Kein anderer Bezirk in Tirol hat weniger Zuwanderer als Osttirol. Hier ist das „Fremde“ schon aufgrund seiner Seltenheit exotisch. Wir wollten uns nicht mit dem vertrauten Geschmack zufrieden geben und haben in der Vielvölker-Küche des Lienzer Flüchtlingsheimes „Angerburg“ über den kulinarischen Tellerrand geblickt. Dort kochten Menschen aus aller Welt für uns typische Gerichte aus ihrer Heimat.
Köstliche Teigtaschen aus Somalia
Sarah und Ismael kommen aus Somalia. Das Flüchtlingsschicksal hat sie zufällig in der Angerburg zusammengeführt.
Ismael ist seit vier Jahren hier, arbeitet in einer Gärtnerei und träumt davon, mit seiner Familie in Lienz zu leben. Sarah kam später, die beiden sind kein Paar, kochen aber gemeinsam und bereiten für uns „Saabus“ zu, gefüllte somalische Teigtaschen, nicht ganz einfach, aber eine gefragte Köstlichkeit bei Hochzeiten und nach dem Fastenmonat Ramadan. Ismael schnipselt die Zutaten für die Fülle, Zwiebeln, Paprika, Karotten, Kartoffeln. All das wird mit kurz angebratenem Faschierten vermischt. Sarah formt die Taschen aus einem Teig aus Mehl, Wasser, Salz und Germ. Sie rollt ihn wie Pizza aus, legt zwei Scheiben übereinander, bestreicht sie in der Mitte mit etwas Öl, viertelt das Ganze und formt daraus geschickt dreieckige Taschen, die erst gefüllt, dann mit Joghurt verschlossen und in Öl herausgebacken werden, wie eine Art somalische Frühlingsrolle.
Dazu gab’s auch noch Sabayad und Ceesh, Fladenbrot, das in Öl oder einfach in der heißen Pfanne gebacken wird.
So kocht man im Kaukasus
Manya und Ara kommen aus Armenien, sind verheiratet und leben seit sieben Monaten in Österreich. Ara macht den Hausmeister in der Angerburg, Manya putzt und arbeitet in der Küche.
Für uns bereiten die beiden zwei klassische Gerichte aus der Kaukasusregion zu: „Gata“ ist eine armenische Süßspeise, ein Butterkuchen, vergleichbar mit unserem Strudel oder einer süßen Roulade. Gata darf bei Hochzeiten und kirchlichen Festen nicht fehlen, schmeckt aber auch werktags gut, wie uns Manya und Ara versichern. Der Teig besteht aus Mehl, Butter, Sauerrahm und Buttermilch. Für die Fülle werden Butter, Mehl, Zucker und Vanillezucker vermischt. Alles einrollen, mit Eigelb bestreichen und ab ins Rohr.
Das zweite Gericht heißt „Khachapuri“, stammt aus Georgien und wird je nach Region in vielen verschiedenen Varianten zubereitet. Jede Stadt hat ihr eigenes Khachapuri, das dann auch nach seinem Herkunftsort benannt wird. Unsere beiden Varianten heißen „Hdjarian“ und „Imeretinian“. Der Hefeteig als Basis ist überall gleich, entscheidend ist, womit das Khachapuri gefüllt oder überbacken wird! Es gibt sie hauptsächlich mit Käse, aber auch mit Eiern, Sauerrahm, Knoblauch und Vielem mehr, oft zum Frühstück und gerne zwischendurch als Snack.
Selbst ist der Mann!
Zu Hause in Afghanistan verbrachten Didar, Zai und Eshaq – wie fast alle afghanischen Männer – recht wenig Zeit in der Küche. Doch die Flucht hat ihr Leben und damit auch ihren Alltag verändert.
Ihre Familien mussten sie zurücklassen. Didar, der seit acht Monaten in Osttirol ist, hat drei Kinder in Afghanistan. Zai hat zwei Kinder und lebt schon zwei Jahre in Lienz. Für uns bereiten die Männer ein wirklich ausgezeichnetes Alltagsgericht aus ihrer Heimat zu: Chicken Kabaf, eine Empfehlung zum Nachkochen. Hühnerkeulen werden mit Zitronensaft, Öl, Yoghurt, Knoblauch, Curry, Salz und Gewürzen 30 Minuten mariniert und gemeinsam mit Tomaten und Kartoffeln auf dem Backblech im Rohr gegart.
Dazu passt afghanisches Brot. Der mit Mehl, Öl und Milch zubereitete Germteig muss zwei Stunden rasten und wird mit den Fingern eingekerbt, bevor er ins Backrohr wandert. Und weil die Gastfreundschaft in Afghanistan groß geschrieben wird, kochen die Jungs auch noch Reis mit Rindfleisch für uns!
Apropos Gastfreundschaft: Das kulinarische Fotoshooting in der Angerburg war ein Erlebnis auch in dieser Hinsicht. Fotografin Ramona Waldner wurde nicht nur zur ausgiebigen Verkostung eingeladen, sondern auch noch mit Essen zum Mitnehmen versorgt. Wir sagen danke und wünschen den Köchinnen und Köchen fern der Heimat, dass zumindest einige ihrer Wünsche in Erfüllung gehen, vielleicht auch der, eines Tages mit ihren Familien in Osttirol zu leben und zu arbeiten.
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