umwandlung vom Ei über die Larve zum erwachsenen Tier) und verkürzt die Entwicklungszeit der großen Larven auf wenige Tage.
Gut angepasst an besondere klimatische Umstände ist auch der ebenfalls in Osttirol heimische Alpensalamander. Der bevorzugte Lebensraum dieser Lurchart ist, wie der Name schon vermuten lässt, die Bergregion und dabei nicht selten die Bereiche oberhalb der Baumgrenzen.
Er ist in Osttirol an feuchten Tagen in allen Bergregionen vor allem aber entlang des Karnischen Kammes und im Bereich der Lienzer Dolomiten anzutreffen. Weil lange Winter, eher kühle Sommer und ein geringes Wasserangebot die erfolgreichen Reproduktion erschweren, verlagert der Alpensalamander die Entwicklung der Eier und der Larven in den Körper des Muttertieres und bringt wie die Säugetiere ein bis zwei voll entwickelte Jungtiere zur Welt. Diese Lurchart kann auf das für die übrigen heimischen Amphibien obligate Laichgewässer gänzlich verzichten.
Der ebenfalls noch in Osttirol vorkommenden Feuersalamander hat sich für einen Kompromiss entschieden. Mehrere kiementragende Larven entwickeln sich im Muttertier vom Ei zur Larve. Wegen der Kiemenatmung der Larven ist der Feuersalamander auf ein Laichgewässer angewiesen und bevorzugt dabei sauerstoffreiche Quellgewässer. Später ist der Feuersalamander aber von Oberflächengewässern unabhängig und beschränkt seine Wanderaktivitäten auf luftfeuchte Lebensräume in Höhlen und Nischen. Nur an Regentagen erweitert sich sein Wanderradius, man sieht in an feuchten Tagen im Umfeld laubbaumreicher Mischwaldgebiete.
Mit Ausnahme der beiden Salamanderarten entwickeln sich die Larven der übrigen Lurcharten im Wasser, angepasst an die Art des Gewässers und den Einfluss von Fressfeinden. Vor allem die Larven der Kröten haben eine Strategie entwickelt, die sie zumindest vor Feinden schützt: Sie schmecken einfach nicht gut. Diese Art der Abwehr bleibt auch bei ausgewachsenen Tieren erhalten. Sie bilden Hautgifte in speziellen Drüsen hinter dem Kopf. Die Larven der in Osttirol heimischen Erdkröte fühlen sich vor Fressfeinden so sicher, dass sie sich frei im Wasser bewegen und das nicht selten in großen Schwärmen.
Seltener sieht man die Larven der anderen Froscharten. Ihnen fehlen „Wehrgifte“. Ihre Strategie ist verstecken und tarnen. Die große, goldbraune Larve des Laubfrosches ist ein gutes Beispiel, sie ist besonders flink, reagiert sehr schnell und ist dann auch für geübte „Amphibienfischer“ nicht leicht zu erwischen.
Wie sieht es nun aus mit den Amphibien in Osttirol?
Im Bezirk Lienz sind aktuell zehn der insgesamt 21 in Österreich vorkommenden Amphibienarten bekannt. Zwei Arten dominieren den Bestand. Das ist einmal die Erdkröte. Sie ist vor allem in den Tallagen der Haupt- und Seitentäler Osttirols weit verbreitet, bevorzugt aber eher die tiefer gelegene und wärmeren Regionen des Bezirkes. Dieser Lurchart begegnet man während warmer und feuchter Sommertage immer wieder in Wäldern, Parks und Gärten. Ein Nützling, der vor allem von Insekten, Weichtieren und anderen Schädlingen des Gartens lebt.
Und dann der Grasfrosch. Er besitzt ein weites Höhenspektrum. Man kann fallweise auch auf Almen und in höher gelegenen Alpentälern seinen Laich finden. Wegen der in den Höhen oft kurzen Sommer und den niederen Temperaturen kann es aber vorkommen, dass in einer kühlen Sommersaison die Larven ihre Entwicklung nicht beenden können und in einem frühen Bergwinter absterben. Der Grasfrosch ist deshalb eher in den Tallagen verbreitet.
An dritter Stelle wäre hier schon der Bergmolch zu nennen. Diese hübsche Molchart fällt vor allem während der Laichzeit durch ein leuchtend orange gefärbtes Prachtkleid auf. Sein bevorzugter Lebensraum sind ebenfalls die Stillgewässer der Bergregionen, fallweise findet man die Art aber auch in geeigneten Teichen und Tümpeln der Täler.
