Mario Tomic: „Slam hat mein Leben verändert“
Interview mit einem der erfolgreichsten Poetry Slammer Österreichs.
Hi Mario, wie geht es dir?
Hallo. Es geht mir gut. Der März hat es erfahrungsgemäß in sich. Bei mir waren es jetzt neun Tage Deutschlandtour, danach sechs eigene Veranstaltungen und drei tolle Geburtstage. Also noch kein einziger normaler Durchschnittstag in diesem Monat. Es ist halt mein März und der fühlt sich Jahr für Jahr besser an.
Ich hab deinen Namen gegoogelt und da kam als erstes ein kanadischer Rockgitarrist, der auch Mario Tomic heißt. Einen Finnen gibt es auch noch und einen ziemlich muskelbepackten Bodybuilder mit eigenem Youtube-Channel. Wirst du oft verwechselt?
Das ist sehr lustig. Der Gitarrist ist mir sehr gut bekannt, der Bodybuilder ist vor kurzem aus heiterem Himmel gekommen. Von dem Finnen höre ich zum ersten Mal. Aber nein. Oft werde ich nicht verwechselt und tatsächlich erstaunt mich das etwas. Ich denke die Leute, die mich googeln, tun das selten ohne irgendeine Vorstellung davon zu haben, wer ich bin oder was ich mache. Dann fügen sie einfach dem Suchbegriff „poetry slam“ bei und dann passt das ja eh.
Ich hätte so gerne ein bissl mehr darüber erfahren, wie du zum Poetry-Slammer wurdest. Erzähl uns davon!
Das ist eigentlich eine sehr lange und auch eine sehr persönliche und emotionale Geschichte, die ich jetzt lieber nicht allzu ausführlich in die Öffentlichkeit schicken möchte. Sollte ich eines Tages alt genug sein, um meine Memoiren zu schreiben, dann wird das ein guter Aufmacher sein. Die kürzere Fassung davon ist, dass ich mir eine selbst gebackene Therapie aufgezwungen habe. Ja, es ist ein kleines Hobby von mir, an der eigenen Persönlichkeit zu arbeiten. Jedenfalls waren sogenannte „Shame Attacks“ Hauptbestandteil dieser Therapie.
Ich lief also auf den Hauptplatz und fragte wahllos Passantinnen, wo der Hauptplatz ist; oder ich ging absichtlich in den Supermarkt ohne Geldbörse, erledigte den Einkauf und war dann gezwungen, alles an der Kassa zurückzulassen. Ich stellte also bewusst Situationen her, in denen man sich schämt. Das formt den Charakter und war bei mir damals eine sehr wichtige Sache. Jedenfalls machte ich regelmäßig diese Shame Attacks und forderte mir immer mehr und mehr Selbstbewusstsein ab. Eine harte Therapie, die dann in einem öffentlichen Auftritt münden sollte. Und da kam dann Poetry Slam ins Spiel. Von da an war ich dann tatsächlich erfolgreich therapiert und kann rückblickend wirklich behaupten: „Slam hat mein Leben verändert“.
Lebst du vom Slammen oder gibt es noch einen Brotberuf?
Glücklicherweise bin ich einer von wenigen Menschen, die von Slam leben können, wenn auch ich eher vom Veranstalten und von Workshops lebe, denn von der eigenen Kunst. Aber dennoch, ich muss keinen 0815 Frustberuf ausüben. Ich mache, was mir Spaß macht und muss natürlich etwas bescheidener leben. Dafür bin ich mein eigener Chef und frei. Sicher, wenn ich vergleiche, was ich als Psychologe verdienen könnte und was ich als Künstler verdiene, dann ist das ein sehr großer Unterschied. Auf der anderen Seite ist die Lebensqualität eine ganz andere. Wenn ich die Perspektive einnehme, dass der Geldunterschied der Preis für meine Freiheit ist, dann ist das in meinen Augen die Sache wert und irgendwo auch ein guter Deal.
Ich empfinde es so, als hätte es extrem lange gedauert, bis das Format „Poetry Slam“ in Österreich angekommen ist und jetzt kommt es mir so vor, als ob an jeder Ecke ein Slam stattfindet. Leidet darunter die Qualität?
Keineswegs. Mehr Veranstaltungen bedeutet mehr Infrastruktur. Mehr Infrastruktur bedeutet größerer Austausch und davon profitieren schließlich alle. Ich kann nur für meine lokale Szene reden, da ich die selbst mit aufgebaut habe. Wir haben mittlerweile um die fünf Veranstaltungen im Monat. Wichtig finde ich dabei, dass sich die Formate untereinander nicht zu sehr ähneln und dass man ein gesundes Gleichgewicht zwischen lokaler Szene und anreisenden PoetInnen herstellt.
Es gibt aber immer noch mehr männliche Slammer, woran liegt das? Traut ihr euch einfach mehr, habt ihr eher den Sketch drauf?
Ich denke, dass ist einem ungerichteten Geschlechterverhältnis in der Entstehung geschuldet und das derzeitige Bild trügt etwas. Der einzige Unterschied, den ich bei den Geschlechtern immer noch sehr oft feststelle, ist der, dass bei Männern die Bereitschaft höher ist, mit einem unfertigen, unausgefeilten oder anderweitig nicht zur Gänze zufrieden stellenden Text auf die Bühne zu gehen. Frauen achten viel mehr drauf, dass das Gesamtstück sie komplett zufrieden stellt, ehe sie den Text auf die Bühne bringen. In den letzten Jahren haben wir das „Quotenproblem“ sehr genau wahrgenommen. Ich habe bei allen Veranstaltungen eine Mindestquote, die erfüllt werden muss. In der Regel achte ich aber schon darauf, dass das tatsächliche Verhältnis bei 50/50 liegt. Ebenso ist auch eine sehr erfreuliche Tatsache, dass beim U20 Ö-Slam, das ist die Nachwuchsmeisterschaft, die Anfang März in Graz stattfand, von 18 TeilnehmeInnen lediglich vier männlich waren.
Wenn jetzt jemand zum ersten Mal mitmachen möchte – was ist dein Trick gegen Lampenfieber? Und – vielleicht noch wichtiger – was sollte man unbedingt NICHT machen beim Slammen?
Einzelheiten verrate ich beim Workshop. Ansonsten würde ich sagen: Genießen! Aufregung ist ganz normal und wenn sie dann durch den Bühnenauftritt aufgelöst wird, setzt das so viel positive Energie frei, dass ich mir meine Aufregung auch nach all den Jahren immer noch sehr gerne aufbewahre. Slam muss ja einen Adrenalinschub bringen, sonst machst du irgendwas falsch.
-------------
Mario Tomic ist erstmals in Lienz zu Gast. Am Freitag, den 25. März wird er ab 17.00 Uhr eine Schreibwerkstatt in der Stadtbücherei leiten und ab 20:00 Uhr dort den "Karfreitags Poetry Slam" moderieren. Jeder, der gerne schreibt, vorträgt oder einfach nur zuhört ist herzlich eingeladen, eine oder beide Veranstaltungen zu besuchen! Der Eintritt ist frei.
Keine Postings
Sie müssen angemeldet sein, um ein Posting zu verfassen.
Anmelden oder Registrieren