Nicht nur Imker fordern: weg mit dem Wiesenkondom!
Was haben Bienen mit Bergkäse zu tun und was geht das Osttirols Landwirte an? Ein Kommentar.
Auf Hamburgs eindrucksvollstem Wochenmarkt, dem Isemarkt, steht Konrad Nagele, ein Tiroler Bauernstandler, und verkauft eindrucksvoll große Mengen exzellenten Nordtiroler Bergkäses. Er kennt seine Produzenten und ihre Sennereien, teilweise sogar die Bauern, von denen die Milch stammt. „Da schmeckst Du jedes Kraut drinnen. Wunderbar“, sagt er seinen Kunden stolz. Spricht man ihn auf Silage an, dann verzieht der gelernte Sommelier und Feinspitz sein Gesicht und sagt: “Damit bekommst Du keinen guten Bergkäse hin. Käse aus Silagemilch riecht nicht gut, da schmeckst Du die Gärung raus.“ Fragt man Bergkäseproduzenten, von denen es in Nordtirol einige gibt, so lehnen sie Milch aus Silagefütterung ab und schwören auf Heumilch.
Heu sieht man nur noch selten in Osttirol. Gelegentlich schon, wenn auch nicht mehr in der hochdekorativen Form von „Schöberlan“, wie sie mein Onkel nannte. Dafür säumen die heimischen Wiesen in großer Zahl wenig dekorative Silageballen – Wiesenkondome, wie ich sie nenne. Eine Kräuterwissende erzählte mir in den Neunzigern, sie halte den Einsatz dieser Ballen für eine gefährliche Entwicklung, weil durch sie die Samen von Blumen und Kräutern nicht mehr zur Reife kämen. Sie hätte beobachtet, wie der Blütenreichtum auf den Wiesen schrumpfe. Das sei auch für die Bienen gefährlich, sagte sie, und damit auch für den Mensch. Mittlerweile sagt das auch die Wissenschaft. Und nicht nur sie.
Der Imker Klaus Steiner bat jüngst seine Raiffeisen Genossen um eine etwas spätere Mahd. Weil Osttirols Bienen sonst nichts zu bestäuben hätten. Und die Genossen möchten bitte nicht ganz so häufig mähen, weil sonst nichts wächst, was überhaupt zur Blüte kommt. Und sie sollten etwas weniger düngen, die Genossen. Denn die meisten blütentragenden Pflanzen in den Alpen sind stickstoffgesättigte Böden nicht gewöhnt. Das „Red Bull für die Wiese“ macht die heimische Flora und damit die an sie angepasste Fauna platt. Sie geht ein an Überdüngung.
Mit seiner als Bitte formulierten Forderung steht Klaus Steiner nicht allein da. Auch das Umweltbundesamt macht sich Sorgen um die Bienen, wenn auch in diesem Fall um den Bestand der wilden Waldbiene. Die ist noch mehr als die Honigbiene der Osttiroler Imker auf eine intakte Natur angewiesen. Für Landwirte, die vor allem den Kostenfaktor bei der Produktion von Futtermitteln im Auge haben, mögen sich solche Forderungen weltfremd anhören. Dabei sägen sie mit der Düngung der Wiesen und ihrer häufigen Mahd an dem Ast, auf dem sie sitzen.
Die alpine Flora und Fauna ist hochspezialisiert und reich an Besonderheiten. Wer sie dezimiert, nimmt sich selbst die Chance, hochwertige Marken zu kreieren und zu vermarkten. Marken, die sehr erfolgreich sein können, wie Konrad mit Bergkäse aus Nordtirol am Hamburger Isemarkt zeigt. Vielleicht wird Osttirol in Zukunft auf der AMA-Karte gefunden. Mit Bergkäse und Fasslbutter aus heimischer Produktion, aus Heu- und Weidemilch. Weil Osttirols Landwirte auf Wiesenkondome verzichten. Dann hätten auch Obertilliachs Schupfen wieder eine echte Daseinsberechtigung und Klaus Steiners Bienen was zu naschen.
6 Postings
@ Dichter: hier ein paar Ergänzungen: Rosa Ballen gibt es wegen einer Charity Aktion zur Brustkrebsvorsorge - daher pink als Signalfarbe.
Unkontrolliert triffts wohl auch nicht ganz, weil es regelmäßig Foliensammlungen gibt, also sehr umweltfreundlich und weil die Bauern ihre Ballen nach dem Preisen immer auf einem Platz am Feld oder zu Hause stapeln.
Mich wundert's, dass gerade die Osttirol hier angeprangert wird. Hier sind viele Bauern, die ja eh nicht einmal vor dem 1. Juli mähen können und viel geringerer Einsatz von chem. Pflanzenschutzmitteln. Nebenbei brauchen Bienen ja nicht alle Felder, sondern es reicht aus, wenn man ihnen Blühstreifen und Hecken lässt. Kaum wo, ist die Artenvielfalt so hoch wie in Osttirol.
Wir brauchen die Bienen, aber wir brauchen auch die Bauern und ich glaube die meisten Teile des Bezirkes haben Bewirtschaftungserschwernis genug.
Abschließend verweise ich auf eine kürzlich veröffentlichte Zahl - alle 2 Wochen sperrt ein Bauern in Osttirol zu - und solche Anprangerungen an die heimische Landwirtschaft sind bei dem Problem nicht förderlich!
Mich wundert eh schon lange, warum hier der Ortsbildschutz nicht greift???? Überall liegen diese hässlichen Ballen herum, grün, hellblau oder sogar rosa...verrückt, diese Welt...eine Fassade eines antiken Gebäudes darf nicht verändert werden, aber dieser Plastik-müll-mist darf überall und unkontrolliert herumliegen. Und auf die Bienen wird sowieso gepfiffen....es zählt nur noch der schnelle Mammon....