Wenn man einen regennassen Tag für eine Bergwanderung nicht scheut, kann man an solchen dem schwarzen Alpensalamander begegnen für den nur an feuchten Tagen die Möglichkeit besteht seinen Unterschlupf zu verlassen. Er benötigt wie auch der Feuersalamander außerhalb seines Versteckes einen hohen Wassergehalt der Luft mit mindestens 85% um seine Haut feucht zu halten die einen wesentlichen Teil seiner Atmung übernimmt.
Zu den deutlich selteneren Vertretern dieser Gruppe zählt der eben genannte Feuersalamander. Er überwintert gerne in Felshöhlen, seine Larven entlässt er bevorzugt in frischen, sauerstoffreichen Gewässern. Die niedrigen Temperaturen dieser Gewässer bedingen ein langsames Wachstum und nicht selten kann es vorkommen, dass in ein und demselben Laichgewässer zwei Larvengenerationen zu finden sind. Nachweise dieser Art sind aus den Tallagen um Lienz bekannt, die kühlen Bergregionen meidet er.
Von den Grünfröschen sind in Osttirol vereinzeln Beobachtungen des kleinen Teichfrosches und des Wasserforsches bekannt. Beide Arten sind jedoch nicht häufig und finden auch fallweise ein Ersatzbiotop in einem Gartenteich, wo sie dann auch schon mal einen Sommer verbringen können. Sie verweilen vorzugsweise bei einem Gewässer und wechseln dabei zwischen den flachen Ufern und dem Gewässer in dem sie dann Deckung suchen.
Für den sehr seltenen Seefrosch ist das nächste Vorkommen erst im Bereich des „Maibachls“ und des Warmbadbaches bei Villach benannt, in Osttirol kommt diese Art jedoch nicht vor.
Zu den selteneren Amphibienarten in Osttirol zählt der Teichmolch. Fallweise erscheint er in Teichen und Tümpeln in den Tallagen um Lienz und den tiefer gelegenen Regionen der Seitentäler. Er ist wie auch der Bergmolch ein steter Bewohner der Stillgewässer. Ebenfalls selten im Bezirk ist der Springfrosch. Eine Braunfroschart deren Verbreitungsgebiet entlang der Drauauen auch zeitweise bis nach Osttirol heraufreicht. Für diese Art sind jedoch nur Einzelfunde bekannt von denen der letzte aus dem Jahr 2002 stammt. Neuere Nachweise zu dieser Art fehlen für Osttirol.
Ehemals vorhanden Bestände des Laubfrosches und des Alpenkammmolches sind vermutlich inzwischen erloschen. Für beide Arten waren Nachweise in den Nörsacher Teichen vorhanden (KOFLER 1978). Aufgrund der starken Degradation und Isolation der dort vorhandenen Biotopflächen gelangen jedoch in den letzten Jahren dort keine Nachweise mehr.
Was kann man nun tun, um dieser illustren Gesellschaft zu helfen?
Ganz oben auf der Liste könnte die Errichtung, Revitalisierung oder Neuanlage von Laichgewässern stehen. Dabei wäre darauf zu achten, dass diese eine ausreichende Tiefe (frostfreier Gewässergrund) und flache besonnte Ufer besitzen.
Auf einen Fischbesatz sollt dabei gänzlich verzichtet werden, da vor allem der Laich und die Larven der meisten heimischen Lurcharten von Fischen gerne als Nahrung angenommen werden. Eine Vernetzung und gute Anbindung an umgebende Feuchtflächen, Gehölz- oder Gewässerstrukturen durch Korridore und Trittsteinbiotope sollte ebenfalls vorhanden sein.
Weitere Hilfestellungen könnten durch die Anlage von Überwinterungsmöglichkeiten geschaffen werden. Unterschlupfmöglichkeiten in Lesesteinmauern, unter Steinplatten und Erdlöchern, in Laub- und Reisighaufen helfen hier den Tieren auf der Suche nach einem frostgeschützten Winterquartier. Potentielle Fallen wie Lichtschächte von Kellerfenster, steilwandige Hausnischen oder Wasserbecken mit steilen Rändern können für Amphibien jedoch zu unentrinnbaren Fallen werden. Leitstrukturen an Wanderrouten mit Straßenquerungen sind hierbei ebenso ein guter Ansatz um den wandernden Tieren das gefahrlose Queren der Straße zu ermöglichen. Und nicht zuletzt sei noch erwähnt, dass auch ein angepasstes Fahrverhalten an Straßenabschnitten mit querenden Amphibien vielen Tiere das Leben retten könnte.
Lassen wir uns also ein auf die Rhythmik der Natur und beobachten wir die Frösche und Kröten bei ihren Wanderungen, einem uralten Ritual das sich nun schon seit vielen Millionen Jahren wiederholt – denn die Amphibien sind die stammesgeschichtlich ältesten Landwirbeltiere unseres Planeten.
Ein Artikel von Herbert Angerer
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