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Fotos: Helmut Deutsch

Fotos: Helmut Deutsch

Die 1000 Augen der Schmetterlinge

Insekten haben Facettenaugen mit erstaunlichen Qualitäten. Sie können nach hinten sehen und bis zu 300 Bilder pro Sekunde verarbeiten. Bei Schmetterlingen ist allerdings nicht alles ein Auge, was wie ein solches aussieht.

Schmetterlinge besitzen wie alle Insekten ein Paar Facettenaufen oder Komplexaugen, die sich aus zahlreichen sechseckigen Einzelaugen (Ommatidien) zusammensetzen und starr mit der Kopfkapsel verbunden sind. Die Anzahl dieser Einzelaugen liegt je nach Art bei einigen hundert bis mehreren tausend pro Augen, am meisten haben die Libellen mit ca. 30.000. Manche Schmetterlingsarten besitzen darüber hinaus noch punktförmige Zusatzaugen (Ocellen), die den Tag-Nacht-Rhythmus steuern. Durch die unterschiedlichen Anforderungen haben tag- und nachtaktive Insekten verschiedene Typen von Facettenaugen.

Der Aurorafalter ist einer der ersten Frühlingsboten.

Die Einzelaugen erzeugen jeweils eigene Bildpunkte, die vom Gehirn zu einem mosaikartigen Gesamtbild zusammengefügt werden. Die Sehleistung der Insekten ist nicht besonders stark, der Sichtradius liegt meist bei weniger als fünf Metern. Die Hauptleistung liegt im ultravioletten Lichtspektrum, die Farbe Rot dagegen wird kaum erkannt. Die räumliche Auflösung des Facettenauges ist durch die Anzahl der Bildpunkte begrenzt und dadurch weitaus geringer als die des menschlichen Linsenauges. Dagegen ist die zeitliche Auflösung viel höher (bei Libellen 300 Bilder/Sek.) als beim Menschenauge (ca. 60 Bilder/Sek.). Die halbkugelige Form der Facettenaugen ermöglicht einen enormen „Rundblick“, der Blickwinkel beträgt bei einigen Libellen- und Fliegenarten mehr als 300 Grad. Diese Tiere können somit zum Teil „nach hinten“ sehen. Dieser Umstand und die beeindruckende Reaktionsgeschwindigkeit machen es für die Insekten möglich, inmitten ihrer zahlreichen Fressfeinde zu bestehen. Nun wissen wir auch, warum es so schwierig ist, eine Fliege mit der bloßen Hand zu fangen - wir sind einfach zu langsam!

Der Gelbringfalter

Insekten - und damit die ersten Facettenaugen - traten erstmals vor ca. 400 Millionen Jahren auf, was anhand von fossilen Belegen nachgewiesen werden konnte. Die Ordnung der Schmetterlinge entstand, so schätzen Fachleute, vor etwa 145 Millionen Jahren am Beginn der Kreidezeit, zusammen mit den Blütenpflanzen. Fossile Nachweise von Schmetterlingen sind sehr selten und finden sich meist in Bernsteineinschlüssen. Sie werden auf 50 bis 60 Millionen Jahre datiert.

Die Form und Ausdruckskraft des Auges wird in der Natur häufig nachgeahmt und genutzt, um die Überlebenschancen der Beutetiere zu erhöhen. Dabei wird auf Abschreckung gesetzt und teilweise zu bizarren Mitteln gegriffen. Auf der Ober- und Unterseite der Flügel vieler Schmetterlinge und anderer Insekten findet man häufig Zeichnungselemente, die an die Augen größerer Tiere (z.B. Vögel, Kleinsäuger, Reptilien) erinnern. Sie werden als Scheinaugen bezeichnet.

