Wird Kunst als Form der Kommunikation angesprochen, ist Verständigung ihr vornehmstes Ziel. Verständigung bedarf der kulturellen Übereinkunft, der Konvention, deren Weitergabe kulturellen Institutionen – Familie, Schule, Bildungsinstituten – obliegt. Konventionen sollten allgemein verständlich sein, und wer sie mehrheitlich beherrscht, ist allgemeingebildet. Vom Künstler hingegen werden unkonventionelles Verhalten und Visionen erwartet.
„In der Schule habe ich mir schwergetan, besonders mit den Vorgaben im Zeichenunterricht.“
Elfriede Skramovky
Wir können uns darauf verständigen, was ein Gesicht ist – im Sinne von Visage, wohlgemerkt, und nicht im Sinne von Vision. Und was bildlich als Gesicht verstanden wird, ist als konventionelle Ordnung darstellerischer Äquivalente bereits Gegenstand frühkindlicher Bildung. Satzzeichen werden zu ikonischen Zeichen, Punkt und Beistrich formieren sich zum Bild :-). Um die biometrische Wiedererkennung nicht zu gefährden empfiehlt es sich heute allerdings, die Klammer gegen eine vertikale Linie auszutauschen. Dieses Bild jedoch bezeichnet nur eine Allgemeinvorstellung von einem Gesicht, bleibt ein Schema und im besten Falle eine Idee. Von der Idealität zur Individualität bedarf es gezielter Bemühung, die der Künstler und Porträtist in die der Bemühung des Visagisten entgegen gesetzten Richtung anstellt. Elfriede Skramovsky recherchiert ihre Modelle in Modemagazinen und im Bekanntenkreis. Dabei kommt ihr der Zeichenvorrat zugute, den sie über Jahrzehnte entwickelt hat, und der, zwar ganz anders, wenn auch nicht unbedingt reicher als jener der Schreibmaschine, zur Niederschrift der Ideen eines ganzen Künstlerlebens ausreichen sollte. Begonnen wird immer mit einer Umrisslinie, die entweder spontane Geste oder Projektion realer Phänomene sein kann.
In jedem Fall aber umgrenzt sie ein mögliches Spannungsfeld, das mit präzis gezeichneten Ornamenten visualisiert, befüllt und gedeutet wird. Dass die Methode sogar Porträtähnlichkeit und, mehr noch, die Individualität und den Charakter des Vorbilds erreicht, beruht darauf, dass sie weniger einen dekorativen Rhythmus als vielmehr Skramovskys kalkuliert-einfühlsamen Drang zur Gestalt bedient. Was die alten Griechen Skiagraphie, „Schattenschrift“ nannten, welche über bloßes „Anmalen“ hinaus den Figuren Volumen und plastische Wirkung verleiht, wird damit höchst eigensinnig aktualisiert.
„Meine Arbeit muss erkennbar bleiben, über alles andere kann man reden.“
Elfriede Skramovky
Mit Feder und spitzem Pinsel, schwarzer und farbiger Tinte erreicht Skramovsky ihr Ziel auf direktestem Weg, doch ist der bevorzugte Träger ihrer Ideen, das Papier – wie sie selbst – auch geduldig: Arbeitsteiligkeit, Vernetzung, Interessenausgleich sind Potenziale, die ihr System ohne den geringsten Schaden auch fremden Zugriffen öffnet. In dem vom Architekten Peter Jungmann in Kooperation mit dem Grafiker Reinhard Gruber für die Schalterhalle der Lienzer Sparkasse konzipierte „Green Screen“ ist eine kleinformatige Zeichnung Skramovskys digital auf ein schier unglaubliches Maß aufgeblasen, und doch hat sich, was zunächst als ein unberechenbares Wagnis erschien, mittlerweile als das gesamte Raumerlebnis entscheidender Akzent bewährt.
Diese Anpassungsfähigkeit gestattete Skramovskys Figuren sogar, von ihrem angestammten Milieu der neutralen Fläche in die phantastische Raumillusion des Innsbrucker Künstlers Elmar Trenkwalder zu wechseln. Selbstverständlich bedürfen auch Kooperationen wie das 1997 realisierte Kunst-am-Bau-Projekt für die HTL Lienz der Übereinkunft, die sich aber nicht in theoretischen Formulierungen, sondern im kongenialen Tun zweier ganz unterschiedlicher Künstler ausspricht. Für Seilschaften, bei denen ein Partner die Vormundschaft über den anderen reklamiert und ihn zum Erfüllungsgehilfen artfremder Konzepte herabstuft, ist Skramovsky aber nicht zu gewinnen.
„Ich weiß selber am besten, wie ich meine Arbeit zu machen habe.“
Elfriede Skramovsky
Gesichter, und diese Erkenntnis macht sich auch das amtliche Passbild zunutze, versetzen uns in die Lage, Träger des gleichen Namens voneinander zu unterscheiden. Viel seltener unterscheidet ein Name die Träger des gleichen Gesichts, und doch sind Erfahrungen mit diesem Sonderfall in Skramovskys künstlerischer Biografie nachzulesen. Die Frage nach der Identität war Dreh- und Angelpunkt ihrer Zusammenarbeit mit den Künstlerzwillingen Christine und Irene Hohenbüchler. 1997 wurde dieses Projekt mit der Teilnahme an der Documenta in Kassel gekrönt – was man nicht nur hierzulande so gut wie überhaupt nicht registrierte, da Skramovskys Name, ebenso wie der ihrer Kollegen aus der Kunstwerkstatt Lienz, in der Anonymität einer „Multiplen Autoren-schaft“ aufging.
Mit ihrem Namen und ihrer Arbeit, die sich ganz ohne Fremdanleihen auf ihr eigenes Wesen beschränkt, macht Elfriede Skramovsky seither verstärkt ihren Besitzanspruch geltend: den auf die Autorschaft und auf das Recht am eigenen Bild.
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