Bezüglich Ortsbildschutz: Mir persönlich sind ein paar Siloballen, welche sowiso nur für ein paar Tage auf den Feldern liegen, immer noch lieber als so manche Monokultur außerhalb Osttirols Grenzen. Freilich wird dir lieber DICHTER ein Rapsfeld in einer "Vollgasgegend" natürlicher und schöner erscheinen, allerdings weißt du wahrschienlich auch nicht, was in solche Kulturen reingespritzt wird. Glyphosat - weißt du was das ist? Dieses amerikanische Mittelchen wird zum Beispiel wöchentlich über diese Pflanzen gesprüht, die Biene holt sich den Nektar der behandelten Pflanzen, erreicht aber den Bienenstock nicht mehr, weil sie in der Zwischenzeit verreckt ist. Die Osttiroler Bauern gehören in Östtereich mit Sicherheit zu den saubersten und nachhaltigsten, denn bei uns kommen zu einem hohen Prozentsatz nur natürliche Sachen aufs Feld und dazu gehört halt einmal der Mist oder die Gülle! Das Statement "Und auf die Bienen wird sowieso gepfiffen..." hättest du dir daher lieber sparen sollen.
„Für Landwirte, die vor allem den Kostenfaktor bei der Produktion von Futtermitteln im Auge haben, mögen sich solche Forderungen weltfremd anhören. Dabei sägen sie mit der Düngung der Wiesen und ihrer häufigen Mahd an dem Ast, auf dem sie sitzen.“ Nein. Es sind eben nicht die Bauern, welche sich das eigene Grab schaufeln. Konsumenten, die zu Billigprodukten greifen, zwingen die heimische, kleinstrukturierte Landwirtschaft zur Ertragsoptimierung. Um annähernd mit Großproduzenten in Gunstlagen mithalten zu können, muss die Leistung unserer Nutztiere und Produktionsflächen gesteigert werden. Im Stadium des sogenannten Ähren- Rispenschiebens hat das Grünland die besten Futterqualitäten. Zum Zeitpunkt der Blüte, welche für unsere Bienen wichtig ist, ist der Energie- und Rohproteingehalt des Futters deutlich niedriger. Wie kann gerade ein Osttiroler Bauer, der ohnehin auf Ausgleichszahlungen angewiesen ist, auf größtmöglichen Ertrag verzichten? Eine wirklich Bienen-freundliche Landwirtschaft wird nur möglich sein, wenn wieder mehr auf Regionalität und Qualität und nicht so sehr auf den Preis geschaut wird. Lasst uns also wieder mehr heimische Produkte einkaufen, wenn möglich, dann sogar beim Bauern selbst.
Wenn ich diesen Artikel richtig verstanden habe, dann sind wirklich die Siloballen auf Osttirols Feldern für das Bienensterben verantwortlich. Ich finde es nicht gut, dass man solche Zusammenhänge der Leserschaft aufbindet, denn diese sind in fachlicher Hinsicht von der untersten Schublade! Ich bin auch kein Silofan, aber man sollte die ganze Sache trotzdem objektiv betrachten. Zum ersten möchte ich erwähnen, dass Heu in Osttirol keine Seltenheit ist, sondern im Vergleich zu anderen Regionen (z.B. Oberösterreich aber auch Teile Nordtirols) einen großen Anteil des Futters darstellt. Auf den Osttiroler Grünlandflächen wird sehr viel Heu produziert. Es mag schon sein, dass entlang der Hauptstraßen viele Silobälle zu sehen sind, aber abseits der Talsohlen können meistens schon alleine wegen dem Gelände keine Ballen gepresst werden. Der edle Nordtiroler Bergkäse ist sicherlich aus Heumilch hergestellt worden. Warum aber sollte dieser Käse Bienen-freundlicher sein, als ein Milchprodukt, wo die Milch von einem „Silobauern“ mit Siloballen stammt? Darf dieses Heu vor der Ernte wirklich blühen? Gerade Heumilchbetreibe setzen auf qualitativ hochwertiges Heu und mähen das Futter zum selben Zeitpunkt wie für die Siloproduktion. In der Heumilchhochburg Vorarlberg wird schon im Mai ein Großteil des Heues geerntet. Da stehen die Gräser schlicht und einfach nicht in voller Blüte! Auch die Weide bietet den Bienen wenig blühende Pflanzen. Tiere fressen das Gras nur wenn es jung ist. Der appetitlichste Zeitpunkt hierfür liegt beim Schossen der Weide. Dieses Stadium liegt weit vor dem, wo normalerweise gemäht wird. Nebenbei sei noch erwähnt, dass nicht nur Siloballen für die Saftfutterkonservierung eingesetzt werden, sondern, dass es hierfür auch sogenannte Fahrsilos oder Hochsilos gibt. FAZIT: SILOBALLEN NICHT VON HAUS AUS MIT DEM BIENENSTERBEN ASSOZIIEREN.
Euer Wort in Gottes Ohr... ...wird aber keinen Anklang finden. In den Ebenen geht es schon längst um Ertragsmaximierung wegen verfallener Preise konventionell erzeugter Produkte. Und nicht konventionell zu produzieren kommt aufgrund der Mechanisierung (sprich: bequeme Art vom Traktor aus zu gärtnern) nicht in Betracht. Alle anderen am Hang, die sowieso wie die beiden Jungs im Bild, mit harter händischer Arbeit ihre paar Schädel unterhalten müssen, verstehen die dzt. Diskussion sowieso nicht. Und die machen eigentlich den Großteil der Flächen in Osttirol aus. Somit verstehe auch ich die Diskussion nicht wirklich...
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