Die Raupe des Oleanderschwärmers
Das Grüne Blatt, ein mittelgroßer Nachfalter mit beeindruckenden Facettenaugen

Zahlreiche unserer heimischen Schmetterlingsarten tragen diese „Augen“ nicht nur auf den Flügeln, sondern auch im Namen (Tagpfauenauge, Abendpfauauge, Nachtpfauenauge, Braunauge, Ochsenauge, Doppelaugen-Mohrfalter usw.). Sie lösen einen Abschreckungs- und Überraschungseffekt aus, der den Fressfeind irritiert und vorerst vom Angriff abhält. Diese „Schrecksekunde“ nutzen die Insekten zur Flucht. Die unterschiedlichsten Strategien kommen dabei zum Einsatz. Bei den Tagfaltern befinden sich diese Augenmuster auf der Oberseite (Tagpfauenauge, Schwalbenschwanz) und der Unterseite oder beiderseits (Apollofalter, Mohrenfalter, Blaukernauge, Gelbringfalter, Ochsenauge).

Die Nachtfalter tragen sie entweder auf allen vier Flügeln (Nachtpfauenauge, Nagelfleck) oder nur auf den Hinterflügeln, wie das Abenfpfauenauge. Letzteres gehört zur Familie der Schwärmer und hat unscheinbar graubraun gefärbte Vorderflügel, die an ein dürres Blatt erinnern und in Ruhestellung des Falters die bunten, blauäugigen Hinterflügel vollständig verdecken. Wird der Nachtfalter gestört, zieht er ruckartig die Vorderflügel nach vorne, sodass die „schaurigen Augen“ der Hinterflügel plötzlich sichtbar werden und den Störenfried verwirren. Wenn sich die Situation beruhigt hat, werden die Vorderflügel wieder über die Hinterflügel geschoben und die Tarnung ist erneut gegeben.

Die Facettenaugen des Perlmuttfalters. Der Tagfalter hat eine Flügelspannweite von 28 bis 38 Millimetern und ist in Europa weit verbreitet.

Bei manchen tropischen Arten ist diese Strategie bis zur Perfektion entwickelt und treibt aberwitzige Blüten. Es ist bei der unermesslichen Artenvielfalt der tropischen Wälder wohl auch nötig, kreative Überlebensstrategien zu entwickeln und ständig zu verbessern. Die großen Automeris-Pfauenspinner aus Mittel- und Südamerika sind mit geschlossenen Flügeln in Ruhestellung in der Vegetation absolut unsichtbar. Wenn sie plötzlich ihre großen runden „Augen“ auf den Hinterflügeln zeigen, erschrickt man sogar als abgebrühter Entomologe. Ähnlich verhält es sich mit den riesigen Bananenfaltern der Gattung Caligo, ebenfalls aus Südamerika, von denen man eben noch die braunweißen „Kuhaugen“ gesehen hat, und die - in einen Strauch geflüchtet und reglos sitzend - nicht mehr zu finden sind und das trotz einer Größe von 15 Zentimetern!

Ein Abendpfauenauge zeigt die „Augen“ der Hinterflügel.

Am häufigsten ist das „Augenprinzip“ bei den großen tropischen Vertretern der Pfauen- oder Augenspinner (Saturniidae) verbreitet. Auch in Mitteleuropa gibt es fünf Arten von Pfauenspinnern, nämlich den Nagelfleck, das Kleine und das Große Nachtpfauenauge, das Ligurische Nachtpfauenauge und den im 19. Jahrhundert aus Ostasien eingeführten Japanischen Eichenseidenspinner, der sich mittlerweile in weiten Teilen Europas ausbreitet.

Apollofalter

Diese Tiere tragen auf allen vier Flügeln Augenzeichnungen. Sogar die Raupen mancher Schmetterlingsarten nutzen die Strategie der Abschreckung von Fressfeinden durch Scheinaugen. Einige unserer heimischen Schwärmerraupen – zum Beispiel der Weinschwärmer und der Oleanderschwärmer – besitzen auf den vorderen Körpersegmenten zwei oder vier augenähnliche, weiß oder blau gekernte Elemente. Zusätzlich sind sie in der Lage, bei Störung die Segmente aufzublähen und zu vergrößern, sodass ein wirkungsvoller Abschreckungseffekt eintritt. In Verbindung mit heftigen ruckartigen Bewegungen erinnern die Raupen dann etwas an eine Schlange.

Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass auch wir Menschen in den verschiedensten Situationen auf die Wirkungskraft unserer Augen setzen. In Verbindung mit der Mimik und Gestik hat das Spiel mit den Augen schon so manchen Erfolg bewirkt – oder vereitelt.


Ein Artikel von Helmut Deutsch

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